So war die Campus Party 2012 in Berlin: Schlagzeugroboter und Twitter-Songwriter
Technik-Festival, LAN Party, Hackathon und Konferenz. Das alles vereint die Campus Party in sich, die am Wochenende in Berlin zu Ende ging. Der Rolling Stone war vor Ort und erklärt, was es damit auf sich hat. Und warum sich auch Musik-Fans dafür begeistern sollten.
In Deutschland ist man mit Veranstaltungen wie dem Chaos Communication Congress oder der Re:publica als Technikinteressierter recht verwöhnt. Wieso also noch ein Großevent für die Hacker, Blogger und Techniknerds? Das Konzept Campus Party kommt ursprünglich aus Spanien und ist eine Kombination aus den beiden in Deutschland etablierten Events. Kongress und Hackerveranstaltung. Oben drauf noch LAN Party und Workshops.
Nach Ablegern in Brasilien und im Silicon Valley fand die Campus Party letzte Woche zum ersten Mal in Deutschland statt. Angeblich über 10.000 Teilnehmer, sogenannte Campuseros, fanden sich im Flughafen Tempelhof zusammen. Dort wo die Sponsoren auf der Suche nach dem Next Big Thing waren, dem Start-Up mit dem sich Geld machen lässt, während so manch einer mit der Club Mate in der Hand vom millionenschweren Exit träumte.
Ganz so war es natürlich nicht. Auch wenn Sponsoring und Stände von bekannten Big Playern besonders ins Auge fielen: Ein Event wie die Campus Party hat mehr zu bieten. Zu viel wie es scheint. Denn die Campuseros verliefen sich doch recht schnell auf dem Flughafengelände. Als Besucher konnte man sich auch kaum entscheiden, wo man denn hin will. Vorträge lauschen oder doch die live zusammengelöteten Roboter bestaunen? An Konsolen spielen oder einen „Starcraft 2“-Wettkampf begutachten?
Wer sich für die Vorträge entschied, war schnell enttäuscht. Das weite, offene Gelände, lediglich von ein paar Containern geschützt, ist mit seiner Akustik für Sprachvorträge denkbar ungeeignet. Die mickrigen Anlagen erschwerten das Zuhören dann zusätzlich. So trugen viele Referenten vor einem recht überschaubaren Kreis ihre Beiträge vor. Eine der Ausnahmen: Sir Tim Berners-Lee.
Frei wie in Freiheit, nicht wie in Freibier
Der Erfinder des World Wide Webs war der Star der Veranstaltung, und so drängelten sich am bereits recht leeren Samstag die meisten vor der Hauptbühne, um dem Vorstand des W3C zuzuhören. Berners-Lee ist verantwortlich dafür, dass Sie so browsen können wie Sie es tun. Als Erfinder der Mark-Up Language HTML und vorantreibende Kraft im Bereich CSS setzt er Webstandards mit einem Ziel: ein freies Netz.
Seine Entwicklungen gab er stets weiter, statt sie zu patentieren. Erst das ermöglichte die flächendeckende Etablierung. So steht er stotternd auf der Bühne und preist die Hacker und ihre Ideen, denn er gehört ja selbst dazu. Wer jetzt aber denkt, dass er für die Gedanken der Umsonstgesellschaft verantwortlich wäre, irrt. „Es geht um ein freies Netz. Frei wie in Freiheit, nicht wie in Freibier“, sagt er und betont, dass gerade Programmierer die Sorgen von Musikern nachvollziehen können sollten. Piraterie im Softwarebereich ist von Anbeginn ein Thema gewesen.
Es sollte den Menschen selbst überlassen sein, zu entscheiden, was sie zur freien Verfügung stellen wollen. Ein Gedanke, der einem GEMA-Mitglied recht fremd vorkommen müsste, schließlich hat dieses nicht die Möglichkeit, über einzelne Werke zu entscheiden und z.B. eine CC-Lizenz zu verwenden.
