Smells Like Team Spirit
Für drei Jahre kehrten sie dem Musikbetrieb den Rücken, setzten andere Prioritäten. Kinder kriegen, das Gemüt befrieden, den Globus bereisen. Während sich die Popwelt weiter drehte, bevölkert von Travis-Epigonen. Nun sind die guten Menschen von Glasgow zurück, ohne unziemliche Erwartungen, nur mit neuem Album aus alter Analogie, Understatement und delikaten Songs.
Die Bühne ist bereitet, letzte Feinjustierungen am Mischpult wurden vorgenommen, die Scheinwerferbatterie ist ausgerichtet, die Setlist verteilt. Nervöse Anspannung liegt in der Luft, die Musiker traktieren einander mit albernen Scherzen, über die sie schon zigmal gegrinst haben müssen. Andy Dunlop testet sein Arsenal an Effektpedalen, Neil Primrose überprüft die Standfestigkeit von Hi-hat und Becken, Dougie Payne probt sein patentiertes Federn in den Knien schon, bevor er den Bass umhängt. Und Fran Healy steht wie eine Statue inmitten des geschäftigen Treibens, sucht sich zu sammeln, mit geschlossenen Augen, lächelnd.
Die ersten Gigs nach langer Bühnenabsenz stehen an. Oxford, London, Glasgow. Die Übungsphase liegt hinter ihnen. 14 Tage des Erinnerns und Erarbeitens, des Versuchens und Verwerfens. Das neue Material musste ins Set integriert werden, auf Kosten einiger alter Favoriten. Schmerzliche Entscheidungen in musikalischen Gewissensfragen, darunter tut es diese Band nicht. Was zählt, sind die Songs. Pop aus tiefster Seele. Daran hat sich nichts geändert. Ob die Massen noch darauf fliegen werden, weiß man nicht, ob Travis-Auftritte überhaupt noch diese Euphorie erzeugen können, diesen arglosen Taumel um eigentlich nicht viel mehr als verzückende Melodien, wird sich zeigen. In wenigen Tagen schon. Dies ist die Generalprobe.
Ein paar vertraute, noch tastend zurückeroberte Tunes später kickt die Band in Aktion, das Publikum zeigt sich begeistert. Was freilich noch nicht viel bedeutet. Denn erstens besteht das Publikum aus nur einer Person. Und zweitens bin ich nicht unparteiisch, wenn es um Travis geht. Immerhin lösen sich zage Zweifel, die Live-Tauglichkeit einiger neuer Songs betreffend, schnell in Wohlgefallen auf. „3 Times And You Lose“, als Opener der fünften Travis-LP „The Boy With No Name“ bereits auf Platte exponiert, wird seiner Vorreiter-Rolle auch im Konzert-Kontext gerecht, verhalten zunächst, dann aufgedreht, die Gitarre ruppig, die Harmonies bittersüß. Ein Song über Entfremdung, der das Gespann Dunlop/Healy als Urheber ausweist, ungewöhnlicherweise. „Alles daran ist untypisch für Travis“, erklärt Fran, „es war nicht einmal ein fertiger Song, als wir ins Studio gingen, vielmehr ein aus einem Jam entstandenes, langes Instrumentalstück von Andy, das eine eigene Dynamik und Atmosphäre entfaltete. Wir waren ganz vernarrt in das Resultat dieser Session, wussten aber nicht, wie daraus ein Song zu zaubern wäre. Und so nahm ich diverse Versatzstücke, ergänzte sie mit einer Gesangsmelodie, und wir bauten alles zusammen, übrigens am alten EMI-Desk, an dem ‚Dark Side Of The Moon‘ entstand. Es war der erste Track, den wir fertigstellten und es dauerte eine Weile, bis wir uns damit angefreundet hatten. Später versuchten wir sogar, alles mit Nigel Godrich noch mal aufzunehmen, mussten aber erkennen, dass der Flow nicht reproduzierbar war. Also beließen wir es dabei.“
Live wird die quecksilbrige Flüchtigkeit des Backing Tracks in einen Groove umgedeutet, wie überhaupt alle live vorgeführten Songs ein deutliches Plus an pumpender Robustheit gegenüber den Studio-Takes aufweisen. Godrichs Handschrift ist keine bandfreundliche, nimmt wenig Rücksicht auf im Übungsraum gewachsene, kollektiv ersonnene Ideen. „Deshalb haben wir ihn erst ganz am Ende hinzugezogen“, nickt Payne, „wir wollten nicht, dass er uns sagt, wie wir zu spielen hätten, wir wollten die Kontrolle über die Arrangements nicht aus der Hand geben. Also legten wir ihm Aufnahmen vor, die beinahe komplett waren, in ihrer Summe aber noch kein Album ausmachten. Darin ist Nigel fantastisch. Er hört das Große und Ganze, weiß die unterschiedlichsten Fäden im Mix und mittels kleiner Overdubs so zu verbinden, dass daraus ein roter Faden wird, der das Album zusammenhält. Manchmal reicht dazu schon das Weglassen einer Tonspur. Wir können das nicht, sind wahrscheinlich zu nah dran. Es hat ihm nicht behagt, dass wir ihn so spät konsultierten, aber das geschah mit Bedacht.“
