Sinéad O’Connor: Leben und Tod der legendären irischen Sängerin
Zwischen Hits, Problemen und spiritueller Suche: ein Blick auf das Leben Sinéad O'Connors.
Sinéad O’Connor war eine der größten Musikerinnen, die Irland je hervorbrachte. Sie war talentiert, charismatisch, spirituell, integer und eigensinnig – und bekam zu Lebzeiten massiven Gegenwind, den sich andere Künstler und Künstlerinnen so gar nicht vorstellen können. Wir werfen einen Blick auf das oft tragische Leben, die Karriere und den Tod von Sinéad O’Connor.
Sinéad Marie Bernadette O’Connor wurde am 8. Dezember 1966 in der irischen Hauptstadt Dublin geboren. Ihr Vater John Oliver „Seán“ O’Connor war ein Bauingenieur, der später Anwalt wurde – aber es war besonders ihre Mutter, die O’Connors Kindheit nachhaltig prägte… leider im Negativen.
O’Connors gewalttätige Mutter
„Meine Mutter war eine sehr gewalttätige Frau, keineswegs eine gesunde Frau. Sie hat mich körperlich, verbal, psychologisch, spirituell und emotional missbraucht“, erklärte Sinéad O’Connor einst (wie die britische Zeitung „Daily Mail“ zitierte).
Die Geschichten, die O’Connor über ihre Mutter erzählte, sind schockierend – etwa, dass O’Connor tagelang im Garten schlafen musste. „Eines der traumatischsten Erlebnisse meiner Kindheit war, dass meine Mutter mich, als ich achteinhalb Jahre alt war, für ein oder zwei Wochen rund um die Uhr im Garten leben ließ“, so die Musikerin. „Ich war im Dunkeln draußen im Garten – ich hasse die Dämmerung bis heute – und schaute zum einzigen Fenster auf der Seite des Hauses, wo sie ein Licht anhatte, und ich schrie und flehte sie an, mich hereinzulassen, aber sie wollte nicht. Das Licht ging aus, und das Haus wurde dunkel.“ Ihr Vater hingegen, erklärte O’Connor einst, wollte nie darüber reden, weder über die Geschehnisse noch über Gefühle.
Weil Sinéad beim Diebstahl erwischt wurde, wurde sie im Alter von 13 Jahren in dass katholisch geführte Grianán Centre in Drumcondra gesteckt – eine Art „Trainingscenter“ für problembehaftete Mädchen. Diese Zeit war ein zweischneidiges Schwert – sie genoss zwar einige Freiheiten und widmete sich dem kreativen Schreiben und der Musik. Die Bestrafung bei schlechtem Verhalten war jedoch verheerend: „Wenn du schlecht warst, haben sie dich nach oben geschickt, um im Altersheim zu schlafen. Du bist da drin im Stockdunkeln, du kannst die Scheiße und die Kotze und alles riechen, und diese alten Frauen stöhnen im Schlaf … Ich habe noch nie – und werde es wahrscheinlich auch nie – eine solche Panik, Angst und Qual wegen irgendetwas erlebt.“
Die musikalischen Anfänge
Es war aber auch genau dort, wo Sinéad Paul Byrne kennenlernte – einen Drummer, der in der (mit Unterbrechungen) bis heute existierenden Rockband In Tua Nua spielte und im Centre als Freiwilliger arbeitete. Byrne hatte O’Connor singen gehört und zeigte sich begeistert. Die Band lud O’Connor ins Studio ein.
Gemeinsam nahm man den Song „Take My Hand“ auf – da O’Connor zu jener Zeit aber gerade mal 15 Jahre alt war, entschied sich die Band, sie nicht als Mitglied aufzunehmen. Als O’Connor 18 Jahre alt war, gründete sie die Band Ton Ton Macoute. Mehrere Leute aus der Musikindustrie wurden auf die junge Musikerin aufmerksam – und O’Connor unterschrieb einen Plattenvertrag bei Ensign Records.
