Sinéad O’Connor: Das symbolisierte ihr rasierter Kopf
Warum rasierte sich Sinéad O'Connor ihr langes dunkles Haar ab, nachdem sie ihren ersten Plattenvertrag unterschrieben hatte? Die Antwort gab sie selbst.
Zu den Markenzeichen der kürzlich verstorbenen Sinéad O’Connor gehörte ohne Zweifel ihr rasierter Kopf. Viele dürften sich an das Musikvideo zur Ballade „Nothing Compares 2 U“ erinnern, mit dem der Irin 1990 der weltweite Durchbruch gelang. Darin ist eine kahlrasierte Sinéad in Nahaufnahme zu sehen, während sie singt und ihr Tränen über die Wangen laufen. Es gilt heute als eines der kultigsten Musikvideos des 20. Jahrhunderts.
Eine Frau mit kurzrasierten Haaren war damals, in den Achtzigern und Neunzigern, eher die Ausnahme unter weiblichen Künstlern im Showbusiness. Warum entschied sich Sinéad O’Connor also für diesen rigorosen Kahlschlag? Nun ja, die Gründe sind, genau wie das Leben der Ausnahmekünstlerin, bewegend.
Mitte der Achtziger-Jahre wurde Sinéad von dem U2-Gitarristen „The Edge“ entdeckt. Schnell unterschrieb sie 1985 ihren Plattenvertrag und veröffentlichte zwei Jahre später ihr Debütalbum „The Lion and the Cobra“. Kurz nachdem die damalige Newcomerin ihren ersten Plattenvertrag unterschrieben hatte, rasierte sie sich ihr langes, dunkles Haar ab. Wie sie später verriet, wollte sich die junge Sängerin nicht an die Wünsche der Musikindustrie anpassen und brachte dies mit diesem Schritt zum Ausdruck.
Sinéad O’Connor: „Ich wollte nicht hübsch sein“
In einem Interview mit dem Fernsehpsychologen Dr. Phil verriet sie 2017, dass sie ihren Kurzhaarschnitt behalten hatte, weil sie nicht als „hübsch“ angesehen werden wollte. Zudem befürchtete sie, mit längerem Haar stärker der Gefahr durch Männer ausgesetzt zu sein. „Meine Schwester hatte wunderschönes rotes Haar, auf das man neidisch sein konnte. Aber meine Mutter hatte sich in den Kopf gesetzt, dass die Haare meiner Schwester hässlich und ekelhaft sind. Und als ich lange Haare hatte, fing sie an, mich als ihre hübsche Tochter und sie als ihre hässliche Tochter vorzustellen. Und deshalb habe ich mir die Haare abgeschnitten. Ich wollte nicht hübsch sein.“
Doch es gab weitere Gründe: „Es war gefährlich, hübsch zu sein, denn überall, wo ich hinkam, wurde ich belästigt. Das war ein großer Teil davon – ich wollte nicht vergewaltigt oder belästigt werden, ich wollte mich nicht wie ein Mädchen anziehen, ich wollte nicht hübsch sein. Andere Mädchen gingen auf dich los, wenn du hübsch warst.“
Auch habe die Sängerin ihr androgynes Aussehen behalten wollen, um nicht von ihrem Talent abzulenken. Dazu sagte Sinéad: „Eines Tages wurde ich gefragt, ob ich mir die Haare lang wachsen lassen und kurze Röcke tragen wolle – man wollte mich mit meiner Sexualität verkaufen. Doch ich wollte mich nicht abstempeln lassen. Wenn ich erfolgreich sein sollte, dann nur, weil ich eine gute Musikerin bin.“
Nach und nach wurde die Frisur ein Teil ihrer Identität, wie sie sagte: „Ich fühle mich nicht wie ich, wenn ich meine Haare nicht rasiert habe. Selbst, wenn ich eine alte Dame bin, werde ich sie so tragen.“
Das komplette Interview mit Dr. Phil kann man hier sehen
Konvertierung zum Islam
2018 konvertierte Sinéad O’Connor zum Islam. Ab diesem Zeitpunkt fing die Sängerin an, eine Kopfbedeckung zu tragen. Im Oktober 2018 twitterte sie ein Bild von sich, auf dem sie eine Hidschab trägt, und teilte ihren Fans mit: „Hiermit möchte ich verkünden, dass ich stolz bin, Muslima geworden zu sein.“ Anschließend änderte sie ihren Namen in Magda Davitt und sagte, sie wolle „frei von elterlichen Flüchen“ sein.
In ihrem letzten Interview mit dem britischen Boulevardblatt „The Sun“ im Jahr 2022 sprach Sinéad nochmals über ihre damaligen Beweggründe, den Plattenbossen zu trotzen und sich die Haare zu rasieren.
Sie fügte hinzu: „Ich wusste einfach, dass ich nicht wollte, dass ein Mann mir sagt, wer oder was ich sein oder wie ich klingen sollte. Ich komme aus einem patriarchalischen Land, in dem man mir alles vorschreibt, was ich tun kann und was nicht, weil ich ein Mädchen bin. Ich dachte mir, wenn ich es mir nicht vom System und nicht von meinem Vater nehmen lasse, dann lasse ich es mir auch von niemandem sonst nehmen.“
Im September 2019 sang sie in der „Late Late Show“ des irischen Fernsehsenders RTE den Song „Nothing Compares 2 U“ mit Hidschab. Der Auftritt wurde schnell zum meistgesehenen Clip in der Geschichte der Sendung.
Auf YouTube hat der Clip mittlerweile über fünf Millionen Views:
Am 26. Juli verstarb Sinéad O’Connor überraschend im Alter von 56 Jahren. Die Todesursache ist bisher nicht bekannt.