Klanglich schließt „The Boy With No Name“ also an die beiden Godrich-produzierten Alben“Tha Man Who“ und „The Invisible Band“ an, allerdings habe das, so Fran Healy, nur indirekt mit den Künsten des externen Beraters zu tun, vielmehr mit Fehleinschätzungen beim Produzieren von „12 Memories“, dem letzten Album der Schotten. Das ein Flop war, misst man die relativ mageren Verkäufe von 1,4 Millionen am Verbreitungsgrad der beiden Vorgänger-LPs. Immerhin steht ein Exemplar von „The Man Who“ in jedem achten, eins von „The Inivisible Band“ noch in jedem dreizehnten britischen Haushalt. Relativ, weil sich eine Band wie etwa Wilco glücklich preisen würde, mit einer ihrer Platten auch nur die Hälfte davon unter die Leute bringen zu können. Entsprechend entspannt weiß man daher im Travis-Camp das Unken vom kommerziellen Niedergang einzuordnen. „Unsere Erwartung bezüglich der allgemeinen Akzeptanz von ’12 Memories‘ erwies sich als recht realistisch“, resümiert Healy, „es ist ein eher dunkles, nachdenkliches Album, aber ein anderes hätten wir in der damaligen Zeit nicht machen können.“ Eine Anspielung auf den Schockzustand, in dem sich die Band befand nach dem fast fatalen Unfall des Drummers in Frankreich, auf Britanniens Kriegsbeteiligung, aufwachsende Distanz zum immer mehr als Tretmühle empfundenen Verwertungekreislauf des Musikbetriebs. „Diese Songs mussten raus, wir stehen nach wie vor dazu“, so Fran, „nur die Produktion hat uns überfordert. Nachdem die ersten drei LPs alle analog aufgenommen wurden, direkt auf 24-Spur-Band, nahmen wir bei ’12 Memories‘ hier und da Abkürzungen, wählten den bequemeren Weg beim Mixen und beim Einspielen zusätzlicher Instrumente. Es schien einfach opportun, war aber grundverkehrt. Nicht nur, weil digital schlechter klingt, sondern auch wegen der Schludrigkeiten, die solche Fließband-Takes mit sich bringen. Es passen ja tausend davon auf die Festplatte, du spielst und spielst, verlierst an Konzentration.“
Für „The Boy With Ho Name“ seien sie zurückgekehrt zur strikt analogen Aufnahmeweise. „Das Klangerlebnis ist befriedigender“, urteilt Dougie, „du
hast nicht diese unnatürliche Trennschärfe, die Töne bluten von einer Spur auf die andere, alles wirkt homogener. Und die Arbeit im Studio ist intensiver. Du bleibst wach, denn du kannst dich nicht beliebig oft verhauen. Während das Band zurückgespult wird, beschäftigt dich der Gedanke an den nächsten Take. Es fördert die Disziplin, sorgt für den nötigen Adrenalinausstoß.“ Andy assistiert: „Digital ist praktischer, hat aber neben dem Fehlen klanglicher Tiefe und Dichte für mich den Nachteil, dass beim Spielen ein wesentliches Moment fehlt: there is no rush.“
No rush of blood to the head, eh? Gelächter allenthalben, denn das Thema Coldplay ist gerade aktuell. Vor wenigen Wochen erst hatte Chris Martin in einer Radiosendung über Travis verlautbart, sie seien nicht weniger als „the band that invented my band and lots of others“. Eine so unerwartete wie kitzlige Verbeugung, weil Travis nicht viel übrig haben für Epigonen, auch wenn sie wie Martin ihren verbalen Tribut entrichten. „Das Problem ist“, meint Fran, „dass wir uns nicht wohl fühlen mit dieser Hypothek. Das bürdet uns die Mitverantwortung für Musik auf, die mit der unseren allenfalls äußerlich Parallelen aufweist, bestimmt nicht ihrem Wesen nach.“ Man müsse sich vor derlei Inanspruchnahme als Inspirationsquelle in Acht nehmen, warnt Dougie, „sonst werden wir noch für Musik haftbar gemacht, die wir uns nicht einmal freiwillig anhören würden“.