Und so kämpft Berners-Lee für ein freies Netz an der Basis. Dezentralisiert soll es sein, weg von nativen Applikationen hin zur Web-App. Mit mehr Sprachgewalt hätte Berners-Lee vielleicht verdeutlicht, dass genau das, was er den „Spirit des Internets“ nennt, immer wieder in Gefahr ist. Nicht nur durch Handelsabkommen wie ACTA, sondern durch die Entwicklung selbst. Großkonzerne wie Google oder Facebook anzugreifen, wagt er jedoch nicht. Vielmehr predigt er anhand von ihnen einen American Way Of Live – umgemünzt auf auf die Netzgemeinde. Vom Nerd zum Millionär. „Jeder kann einen neuen Dienst entwickeln und damit Erfolg haben.“
Musik auf der Campus Party
Das alles sind natürlich spezielle Themen, die den Musikfan selten interessieren. Auch wenn Netzneutralität alle betreffen sollte. Aber auch für Musikinteressierte hatte die Campus Party einiges zu bieten. Eine ganze Bühne war den Künsten gewidmet.
Und wo ein Musiker bei Dynamik noch an Lautstärken beim Spiel denkt, wird er hier mit neuen Modellen konfrontiert – dynamisch im Sinne von generativer oder interaktiver Musik. Ein Konzept, welches Brian Eno bereits aufgriff. Mit seinen Applikationen Bloom, Trope oder Air zeigt er, wie generative Musik funktionieren kann. Ein Musikstück muss nicht immer gleich klingen. Einzelne Parts werden stets neu zusammengesetzt und erschaffen eine endlose Komposition. Das ist als Basis ziemlich simpel, doch in Zukunft könnte dieser Zufall durch Parameter über Schnittstellen abgelöst werden. Wer Musik auf seinem iPhone hört, könnte diese durch seinen Gang beeinflussen. Man kann das Gadget schütteln und so direkten Einfluss auf die Musik nehmen oder, viel simpler, je nach Uhrzeit oder Position ändert sich die Komposition.
Welche äußeren Einflüsse ein Werk interaktiv beeinflussen können, zeigt das Projekt The Listining Machine von Daniel Jones und Peter Gregson. Diese kreieren aus Tweets ein Stück. Twitter ist dabei Poesie. Die kurzen Sätze ermöglichen eine Analyse. Nach Schlüsselwörtern im Inhalt werden die Themen oder Stimmungen wiedergeben, nach einer Rhythmik, die sich anhand der Silben und Laute bestimmen lässt und natürlich nach der Tweet-Frequenz. So komponieren Twitterer basierend auf kleinen Samples und größeren Themes ein Stück ohne es zu wissen. Die größte Herausforderung war dabei, das Stück hörbar zu machen. Das gelingt nicht immer – aber im Großen und Ganzen klingt es erstaunlich oft nach der Musik der isländischen Band Múm – und ungemein beruhigend.
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Die Komposition muss aber nicht immer mit dem Publikum interagieren, um zukunftsweisend zu sein. So machen sich ein paar Bastler einen Spaß daraus, einen Schlagzeug spielenden Roboter zu entwickeln. Der hat zwar mehr Arme als ein menschlicher Drummer, aber besser spielen tut er noch lange nicht. Interessanter dagegen ist Onyx Ashanti der nicht nur neue Devices als Controller für seine musikalische Performance einsetzt, sondern gleich seinen Atem als Trigger nutzt. Gestik und Atem fließen bei seinem Beatjazz System direkt in die Musik ein.
Ob diese Entwicklungen die statische Aufnahme ablösen wird? Wohl kaum. Die Hörgewohnheiten bleiben dann wohl doch eher klassisch. Eher kann man sich da vorstellen, dass man Musiker mit Devices wie sie Onyx Ashanti nutzt häufiger auf der Bühne sieht.