So kurze Sätze hat TOM LIWA vorher nie gesungen. Heute findet er, dass auch Slogans die Welt abbilden
Ist der Sänger ein wehrloses Wesen, weil er nur die Musik hat? Und für wen oder was kann er überhaupt noch kämpfen, wenn die Selbstverteidigung in der Unterhaltungsindustrie schon so viel Kraft kostet? „Wenn ich meine eigene Haltung gegenüber dem Kapitalismus angucke, dann brauche ich mich nicht über die Haltung zu wundern, die der Kapitalismus mir gegenüber hat“, sagt Tom Liwa. Das klingt, als habe er aufgegeben, obwohl er später feststellt: „Resignation geht mir völlig ab.“ Vielleicht zerbricht Liwa selbst sich viel seltener als sein Publikum den Kopf darüber, warum er – erst mit den Flowerpornoes, nun solo einer der fraglos wichtigsten deutschen Songwriter um die Finanzierung für Platten und Tourneen noch immer ringen muss wie ein russischer Autorenfilmer.
Irgendwie geht es ja, es ernährt Liwas kleine Familie in Duisburg, und wenn er in „Kylie und Jochen“ (Blumfeld-Distelmeyer, der es ja bis nach MTV geschafft hat) vom neuem Doppelalbum „2 Originals Of Tom Liwa“ singt „Es gibt kein Gut und Böse im Pop“, dann ist es in Wahrheit der Hörer, der im Kopf ergänzt: also nur Böse. Für Liwa ist die Pop-Frage ein politisches Thema, bei dem man mit Schwarzweiß-Mustern nicht weit kommt Trotz des jüngsten Comebacks der radikalen Slogans im Indie-Rock: Die Band (International) Noise Conspiracy nennt er „die ABBA des Emocore“ und beklagt „dieses ganze Diederichsen-mäßige Salon-Bolschewikentum, das in den Achtzigern entstanden ist. Da waren möglichst abseitige Theorien plötzlich schicker als ’ne konkrete politische Analyse, die sich in dem Moment erschöpft hat, als klar war: Mein Gegenüber weiß genau, dass Frieden besser ist als Krieg.“
Allerdings: „Jeder von uns wird irgendwann mal laut.“ Die „2 Originals“ (inspiriert von einer Neil-Young-Compilation) enthalten neben einer typischen Akustik-CD ein verdatternd untypisches Punk-Album, gemacht mit seiner neuen Band No Existe. Mit politischen Slogans. Oder geschickten Imitaten: „Sprache ist ein Virus! Kauft keine Produkte aus USA! Glaubt keinen Fans!“ grollt Liwa im Song „Brand eins“ – „Es gehört doch zu diesem Musik-Genre, dass man Sachen sagt, die man eigentlich so nicht sagen kann“, kommentiert er. „Ich hab früher nie Slogans benutzt, weil mir die zu plakativ waren.
Man kann das aber relativieren, indem man schon in der nächsten Zeile die Brechung einbaut.“ Hoch kokett, dieser zweite, brüllende Kopf, der Liwa gewachsen ist Aber eben auch eine Stilübung.
Wer unbedingt Versöhnung braucht, kriegt eine ungebrochen große Rock-Version von Bob Marleys „Redemption Song“ und verbal die Bestätigung, dass noch Hoffnung ist „Ich glaube an die politischen Möglichkeiten von Einzelpersonen“, sagt Tom Liwa. „Wenn der Sänger von Coldplay in Interviews über fairen Handel redet, und ein paar Leute deshalb ihren Kaffee im Weltladen kaufen, dann ist das schon viel.“ Liwa würde nie so konkret werden, oder? „Doch. Kauft fair gehandelten Kaffee!“