So waren White Fence in Berlin
Schlafzimmerblick und Britpop-Matte - Richard Ashcrofts Friseur eröffnet Dependance in L.A. und San Francisco: Henrik Josef Boerger war beim Konzert von White Fence im Berliner Club West Germany. Hier gibt's den Nachbericht mit Bildergalerie.
Da sind wir wieder, meine Damen, am Kottbusser Tor in Berlin. Jetzt wo es so furchtbar kalt ist dort draußen, man rutscht aus auf Schnee und Eis, wirkt das DocMartens-Mekka noch dunkler und schmuddeliger als sonst. Es kommen fast wohlige Gefühle auf, über Wolken aus Lösungsmittel und Urin in einem warm modrigen Treppenhaus und geht dann hinauf, vorbei an der Praxis Doktor med. Andreas Lepke – einem für mich durchaus zärtlichen Urologen – in den Club West Germany.
Zwei Bands treten auf am heutigen Abend. V aus Berlin und White Fence aus LA, beziehungsweise San Francisco (pendelnd). Das personelle Konzept beider Kapellen ist im Grunde ähnlich. Ein Solokünstler mit gehörigem Output und Ehrgeiz scharrt in entsprechender Minimalbesetzung eine Band um sich, verliert aber niemals die Kontrolle, noch das Zepter der Inspiration. Zumindest wirkt das so.
V sind Band und Frontfrau in einem (namentlich). Die zierliche Person mit schwarz geschminkten Augen, schwarzem Bob, finsterer Miene und goldenem Pentagramm als Halskette raunt mit ihrer Vice Katalog Backing-Band durch ein monoton lahmes Joy Division Wave Set. Das passt zwar in die Kulisse des Clubs, konnte mir persönlich leider nur an wenigen Stellen wirklich gefallen. Zum Beispiel wenn bizarrerweise Sonic Youth aufblitzen, oder V die Toten mehr anstöhnt als -„singt“. Findet man Videos der Künstlerin im Internet, wirkt auch da ihre Musik eher experimentell und performativ im Kunstsinn, als stringent mit einer klar ästhetischen Vision (Außer ein Jahrzehnt ist eine Vision, dann: Meinetwegen). Und obwohl das Publikum die 80er mit größtem Einfluss auf seine Garderobe hat einwirken lassen, erschüttert die Liebe das traurige Synthi-Herz an diesem Abend keinen Millimeter. Apropos Urologe im ersten Stock: Chlamydien sind das Stichwort. Auch diese kleinen Biester waren ja durchaus sehr beliebt in den 80ern. Wie The Cure oder Patchouli-Ohrringe. Um mal im Referenzbereich vorbei zu gucken. Das Set bleibt angenehm kurz, und so brüllt auch niemand „Suicide“ als Pause ist.
White Fence hingegen sind weniger nur Zaungäste eines Trends. Der wahnsinnig umtriebige Ty Segall spielte selbst schon zweimal im West Germany, bevor er dieses Jahr gemeinsam mit White Fence das Album „Hair“ erscheinen ließ, weshalb ich am Ende des Tages auch nur hier stehe, in diesem vollständig weiß gekachelten Irrenhaus. Das bedeutet, beide Formationen veröffentlichten allein dieses Jahr ca. fünf Platten in der Summe. Nicht gerade optimale Bedingungen, um den Überblick des Oeuvre – Westküsten-Garagenrock – zu behalten. Tim Presley, ganz dem Projektgedanken verhaftet, ist demzufolge Mitglied gleich mehrerer Bands. Darker My Love, Strange Boys und bei Zeiten Tour-Gitarrist von The Fall, sind White Fence also nur eine seiner vielen Ausdrucksmöglichkeiten im DIY-Format.
Für ein Konzert bedeutet dieser Ansatz meist auch, dass man das Instrument des Impresario einen stärkeren Hauch lauter dreht als tontechnisch akzeptabel wäre. Presley und Gang spielen den Laden dann trotzdem in die Knie. Allgemein gelingen den ganzen Westcoast Boys dieser Tage süße, am 60s Pop geschulte Melodien ja ganz hervorragend. Auch White Fence kehren nach Ausflügen immer wieder zurück in diese erhebende Gangart. Schauen kurz beim Punk vorbei, zurück in die Zeiten einer British Invasion. Was Blur damals aus Amerika importieren wollten, holt sich Presley anders herum zu gleichen Teilen aus England und verwebt es mit Stilarten des eigenen Kontinent.
Denver erscheint auf seiner Landkarte genau so weit wie Seattle. Dazwischen ist immer genügend Platz für weit ausladende Psychedlic-Walzen und große Soli, was streckenweise sehr nahe am Rande dazu steht, offensiv zu nerven. Tut es dann schließlich doch nicht, weil ja der Pop ein Publikum immer und weltweit am glücklichsten macht.