Namen nennen sie nicht, die schottischen Gentlemen, deren Weigerung, sich am inzwischen obligaten Konkurrenz-Bashing zu beteiligen, nicht eben medienwirksam ist. „Es ist leider so“, schnauft Neil verächtlich, „dass du dich ständig negativ über andere Bands auslassen musst, damit du publizistisch wahrgenommen wirst. Tust du das nicht, giltst du als Langweiler.“ Primrose bezieht sich vornehmlich auf die britische Musikpresse, insbesondere den „NME“, der Woche für Woche neue Gesichter und neue Schlagzeilen braucht. Früher kein Problem, weil popmusikalisch so viel passierte, dass die Berichterstattung Mühe hatte, Schritt zu halten. Das ist freilich lange her, inzwischen glauben die meisten jungen Bands, es gehöre zum Berufsbild des Popstars, sich despektierlich über möglichst berühmte Persönlichkeiten zu äußern. Das Gallagher-Syndrom. Doch was bei Oasis echtem, ehrlichem Hass entsprang, ist längst zur Masche verkommen. Travis haben Insider-Wissen von Acts, deren Marketingplan ohne nennenswerte Resonanz blieb, bis sie sich der erforderlichen Mediengestik befleißigten und kundtaten, wen von denen da oben im Pop-Olymp sie auf den Mond schießen würden. Das brachte die ersehnte mediale Aufmerksamkeit. Es seien nicht zuletzt derlei Mechanismen gewesen, sagt Fran, die für eine gewisse Ernüchterung bei Travis gesorgt und den zeitweiligen Rückzug ins Private begünstigt hätten. Man laufe Gefahr, die Maßstäbe zu verlieren, den Blick für die wesentlichen Dinge des Lebens und, schlimmer noch, die Freude an der Musik.
Die hätten sie sich bewahrt, indem sie sich eine Auszeit gönnten vom Starbetrieb. Zum Kinderkriegen vornehmlich. Väter sind sie geworden, die Jungs von Travis. Nur Dougie nicht, doch auch er schmiedet einschlägige Pläne mit seiner Frau, der Schauspielerin Kelly McDonald. Frans Sohn Clay hat sein erstes Lebensjahr bereits hinter sich, allzeit umhegt von beiden Eltern. Healys eigene Kindheit war weniger idyllisch, milde umschrieben, was ihn umso empfindsamer gemacht hat für die Bedürfnisse von Kindern. Schon lange vor der Geburt. Ich habe noch im Ohr, wie er mir die frohe Kunde übermittelte, im Sommer 2005, die Stimme leicht bebend, die Rs schottisch gerollt, ganz sanft: „We’re pregnant.“ Und wie Nora und er von Stund an ihre Gewohnheiten den ersehnten Umständen anpassten, das Rauchen aufgaben, die Ernährung umstellten, der Boheme entsagten.
Bare Selbstverständlichkeiten, meint Fran, der sich damals im Überschwang der Gefühle erstmal ans Piano setzte und dem Ungeborenen einen Song schrieb. Ein Willkommenslied titels „My Eyes“, eine Fortsetzung von „Flowers In The Window“, natürlich zu finden auf „The Boy With No Name“. So genannt, weil sich Nora und Fran lange nicht zu einem Namen für den Sohn durchringen konnten. Auch weil der Titel signalisiert, in welcher Tradition das Album verstanden sein will. Und schließlich, weil keiner der Alternativ-Vorschläge, die mir Fran vor einem Jahr zum Überdenken unterbreitete, bei der Band auf Gegenliebe stieß: „You And Me“, „The Dead Star Clause“, „Watershed“, „Over The Moon“. Insbesondere letzteres hätte prima gepasst zu einer Platte, deren Songs sich auch um Streit drehen, um zerbrochene Freundschaften, um schlechtes Gewissen und daraus resultierende Schlaflosigkeit, vor allem aber um die Überwindung menschlicher Unzulänglichkeiten, um kostbare Augenblicke des Glücks.
