So war das Sziget Festival: Vom Touristen zum Eingeborenen und wieder zurück
Lisa Weil hat bei uns Tickets für das Sziget Festival in Budapest gewonnen, das an diesem Wochenende zum 20. Mal stattfand. Hier ihr Nachbericht und ihre Impressionen vom Festival.
In einer Episode der Simpsons legt Lisa über Nacht einen Zahn in eine Petrischale voll Cola ein. Am nächsten Morgen entdeckt sie, dass sie aus dem kleinen Experiment eine eigene kleine Zahnwelt mit Gebäuden und winzigen Bewohnern geschaffen hat. Auch wenn die Korrelation nicht sofort ins Auge sticht: Mit dem Sziget Festival, dem kleinen musikalischen Biotop im Herzen von Budapest, verhält es sich ganz ähnlich.
Die Óbudai Sziget (zu Deutsch: Obudaer Insel), auf der das Festival seit Anfang der neunziger Jahre regelmäßig stattfindet, schmiegt sich im Norden der ungarischen Hauptstadt der Länge nach an das Donauufer. Während die Insel bis auf vereinzelte Konzerte und andere Kulturveranstaltungen das Jahr über nur wenige Interessierte anzieht, kommen zum Sziget Festival mittlerweile fast 400.000 Besucher: etwa zehn Mal so viele wie zum ersten Festival 1993.
Jahr für Jahr bevölkern seitdem vor allem Ungarn, Deutsche, Franzosen und Holländer die Insel – 2012 vom 5. bis 13. August – und bauen in der Festivalwoche eine riesige Zeltstadt auf, die sich über das gesamte Gelände zieht. Die Hartgesottenen setzen ihre Behausung direkt neben die Hauptbühne oder geben sich gar mit einer verstaubten Matratze zwischen Dixie-Kloreihe und Hot-Dog-Stand zufrieden. Nach wenigen Tagen werden aus den Besuchern dann Eingeborene, die es sich in ihrem Nest aus Bierdosen, Sonnenbrand und Bassdröhnung richtig gemütlich gemacht haben. Kein Wunder also, dass das Sziget 2011 als bestes europäisches Festival ausgezeichnet wurde.
Dieses Jahr wurde das Festival bereits zum 20. Mal begangen, weshalb die Macher es sich nicht haben nehmen lassen, sich einige besondere Aktionen auszudenken. Neben einem Fotoband, der den runden Geburtstag des Festivals feiert, wartete das Sziget heuer mit neuen Locations auf: Dazu gehörten eine Manege, in der Zirkusclowns, Tanzkünstler und klassische Pianisten gleichermaßen vertreten waren, ebenso wie das Wüsten-Kulturprojekt Azalai. Und wie es sich für ein buntgemischtes Festivalbiotop gehört, durften auch die Straßenkünstler nicht fehlen. So wundert sich beim Sziget keiner, wenn riesige Olympioniken auf Stelzen über das Festivalgelände stackseln oder überdimensionale Tauben die Besucher frech von der Seite anpicken. Sogar die Marschkapelle der ungarischen Polizei gab ein Ständchen, begleitet von gröhlenden, rotbäckigen Festivalgängern mit Vuvuzela-Tröten. Acts wie Glasvegas, Hurts, Maximo Park, Korn, The XX, The Stone Roses, The Horrors, Snoop Dogg und The Killers bedienten hingegen die Hauptbühne und bescherten dem Sziget Festival damit gleich mehrere große Namen, mit denen in den vergangenen Jahren nur beschränkt geprotzt werden konnte. Als Sahnehäubchen trohnte das Sziget Eye, ein Riesenrad, über der Festivalwelt.
Und dann, am Ende, wurden aus den Sziget-Eingeborenen wieder Sziget-Touristen, die ihr selbst-angelegtes Biotop über denselben Eingang wieder verließen, über den sie die Insel betreten hatten. Mehr Festival geht einfach nicht.