So waren Me And My Drummer in Berlin: Blonde Engel
Gestern Abend spielten Me And My Drummer im Heimathafen in Berlin. Aurelia Kanetzky hat sich die Band angesehen und war direkt angetan von der Spontanität und der Frische, die die Wahlberliner trotz ausgiebigem Touren mitbringen.
Sie sind wohl die erfrischendsten Neueinsteiger des Jahres. Man könnte sagen Me And My Drummer haben das Laufen gelernt und sind nicht mehr aufzuhalten. Beachtlich fleißig sind sie, schließlich gibt es wohl kaum einen Tag, an dem nicht ein neues Session-Video, ein neuer Konzerttermin oder ein neues Interview publik wird – und im Vergleich zu anderen engagierten Kandidaten verlieren sie einfach nicht an Sympathie, im Gegenteil.
Den ausverkauften Heimathafen haben sich die zwei Wahlberliner schwer verdient. Selten bieten Künstler nach so ausgiebigem Touren diese Frische an. Sie sind noch lange keine Routiniers und gerade das macht diesen Abend und diese zwei Musiker so echt und liebenswert. Ihre Moderationen sind nicht einstudiert, nicht überlegt, das gibt Charlotte Brandi offen zu: Sie weiß noch immer nicht so recht, was man da so alles sagen kann und lässt sich von ihrem Kollegen Matze Pröllochs spontan Hilfestellung geben. Ihre Schüchternheit zaubert Privatsphäre in den Saal, als handelt es sich bei den 800 Lauschenden um den engsten Freundeskreis, der mal eben im Proberaum vorbeischaut.
Schon der dritte Song „Down In My Couch“ zeigt die Vielfältigkeit dieses Duos, das ihren Eigenklang in all den Variationen nicht verliert. Me And My Drummer beweisen, dass sie mehr zu bieten haben, als ’nur‘ leichtfüßige Pop-Musik. Brandi brilliert in sauberstem Jazzgesang, wird kurzum selbst zur besungenen „Prima Donna First Class“ und lässt im Zusammenspiel mit Pröllochs die Stimmung eines Varieté-Theaters aufleben. Auch das darauffolgende „Don’t Be So Hot“ ertönt anders als sonst, mit leicht psychedelischen Nuancen. Obwohl Brandi als Songschreiberin auf „The Hawk, The Beak, The Prey“ den letzten kalten Winter verarbeitet, der ihr schwermütig zusetzte, fühlt sich diese Interpretation des Songs doch mehr an wie einer dieser Sommertage, an denen es so heiß ist, dass das Atmen schwerfällt und man sich fast wie in Slow Motion bewegt. Als sich am Ende des Liedes ein „Magic“ voluminös durch den Raum schmettert, die letzten Synthie-Flächen überdauernd, schwappt diese assoziierte Starre bis in die letzte Reihe. Es ist die rhythmische Präzision Pröllochs, die diese im anschließenden „Heavy Weight“ in eine Tanzlawine auflöst.
Auf einmal folgt ein neuer Song in der gewohnten Stimmgewalt: Brandi singt die Zeile “ I can never have it all„, dazu spielt sie düstere Synkopen auf den Tasten, welche sie in einem Tempo bedient, dass man meinen könnte, Zeuge einer Schlacht zu sein. Ähnlich wie in Gabriel Yareds „Sonate vom guten Menschen“ scheint Brandi gegen jegliche Dissonanzen anzukämpfen und lautstark einen inneren Kampf auszutragen: „What else could I do“, die letzte Zeile, dann tritt sie nach vorn an das Mikrofon, verlässt erstmals ihre Synthesizer und verpasst dem Song „The Wings“ eine amüsante Stewardess-Anmoderation in englischer Sprache, die ebenso wie der Song selbst, den berechtigten Jubel einfährt.
Ein zweiter neuer Song wird präsentiert, der dem Duo selbst sehr gefällt, weil er „Spaß macht“. Leider wandelt sich die große Spannung dann aber doch ein wenig in Enttäuschung um, denn so spaßig ist das Lied eben gar nicht. Zwar wurde es durch das Drum-Zusammenspiel der beiden interessant eröffnet, doch die sonst so packenden Melodien lassen leider auf sich warten. Zweite Chance: Auch der nächste Titel gibt Ausblick auf eine musikalische Zukunft mit Me And My Drummer. Brandi fordert rotes Licht auf der Bühne, denn „Rot ist die Idee“. Im Verlauf des Liedes zeigt sich, dass alle Vergleiche zu Leslie Feist eben doch ihre Begründung haben, denn der „Chef“, wie Matze Pröllochs seine Frontfrau nennt, wirkt stimmlich tatsächlich zum ersten Mal wie ein Double. Das kann die musikalische Leistung dennoch nicht schmälern. Überraschenderweise singt sie plötzlich eine deutsche Zeile „Du warst immer die Schönste für mich“ – ob sie damit Leslie meint? Der Gedanke wird durch spanische Klänge unterbrochen und durch einen übersetzenden Kommentar von der Seite: „Wie kitschig, das heißt ‚Mach das, was dein Herz will'“ – nun ja, aber das machen Me And My Drummer eben und bisher machen sie damit alles richtig.