Soundtracks, Theatermusik, Oper, Symphonie – der Komponist PHILIP GLASS ist mit 65 aktiver denn je
Der 65. Geburtstag dürfte kaum das wichtigste Ereignis im Leben eines Menschen sein. Mit einem Kaffeekränzchen aber ist es auch nicht getan, wenn ein respektierter Komponist den runden Geburtstag zu feiern hat Am 3L Januar wurde Glass 65, und am darauf folgenden Sonntag widmete sich das „American Composers Orchestra“ in der Carnegie Hall seinem orchestralen Werk. Glaubt man der „New York Times“, so war die US-Premiere von „Passages“, einer Kollaboration mit Ravi Shankar aus dem Jahr 1990, weniger überzeugend als etwa die „6. Symphonie“, die auf Allen Ginsbergs JPlutonian Ode“ basiert Eine WelturaufRihrung – Glass hatte die Arbeit erst Wxhen zuvor abgeschlossen. Gerade abgeschlossen ist auch die Filmmusik zum dritten Teil der „Quatsi“-Trilogie, mit der Philip Glass beim breiten Publikum vielleicht eher identifiziert wird als mit seinen Symphonien und Opern („Einstein On The Beach“,“Akhnaten“). Neben Terry Riley und Steve Reich gehörte Glass bekanntlich zu den Mitbegründern der „Minimal Music“ und zeigte sich auch immer offen für den Gedankenaustausch mit Popmusikern wie Brian Eno und David Bowie. Bowies Alben „Low“ und „Heroes“ gestaltete er bereits zu symphonischen Werken um, ,JLodger“ steht noch auf seinem Plan. „Keine Frage“, konstatiert er beim Interview kurz vor seinem Geburtstag, „ich verbringe meine Zeit vorwiegend mit Kollaborationen: Film, Theater, Oper – im Grunde alles, was die vier Elemente Bild, Text, Bewegung und Musik miteinander verbindet. Das ist die Welt, die ich bewohne. Sogar meine neue Symphonie basiert auf einer Zusammenarbeit, in diesem Fall einem Ginsberg-Gedicht. Wir wollten das Werk noch zu seinen Lebzeiten beenden, aber dann starb er so plötzlich, dass ich das Projekt im Alleingang abschließen musste. Aber eswar fast so, als habe Allen an meiner Seite gesessen. Allerdings“ – er lacht „war er nicht mehr in der Lage, mir reinzureden.“ Seine Pläne für 2002 sind ebenso vielfaltig wie seine bisherige Arbeit. Er wird seine außergewöhnliche „Philipon-Film“-US-Tour (bei der er seine Musik live zu Filmen wie Tod Brownings „Dracula“ präsentiert) in Europa fortsetzen. Im Sommer wird seine neue Oper „Galileo, Galilei“ in Chicago Premiere feiern. Im Herbst soll „Naqoyqatsi“, der dritte Teil von Godfrey Reggios Qatsi-Trilogie nach „Koyaanisqatsi“ (1983) und „Powaqqatsi“ (1988), wiederum mit der Musik von Glass, in die Kinos kommen (Der Soundtrack soll bereits im Frühjahr erscheinen). „Godfrey übersetzt ,Naqoyqatsi das Wort aus der Sprache der Hopi-Indianer, mit .zivilisierte Gewalt‘. Also ein Film über die Welt, in der wir leben (lacht). Eine Welt, die schließlich aus einer Menge Gewalt besteht. Mit der eigentlichen Arbeit hatten wir bereits im letzten Februar begonnen, also lange vor den Ereignissen vom 11. September, die die Aussage des Films im Nachhinein nur bestätigt haben. Es ist schon erschreckend, wie prophetisch Godfreys Arbeit schon immer war.“ Die Amerikaner lieben ihre Stars, auch wenn sie den unkommerziellen „Künsten“ zuzurechnen sind. Subventionen aber gibt’s deshalb auch nicht. Glass musste sich noch 20 Jahre nach Studienbeginn mit Nebenjobs als Möbelpacker, Installateur und Taxifahrer über Wasser halten. Kurz nach der gefeierten US-Premiere von „Einstein On The Beach“ 1976 fuhr Glass in seinem Taxi einen Fahrgast, der die bezeichnende Bemerkung machte: „Wissen Sie eigentlich, dass Sie den Namen eines berühmten Komponisten tragen?“ „Amerika“, so Glass, „hat kein Interesse, Kunst zu subventionieren. Man muss kämpfen, um überleben zu können. Trotzdem: Hier bin ich aufgewachsen, hier sind die Wurzeln meiner Ästhetik. Ich habe diesen Ort auf meine Art und Weise umarmt Er war mein Schicksal, aber ich habe auch viel zurückbekommen.“ Michael Tschernek