So groß mit Hut: Ein Nachruf auf Larry Hagman
Am 23. November 2012 erlag "Dallas"-Star Larry Hagman im Alter von 81 Jahren seinem Krebsleiden. Arne Willander zum Tod des berühmtesten Serienhelden der Welt.
Es war dieses wölfische, feiste Grinsen unter dem riesigen Cowboyhut, das J.R. Ewing zur Anti-Ikone des Fernsehens machte. Von „Ikonen“ sprach man nicht damals, 1981, als „Dallas“ mit dreijähriger Verspätung in Deutschland ankam. Es fehlten viele Wörter für das, was diese Serie bedeutete: Der entfesselte Kapitalismus als Spiel. Sex als Waffe und Fortsetzung des Geschäfts mit anderen Mitteln. Unmoralische Menschen als Sympathieträger. Gaunereien und Bestechung als selbstverständliche Mittel zum Zweck. Und im Mittelpunkt ein gescheiteltes Riesenbaby im Anzug, ein Vatersöhnchen, verlogen, verschlagen, rachsüchtig und intrigant. J.R. Ewing war außerdem selbstmitleidig, weinerlich und eitel: ein Ekelpaket.
Larry Hagman spielte diesen unangenehmen Texaner seit 1978, und eigentlich spielte er ihn bis an sein Lebensende: Noch wenige Tage vor seinem Tod am Freitag stand er vor der Kamera, um eine Fortsetzung von „Dallas“ zu drehen – in Dallas. Die letzte von 357 Folgen der Serie war 1990 gezeigt worden, doch seitdem gab es vier Fortschreibungen, zunächst als Fernsehfilm, seit 2011 wieder in Serie. Und obwohl längst die Kinder der Ewings im Zentrum des Geschehens stehen, waren Linda Gray, Patrick Duffy und Larry Hagman noch immer dabei – was kein Wunder ist bei einer Serie, in der Wunder öfter geschahen: Der tote Bobby Ewing kehrte unter der Dusche zu den Lebenden zurück, und Elly Ewing verwandelte sich von Barbara Bel Geddes in Donna Reed und zurück. Am Schluss der letzten offiziellen Folge saß J.R. Ewing auf der Bettkante und lud seinen Revolver. Dann hörte man einen Schuss.
Zwölf Jahre lang erlebten wir mit diesem Öl-Clan in der zweiten Generation, weshalb Amerika es besser hatte – und weshalb wir es nie so haben wollten. Die Ewings von der Southfork Ranch nahmen die Bush-Familie vorweg, jene reiche texanische Sippe, die der Welt erst später das Fürchten lehren sollte. Familie und Heimat galten bei den Ewings als oberste Werte – und beide wurden jederzeit pervertiert und außer Kraft gesetzt. J.R. verbrachte seine Zeit vor allem mit Bestechung, Bespitzelung und Hurerei, was seine Frau an den Rand des Wahnsinns und in den Alkoholismus trieb.
Der Aktenkoffer, der massige Mercedes, der abendliche Whiskey mit Eis unter dem grimmigen Ölschinken mit dem Bildnis des verstorbenen Vaters: „Dallas“ verlängerte in die späten 70er-Jahre, was Rock Hudson, Elizabeth Taylor und James Dean 1955 in George Stevens‘ „Giganten“ begonnen hatten. Und auch Douglas Sirks „Written In The Wind“ (1958) schwang in dem Melodram stets mit. Denn von allen Geschäften, die hier wie da getätigt wurden, schmerzte keines so sehr wie die unerwiderte Liebe einer Frau und die verweigerte Zuneigung eines Mannes: J.R. kämpft um den Respekt seines Vaters noch, als der bereits tot ist, und Bobby kann die große Liebe seines Lebens nicht verwinden und verliert zwei weitere Frauen. Der ganze Schamott geht schließlich unter: bei Stevens, bei Sirk und bei „Dallas“, der Puschen-Version, die nicht enden wollte.
Larry Hagman wurde am 21. September 1931 als Sohn der Schauspielerin Mary Martin und eines Anwalts geboren – in Fort Worth nahe Dallas, wo in der Serie die Southfork Ranch steht. Mit 20 Jahren spielte Larry neben seiner Mutter im Musical „South Pacific“ am Broadway und ging dann tatsächlich zum Militär. In London machte er als Bürohengst eine bescheidene Karriere, lernte auch Deutschland kennen und kam später wahrscheinlich deshalb so gern an den Rhein und nach Österreich zurück. 1954 heiratete Hagman die Schwedin Maj, mit der er zwei Kinder hatte.
Eher zufällig übernahm er 1965 die Rolle des Fliegermajors in der Serie „Bezaubernde Jeannie“: Die Arbeit war nicht anstrengend, und er konnte weiter Witze erzählen, Alkohol trinken und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Nach dem Ende der Serie schlug er sich mit Nebenrollen, etwa in „Der Adler ist gelandet“ (1976), durch. Er war 46 Jahre alt, als er J.R. Ewing wurde. In Deutschland wurde er in Fernsehzeitschriften nur noch „Fiesling“ genannt, der Schauspieler verschmolz mit seiner Schöpfung. Heute wirken die Affären in „Dallas“ wie Kinderkram, aber damals waren die Schandtaten geradezu empörend. Als Kind sah ich „Dallas“ als Reflexion des Fernsehbildes im elterlichen Wohnzimmer in einem Spiegel, auch wenn es oben am Treppenabsatz kalt im Schlafanzug wurde.
Larry Hagman spielte noch kleine Gastrollen in „Nixon“ und „Primary Colors“, zuletzt in „Nip/Tuck“ und „Desperate Housewives“. In Deutschland grinst er in der „Lindenstraße“ und warb für die Sonnenenergie; für eine Firma zeigte der schmaler gewordene Schauspieler noch einmal das J.R.-Grienen.1995 wurde Hagman eine Leber transplantiert. Er gab das Trinken und das Rauchen auf und lebte vegan, doch 2011 wurde abermals Krebs diagnostiziert. Am 23. November starb Larry Hagman, der berühmteste Serienheld der Welt, in einer Klinik in Dallas eines natürlichen Todes, 81 Jahre alt.