Songs ans dem Asia-Krämerladen: Die Indo-Briten von CORNERSHOP samplen querbeet
Klar, das Leben ist ein Geben und Nehmen. Besonders bei Cornershop, die ja für einen fast unglaublich produktiven Austausch von kulturellem Gut stehen. Manchmal kommt diesem Transfer eine tiefere Bedeutung zu, manchmal ist er Selbstzweck. Aufjeden Fall müssen sie sich gut anfühlen, die Töne, die das indisch-britische Unternehmen in seinem viellagigen Folk-Hop sampelt oder spielt. Möglich ist da fast alles. „Except cheesy keyboards“, wie Tjinder Singh betont. Obwohl: “ Well, maybe cheesy is okay. What I wanted to say was: shitty keyboards. You knorv what I mean.“
Ganz genau. Nach Erklärungen steht dem Leiter des Indie-Rock-Tanz-Orchesters im Moment aber nicht der Sinn, denn ihm ist das Dope ausgegangen, und eigentlich wäre es am Abend dieses langen Interview-Tages an der Zeit, ein bißchen nachzulegen. Die Arbeitsweise bringt er trotzdem noch auf den Punkt: „Es ist alles eine Sache des Zufalls.“
Nun kann man den Zufall ja auch als ontologisches Prinzip begreifen, und auf dem dritten Album von Cornershop, „When I Was Born The 7th Time“, finden sich in dieser Hinsicht ein paar interessante Begebenheiten. Zum Beispiel die Sache mit Allen Ginsberg. Der sprach in einer New Yorker Küche dem Cornershop-Chef sein „When The Light Appears Boy“, ein Poem über den Tod, in den Taperecorder – ein paar Monate, bevor er starb. Singh, Sohn indischer Einwanderer, koppelte die Rezitation mit Musik, die er bei einer Reise durch die alte Heimat seiner Eltern auf der Straße aufgenommen hatte. „Ein sehr großer Teil von Ginsbergs Leben war von den östlichen Philosophien geprägt, deshalb fand ich es passend. Aber wir hatten das Album fertiggestellt, bevor er gestorben ist. Wahrscheinlich hätte ich das Stück sonst gar nicht veröffentlicht.“
The music of pure chance: Auch der Rest dieses Albums hat sich irgendwie von selbst ergeben. Justin Warfield von Bomb The Bass war zufällig im Studio über dem ihren und kam kurz mal runter, um über die TripHop-Schleifen von „Candyman“ zu rappen. Und als potentielle Duett-Partnerin des countryesken „Good To Be On The Road Back Home“ war Nancy Sinatra vorgesehen, „aber die hatte zu der Zeit leider familiäre Probleme“. Weil Singh kurz darauf in London Paula Frazer von Tarnation über den Weg lief, übernahm halt die den Duett-Part.
Manchmal wirkt diese Musik tatsächlich wie ein Cornershop, wie einer dieser vielen kleinen Gemischtwarenläden Englands, die von asiatischen Einwanderern geführt werden. Die Regale sind hier bis unter die Decke gefüllt. Im Fall von Cornershop mit Sounds und Samples unterschiedlichster Herkunft. Auf „When I Was Born The 7th Time“ sind Sitars über holperige Computer-Beats geschichtet, und die Rock-Gitarre wird mit der geschmeidigen Grandezza des Punjabi-Folk angeschlagen. Das hat viel mit dem Eklektizismus eines Beck gemein. Wo der Ami jedoch den Überfluß an Sounds zur narrativen Technik erhebt und durch kunstvolle Arrangements lenkt, da reißt Cornershop bei der Masse an Möglichkeiten zuweilen der Erzählfaden. Was bleibt, sind prima Melodien.
Und „Norwegian Wood“: „Das ist“, so Singh, „der bekannteste Sitar-Song im Westen.“