Sitzen gelassen
Der amerikanische Songwriter Bill Callahan hat nach zwei Jahrzehnten sein Pseudonym abgelegt
Die Nebel haben sich gelichtet, und zurück bleibt ein einzelner schüchterner Mann. Nach fast 20 Jahren hat der amerikanische Songwriter Bill Callahan den Moniker „Smog“ abgelegt. „Woke On A Whaleheart“ ist das erste Album, das er unter seinem eigenen Namen veröffentlicht. Wer gedacht hat, man käme nun der Person hinter all den rätselhaften Smog-Platten ein bisschen näher, hat sich allerdings getäuscht. „Ironischerweise ist das neue Album sogar weitaus weniger persönlich als die letzten Platten“, meint Callahan. „Einige der Songs sind eher Portraits von anderen Menschen. Ein bisschen wie bei Ray Davies oder Randy Newman.“ „It was the first part of my life/ Second ist the rest“, hatte Callahan schon in „Drinking At The Dam“ vom letzten Smog-Meisterstück „A River Ain’t Too Much To Love“ gesungen, auf dem er seinen Umzug von Chicago ins texanische Austin beschrieb. Da deutete sich eine Veränderung in seinem Leben und Wirken schon an. „From The Rivers To The Ocean“ heißt nun der erste Song auf „Woke On AWhale Heart“. Ein schönes Bild für Callahans neue Arbeitsweise, die nicht länger nur auf das Fließen des eigenen kreativen Flusses vertraut, sondern sich mit anderen Flüssen vereinigt. „Smog L war ein Dach, unter dem sich Leute treffen konnten, mein eigener Name bezeichnet jetzt ein Individuum, das sich mit anderen Leuten trifft. Ich möchte kein Dach mehr sein“, erklärt Callahan den Namenswechsel. „Bisher war ich für alles auf meinen Platten selbst verantwortlich, jetzt möchte ich mich auf ein kleines Stück vom Kuchen konzentrieren, auf die Texte, die Rhythmusgitarre und das Singen. Ich möchte, dass andere Leute meine Songs arrangieren und produzieren. Dass jemand anders meine Cover entwirft.“
Es war wohl vor allem Ex-Royal Trux-Junkie Neil Michael Hagerty, der „Woke On A Whaleheart“ durch Arrangements und Produktion stark beeinflusste und ihm einen Klang gab, der gut zu Callahans neuer Heimat Austin/ Texas zu passen scheint. Ja, man hat fast das Gefühl, zum ersten Mal habe Callahan ein Album gemacht, das wirklich von dem Ort handelt, an dem es entstanden ist, anstatt, wie alle Smog-Alben, musikalisch und lyrisch zwischen den Orten zu verweilen. „Ist mir gar nicht aufgefallen, bevor du’s gesagt hast“, meint Callahan, „aber stimmt: Die meisten der früheren Platten handelten davon, von einem Ort zu einem anderen zu gelangen. Das neue nicht. Zufälligerweise ist mir außerdem aufgefallen, dass ich nicht mehr schreibe, wenn ich spazieren gehe oder mit dem Auto fahre. Früher sind so viele Songs aus der Bewegung heraus entstanden.“ Vermutlich lässt sich „Woke On A Whaleheart“ daher viel leichter fassen als frühere Werke, die Musik scheint konkreter, statt geheimnisvolle Lyrik und Fabeln vorzutragen singt Callahan nun echte lyrics, mit Refrains und Strophen.
Ganz hat er die alte Arbeitsweise aber wohl noch nicht ausgegeben. „Ich habe mir ein Fahrrad gekauft. Das erste Fahrrad meiner Nicht-Jugend. Es macht Spaß, damit rumzufahren, aber es hat mir noch keine Songs gebracht. Ich muss jetzt sehen, wie sich die Dinge um mich herum bewegen. Man muss sich selbst nicht bewegen, um die Dinge sich bewegen zu sehen. Man kann unbewegt sitzen.“