Sie startete nicht sofort mit einer Solokarriere, sondern arbeitete zunächst mit dem U2-Gitarristen The Edge an dem Stück „Heroine“, einem Soundtrack für den Film Captive.
Sinéad O’Connors Debütalbum erscheint
1987 war es endlich soweit: Sinéad O’Connors Debütalbum „The Lion And The Cobra“ erschien. Das Album warf drei Singles ab: „Troy“, „Mandinka“ und „I Want Your (Hands On Me)“. Der Grundstein für eine Weltkarriere war gelegt – und mit Platz 27 in den britischen Charts und Platz 36 in den US-Billboard 200 war das Debüt bereits ein beachtlicher Erfolg.
Im Interview mit Mojo blickte O’Connor im Jahr 2005 auf ihr Debüt zurück. „Ich bin wirklich stolz auf [die Songs]. Für ein kleines Mädchen, das einige dieser Lieder geschrieben hat … Ich habe meine Lieder als Therapie geschrieben, wenn man so will. Dorthin kehre ich nicht zurück. Ich will mich emotional nicht darauf einlassen, da ich nicht umsonst das ganze Geld für die Therapie bezahlt habe“, erklärte sie.
Durchbruch mit „I Do Not Want What I Haven’t Got“
Ihren großen Durchbruch hatte sie drei Jahre später mit dem Album „I Do Not Want What I Haven’t Got“. Darauf enthalten: Ihre Version des Prince-Stücks „Nothing Compares 2 U“. Das Album verkaufte sieben Millionen Exemplare, wurde weltweit mit Platin ausgezeichnet.
O’Connor erhielt für ihre Performance von „Nothing Compares 2 U“ den Grammy für „Best Alternative Music Performance“. Sie weigerte sich allerdings, den Grammy anzunehmen. Das ikonische Musikvideo, das sich gänzlich auf O’Connors Gesicht fokussiert, wurde zu einem der bekanntesten Musikvideos aller Zeiten.
Sinéad O’Connor zerreißt Bild des Papstes
Sineád O’Connor, das zeigte sie immer wieder, war eine Künstlerin, die sich nicht vereinnahmen lassen wollte. Ihre Standpunkte stießen immer wieder auf Verwunderung und Empörung seitens der Industrie, der Presse und des Publikums – aber sie stand zu ihnen. Sie weigerte sich, Awards anzunehmen, wollte nicht auftreten, wenn vor ihren Konzerten die US-Hymne gespielt wurde.
1992 lieferte sie einen geschichtsträchtigen Eklat: Vor laufenden Kameras zerriss sie in der US-Comedysendung Saturday Night Live ein Bild von Papst Johannes Paul II. Dazu sang sie eine A-Capella-Version des Bob-Marley-Stücks „War“, dessen Text sie adaptierte und auf Kindesmissbrauch ummünzte. Sie warf der Kirche Missbrauch an ihrer Person vor.
Viele prominente Künstler und Künstlerinnen stellten sich nicht hinter sie. Im Gegenteil: Frank Sinatra und Joe Pesci wetterten gegen O’Connor, auch Madonna machte sich lustig. „Das muss eine dumme Tussi sein. Ich würde ihr in den Arsch treten, wenn sie ein Mann wäre“, tönte Sinatra während eines Konzerts.
Sinéad wird von Bühne gebuht
Am 16. Oktober 1992 trat sie bei The 30th Anniversary Concert Celebration auf – einer Feier für Bob Dylan zu dessen 30-jährigem Jubiläum als Recording Artist. Der Skandal war keine zwei Wochen alt. O’Connor wurde von Kris Kristofferson angekündigt. „Ich bin sehr stolz darauf, die nächste Künstlerin vorzustellen, deren Name zum Synonym für Mut und Integrität wurde“, sagte er – und Sinéad O’Connor betrat die Bühne.
