Sound-Sammler – Für sein Ethno-Dance-Projekt 1 GIANT LEAP be- gab sich Jamie Catto auf eine akustische Weltreise
Die Technik, sie will nicht klappen: Jamie Catto versucht mit verzweifelter Hingabe, seine liebe Freundin Dido anzurufen und Sister Bliss und einige andere Abkömmlinge des mittlerweile beachtlich verästelten Faithless-Stammbaumes, aber das Handy streikt. Catto knurrt „fuck“ und „cunt“ und andere unschöne Worte und vermisst besagte Freunde offenbar mächtig. „Wir haben ein recht familiäres Verhältnis miteinander“, meint er fast schon entschuldigend. Catto war einst von Faithless‘ Lenker, Denker und Motivator Rollo in den Kreis des britischen Künstlerkollektivs berufen und dann – nach einer Art Lehrzeit – aus dem Nest geschubst worden, indem ihm die Produktion einiger Videos und Cover-Designs anvertraut wurde.
Der potente Jungspund fand Gefallen an den neuen Horizonten und hat sich seither zum künstlerischen Tausendsassa entwickelt, der mal für R.E.M. ein Video macht, mal mit Dido ein paar Lieder schreibt. „Rollo hat extrem viel für uns alle getan“, lobpreist Catto seinen Mentor, „und das schweißt uns zusammen.“
Mit seinem aktuellen Projekt wird der Novize seinen Meister wohl beeindrucken können: Für 1 Giant Leap bereiste Catto mit dem ebenfalls grenzenlos kreativen Duncan Bridgeman eines einhalb Jahre lang die Welt, um über 100 (!) Musiker, Philosophen, Geistliche und andere interessante Menschen zu einem beeindruckenden Kunstwerk zusammenzufassen. „Es fing alles damit an, dass wir von dem die Nase voll hatten, was man im Allgemeinen unter Weltmusik versteht“, erklärt Catto. „Mir fehlte das Chaos und die Panik, die zumindest mein Leben ausmacht. Ich denke, Kunst berührt erst dann wirklich Menschen, wenn sie diesem Chaos Rechnung trägt.“
Ausgestattet nur mit Laptop, Minimischpult und einer kleinen Filmkamera, machten sich Catto und Bridgeman auf den Weg um den Globus, um Menschen mit Themen wie Tod, Gott, Sex und Identität zu konfrontieren und am Ende den entsprechenden Beitrag in der digitalen Tasche zu haben. „Wir treffen uns in deiner Küche oder irgendwo in der Wüste, wir reden, du setzt die Kopfhörer auf, und wir arbeiten zusammen. Aber du arbeitest nicht nur mit mir, sondern auch mit dem Trommlern aus Uganda, die letzte Woche ihren Part auf den Track gespielt haben“, illustriert Catto die Arbeitsweise. „Um diesen Dialog ging es uns, nicht um Antworten, die man ja ohnehin kaum geben kann.“
Was am Ende herauskommt, ist mitnichten ein Album fürs Ethno-Regal. Neben all den Weltmusikanten duettieren auf „1 Giant Leap“ Robbie Williams und Faithless‘ Maxi Jazz, Neneh Cherry und Speech von Arrested Developmen, Michael Stipe und die indische Supersängerin Asha Bosle. Dazu entwerfen Catto und Bridgeman gar nicht zugangsbeschränkte Pop- und Dance-Sounds, immer elegisch zwar und voller exotischer Klangfarben, aber zum Brückenschlag sehr wohl geeignet. „Schon klar, dass keiner zuhören würde, wenn wir jetzt hier eine exklusive Veranstaltung durchziehen würden“, grinst Catto. „Man muss die Wahrheit immer mit einem Löffel Zucker reichen.“