Mehr als drei Jahre ließen sich Travis Zeit für Rekreation und Familiengründung, ein Luxus, den sie sich nur leisten konnten, weil der Back-Katalog nicht wie Blei in den Regalen liegt. Und weil die Band intern eine Güterverteilung vornimmt, die einmalig egalitär sein dürfte. Zwar schreibt Fran Healy die Songs, singt sie und bastelt Demos, die der Band dann als Grundlage für ihren Input im Studio dienen, doch schlägt diese bewährte Arbeitsteilung monetär kaum zu Buche. „We’re a band“, sagt Fran abwehrend, wenn des Gespräch daraufkommt, und da käme es auf den Teamgeist an, den inneren Zusammenhalt, nicht auf Verteilung nach Leistungsprinzipien. Ein Kommunistisches Manifest für den Rock’n’Roll.
Bill Wyman hätte die Stones nie verlassen, wäre er der Reichtümer aus Publishing-Rechten teilhaftig geworden, Ringo müsste nicht mit abgehalfterten „Allstars“ peinliche Tingel-Touren unternehmen.
Kein materieller Druck, die Band-Beziehungen harmonisch, ja herzlich: beneidenswert einerseits, aber braucht Kunst nicht Reibung, lebt sie nicht zuletzt von Diskurs und Dissenz? Fran Healy schüttelt traurig den Kopf. „Look“, sagt er ernst, „die ganze Welt ist ein Pulverfass, der Alltag eines großen Teils der Menschheit besteht aus Hunger und Krieg. Dissenz mit diesen Verhältnissen und Diskurs mit denen, die sie verbessern könnten, schafft jede Menge Reibung. Wir müssen uns nicht auch noch intern fetzen, um unsere Musik aufzuladen. Im Übrigen glaube ich nicht, dass es der Musik dient, wenn man sie mit politischen Botschaften befrachtet. Wir haben es versucht, der Erfolg hielt sich in Grenzen. Es ist besser, Pop und Politik nicht zu vermengen.“
Healy spielt auf spektakuläre Aktionen an wie jene bei der MTV-Awards-Show in Glasgow, wo Travis umringt von Nackedeis auftraten, die Schilder mit Antikriegs-Slogans schwenkten. Seither engagiert er sich eher im Verborgenen, sucht die Öffentlichkeit nur, um sie für bestimmte Themen zu mobilisieren. So als er Ende 2004 in den Sudan reiste, um vor Ort die Verteilung der Gelder aus dem Band-Aid-Projekt zu überwachen. Oder als er im Sommer letzten Jahres am Portal von Downing Street No. 10 ein Memo anbrachte, das den Premier an sein beim G8-Gipfel gegebenes Versprechen erinnern sollte, nachhaltige Afrika-Hilfe zu organisieren. Er tue das stellvertretend für andere, weil es „irgendjemand tun muss“. Nicht nur der Notleidenden wegen, sondern auch um zu zeigen, dass „unsere Gesellschaft noch auf gemeinsamen Werten fußt, Respekt vor dem Leben hat und die Kraft, etwas zu bewegen“. Die Anzeichen dafür würden leider immer spärlicher, er vermisse „Community spirit“.
Von beidem haben Travis nicht zu knapp. Wovon sie vor einem guten Jahr noch zu wenig hatten, waren klare Vorstellungen von Sound und Charakter des Albums, das nur mühsam Gestalt annahm. Man brauchte, daran bestand kein Zweifel, einen Produzenten, eine unabhängige Instanz mit Ideen, nachweislichen Fähigkeiten in Klangreproduktion und einer gewissen Neutralität gegenüber der Musik. „Let’s ask Brian Eno“, sprach Fran und tat es. Eno, dem die Musik von Travis offenbar geläufig war, zeigte sich interessiert und begab sich mit der Band in die Rak-Studios, wo man ein Wochenende lang neue Songs spielte und darüber regen Gedankenaustausch pflegte. „We jammed for hours, did lots of experimental stuff“, erinnert sich Payne, „Eno erklärte seine Herangehensweise, das ganze Zeug, das man aus Interviews mit ihm kennt, random chord structures und dergleichen, an einer Tafel. Es war genauso, wie man sich eine Studio-Session mit Eno erträumt, Vorlesungen inbegriffen.“ Fran Healy hält für Enos didaktischen Drill den wenig schmeichelhaften Begriff „musical bootcamp“ parat, beeilt sich aber zu versichern, dass einiges davon hochinteressant gewesen sei, leider aber nicht kompatibel mit seinen Songs und deren melodischer Stringenz. Am Ende hatten sie 16 Stunden Musik auf Tape, fern jeder Songdienlichkeit. „Er hat verstanden, dass wir nicht U2 sind“, argumentiert Fran, „dass wir nicht stundenlang auf einem Riff herumreiten können, bis daraus irgendwann ein Song entsteht. Wir sind nicht diese Art Rock, unsere Vorgaben sind Songs, die strukturell nicht disponibel sind.“ Es sei dennoch, darin ist sich das Quartett einig, ein großartiges Wochenende gewesen, das keiner missen möchte. „He’s a lovely man“, schwärmt Dougie. „He still sends me messages“, berichtet Fran. Was das Album betrifft hat Brian Eno die Band indes nicht vorangebracht.
