Songschreiber Walter Salas-Humara und seine SILOS beten neuerdings zum Deus ex machina
Das sei nicht beabsichtigt gewesen, sagt Walter Salas-Humara mit einem verlegenen Grinsen, und meint damit den Furor, den die aktuelle Silos-LP „Heater“ im Lager der Roots-konditionierten Fans entfacht hat. Drum-Loops und Samples gehören einfach nicht zum Americana-Alphabet, wähnten manche und wandten sich befremdet ab. „Ich kann darauf keine Rücksicht nehmen“, erklärt der Mann, der die Silos fast im Alleingang betreibt, achselzuckend. „Die Verschmelzung von Tradition und Technologie ist eine faszinierende und spannende Sache. Ich kann doch nicht auf der Stelle treten, bloß weil die Leute ihre Ohren nicht aufkriegen und von mir erwarten, daß ich alle Jahre ‚Cuba‘ wiederauferstehen lasse.“
Tatsächlich ist der Abstand zwischen dem Galions-Album „Cuba“ von 1987 und dem milde-experimentellen Jieater“ musikalisch nicht substantiell. Nur der Sound hat sich gewandelt und mit ihm die Atmosphäre. Sorgte Mary Rowells Violine einst für warme Vibrationen, machen ihre Klangbilder inzwischen einen abstrakteren Eindruck inmitten der elektronisch erzeugten Grooves. Das Gefühl liegt in Walters Songs, die sich wie ehedem sukkulent und melodisch voll ausgereift in die Gehörgänge schmiegen. „Möglich, daß ich das Beharrungsvermögen der Leute unterschätzt habe“, räumt Salas-Humara ein, „aber ich habe wirklich keine Zeit für Purismus jedweder Art, schon gar nicht für eine Erwartungshaltung, die borniert aufs Handgemachte setzt und in ihrem eigenen Saft schmort. Zum Glück ist das eine Minderheit. White Noise, Rhythmus-Maschinen und seltsam modulierte Geräusche schrecken nur noch wenige.“
Die anhaltende Kritik an „Heater“ aus dem Camp der Computer-Skeptiker scheint schon deshalb deplaziert, weil der Original-Silos-Sound, dem sie jetzt nachtrauern, ja auch alles andere war als eindimensional. So klar lagen die Bezugspunkte zutage und so homogen wurden sie verschmolzen, daß sich niemand gewundert hätte, wenn diese potenten New York-Rocker nicht als The Silos angetreten wären, sondern als The Velvet Countrystones. Die Vorbilder und Vorlieben sind noch dieselben, meint Salas-Humara, aber eben erweitert durch ein Kaleidoskop neuer Klangbilder, die ein modernes Tonstudio auf Abruf bereithält.
Auf den Geschmack an Soundtüfteleien kam der Mann aus Florida, der längst in LA beheimatet ist, als er vor einem Jahr den Auftrag erhielt, für den Film „Whatever“ den Soundtrack nicht nur zu komponieren, sondern auch gleich aufzunehmen. „Das hat mir die Augen geöffnet“, erinnert er sich, „es schien zuerst komplex und unübersichtlich zu sein, erwies sich aber bald als extrem simpel und trotzdem abwechslungsreich. Als alles fertig war, blieb mir nur zu resümieren: that was cool“.
Am Vorabend, beim Konzert im Berliner Knaack, hatte noch der alte Roots-Recke auf der Bühne gestanden. Abermals die bekannten Klopfer und Balladen von „Tennessee Fire“ bis zu seinem besten, seinem einzigen unsterblichen Song „Susan Across The Ocean“. Klampfe nur, Kontrast pur. Später erzählt er von seinem neuesten Projekt, das in New York City seiner baldigen Vollendung zustrebt Es heißt „Cooler“, ist eine für DJs und Clubs vergroovte und verblubberte Ausgabe von „Heater“, kein Track unter acht Minuten und randvoll mit Electronica von „der tanzbaren Sorte“. Techno, Walter? „Yeah. I’m totally into it.“