Sie wollte „I Believe In You“ singen, einen Dylan-Song – nur: Die Buhrufe nahmen kein Ende. O’Connor deutete der Band an, mit dem Spielen aufzuhören. Sie sang erneut das Stück „War“. Kristofferson ermutigte sie: „Lass es nicht zu, dass die Bastarde dich unterkriegen.“ Am Ende der Performance fiel sie in seine Arme.
Für O’Connor war dies, entgegen einer oft geäußerten Meinung, keineswegs der Moment, der ihre Karriere zerstörte. Im Gegenteil: „Viele Leute sagen oder denken, dass das Zerreißen des Papstfotos meine Karriere zum Entgleisen gebracht hat. So sehe ich das nicht“, erzählte sie einmal. „Ich habe das Gefühl, dass eine Nummer-eins-Platte meine Karriere entgleisen ließ und dass das Zerreißen des Fotos mich wieder auf den richtigen Weg brachte.“
O’Connors nächstes Album, „Universal Mother“ erschien 1994. In der Zwischenzeit hatte sie sich dem bel Canto gewidmet, einer italienischen Sangesart. Auf „Universal Mother“ wollte sie der Wut ihrer frühen Werke auf den Grund gehen, erzählte sie. Die Kritiken waren gut, der US-amerikanische ROLLING STONE attestierte ihr „das Plattenaufnehmen als Therapie“ und vergab vier von fünf Sternen.
Religion
Religion spielte im Leben von Sinéad O’Connor stets eine große Rolle. Trotz der Misshandlung, die sie der katholischen Kirche vorwarf, erklärte sie einmal, dass sie gerne katholische Priesterin geworden wäre, wenn es sie nicht zur Musik gezogen hätte. 1999 wurde sie von einer christlichen Freikirche, der Independent Catholic Church, zur Priesterin geweiht. O’Connor nannte sich fortan Mother Bernadette Mary.
2018 konvertierte O’Connor zum Islam und nahm den Namen Shuhada’ Davitt, später Shuhada’ Sadaqat an. „Dies ist die natürliche Schlussfolgerung auf dem Weg eines jeden intelligenten Theologen“, erklärte sie ihren Schritt in einem Tweet. Vom Katholizismus distanzierte sie sich: „Alles Studium der Schriften führt zum Islam. Das macht alle anderen Schriften überflüssig.“
Psychische Probleme
Dass O’Connor unter schweren psychischen Problemen litt, machte sie öffentlich, etwa 2007 in der „Oprah Winfrey Show“. Damals erzählte sie, dass sie an ihrem 33. Geburtstag einen Selbstmordversuch unternommen hatte und dass bei ihr eine bipolare Störung diagnostiziert wurde.
Die letzten Jahre O’Connors waren diesbezüglich leider höchst tragisch. 2015 und 2016 drohte sie öffentlich mit Selbstmord. 2015 erklärte sie, eine Überdosis einnehmen zu wollen, und im Jahr darauf teilte sie ihrer Familie mit, dass sie sich von einer Brücke stürzen wolle.
2022 erlitt sie einen schweren Schicksalsschlag: Ihr Sohn Shane nahm sich das Leben. Daraufhin veröffentlichte sie erneut besorgniserregende Tweets: „Ich war von dem Tag an, an dem ich geboren wurde, ein Versager. Es ist nicht die Schuld meiner Eltern, meiner Familie oder meiner Kinder. Es ist meine. Gott hat mich falsch gemacht. Also schicke ich mich selbst zurück und finde den einzigen Menschen auf dieser Erde, der mich jemals wirklich geliebt hat“, schrieb sie unter anderem.
Tod im Alter von 56 Jahren
Am 26. Juli 2023 ereilte die Welt die traurige Nachricht: Sinéad O’Connor wurde tot in ihrer Londoner Wohnung aufgefunden. Als offizielle Todesursache wurde eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung und Asthma festgestellt.
Sinéad O’Connor geht als eine der großen irischen Sängerinnen in die Musikgeschichte ein. Eine Künstlerin, die missverstanden und gemobbt, aber auch verehrt wurde.