Es ist Frans Musikzimmer, wo in den folgenden Monaten die restlichen Songs für die fünfte LP entstehen. „Ich bin langsam, das Komponieren zieht sich bei mir hin“, räumt Healy ein, „ich tendiere dazu, mich in Melodiebögen zu verbeißen. Und ich bin mein härtester Kritiker, lasse mir nichts durchgehen.“ Penibel ist auch Frans Art, Demos aufzunehmen, Spur um Spur, obwohl es ausreichen würde, der Band ein Songgerüst zu liefern. „Frans Gitarrenparts auf seinen Demos sind nicht selten so perfekt“, sagt Andy Dunlop, „dass mir nichts anderes übrigbleibt, als sie nachzuspielen.“ Ein Problem sieht er darin nicht, wie die anderen lässt er sein Ego vor der Studiotür. Drinnen, beim Konturieren und Kolorieren der Songs, ist er Teamplayer.
Rund 30 Tracks sind es schließlich, die das Team Travis Nigel Godrich zu Gehör bringt. Der das Überangebot selektieren hilft und eliminiert, was Balance und Gesamteindruck des Albums beeinträchtigen könnte. Das geht zwangsweise zulasten der Vielfalt. „Selfish Jean“, ursprünglich reinster, swingender Tamla-Motown, wird melancholisiert, „New Amsterdam“, Frans Ode an das geliebte New York, wo er mittlerweile ein Appartment hat, wird mit Stadtgeräuschen stimmungsvoll ornamentiert. Ob es das schwelgende „Under The Moonlight“ mit den Backing Vocals von KT Tunstall auf die LP schafft, blieb bis zuletzt offen. Es wäre die einzige Fremdkomposition, aus der Feder von Susie Hug, ehemals Sängerin der Katydids, deren noch unveröffentlichtes Solo-Album Healy produzierte. Ohne weitergehende Ambitionen, nur als persönlichen Gefallen. So wie er dem Ruf Patti Smiths folgte, als die nebenan einen Gitarristen brauchte. Selbst auf Grönemeyers neuem Album hat Fran Spuren hinterlassen, weil, nun ja, er kennt ihn halt. „Herbert is sooo german“, weiß er, „so like in ‚Das Boot‘.“ Franny, das sei hier versichert, hat ein Faible für das Deutsche und den Plan noch nicht ad acta gelegt, eines nicht allzu fernen Tages nach Hamburg überzusiedeln.
Zurück zur Generalprobe. Sechs neue Tunes haben die Feuertaufe bestanden, am überzeugendsten das hart pulsierende, passioniert entbotene „Eyes Wide Open“ und das unwiderstehlich rollende „Big Chair“. Ein paar Tage nach dem Londoner Gig wird der „Independent“ etwaige Zweifel an der Zukunft dieser Band wegwischen: „a dignified survival is assured“.
Beim Bestaunen des stupenden LP-Covers und der überaus stilvollen Single-Sleeves für „Closer“, „Selfish Jean“, „Big Chair“ und „My Eyes“, infiziert vom 7inch-Fieber, wird zu vorgerückter Stunde die Idee geboren, eine zusätzliche Single aufzunehmen, nicht zum Verkauf bestimmt, sondern exklusiv, als Heft-Beilage einer Musikzeitschrift oder so. Eine kleine, feine Utopie, die an Travis nicht scheitern dürfte. „Free vinyl“, strahlt Fran, „how cool is that?“