Simone Felice über seinen ersten Roman „Black Jesus“
Nach dem Ende seiner Band The Duke & The King hat der Storyteller Simone Felice ein Soloalbum aufgenommen und seinen ersten Roman geschrieben. Mit Maik Brüggemeyer sprach Felice über das Buch "Black Jesus" und sein dunkles Bild seiner Heimat Amerika.
Simone Felice ist ein sehr ernster Mann. Manchmal sagt er Sätze, die klingen, als stammten sie aus einem Roman von Cormac McCarthy. „Es gibt diesen patriotischen amerikanischen Song ,From Sea To Shining Sea’ – was sie uns nicht gesagt haben, ist: Da ist eine Menge Dunkelheit und Gewalt zwischen den beiden Küsten“, sagt er. Oder: „Als Storyteller tue ich mein Bestes, die Geschichte des menschlichen Herzens zu erzählen – das ist eine sehr faszinierende, sehr schmerzhafte Geschichte.“
Man kann den letzten Satz durchaus wörtlich nehmen. Denn Simone Felice wurde vor anderthalb Jahren am offenen Herzen operiert, nachdem er auf Tour mit seiner damaligen Band The Duke & The King mehrmals bewusstlos zusammengeklappt war. Ein paar Tage später wurde seine Tochter Pearl geboren. Kurz darauf begann er – noch unter Morphium – mit den Arbeiten an seinem ersten Soloalbum, denn diese Lieder folgen „der Stimme meines Herzens“. Selbstverständlich trägt die Platte, die er zu Teilen allein auf dem Dachboden seines Pferdestalls und mit seinen Brüdern im Studio in Woodstock aufnahm, den Namen ihres Schöpfers.
Doch mittlerweile erzählt der 35-Jährige seine Geschichten nicht nur in Liedern, sondern auch in Prosatexten – und das sogar um einiges überzeugender. Im letzten Jahr veröffentlichte er seinen erster Roman „Black Jesus“ in den USA, nun erscheint er in deutscher Übersetzung (Heyne, 14,99 Euro). Der titelgebende Protagonist heißt eigentlich Lionel White, wurde aber von seinen Kameraden im Irakkrieg ob seines Geburtstages am Heiligen Abend umgetauft. Durch Granatensplitter schwer verwundet kehrt er als blinder Mann in seine Heimatstadt, ein kleines Kaff in den Catskill Mountains, zurück. Zu Beginn des Romans holt seine Mutter ihn in einer beklemmenden Szene, die an Bob Dylans „John Brown“ erinnert, vom Bahnhof ab. Den Trailer, den sie und ihr Sohn ihr Zuhause nannten, hat sie abgefackelt, um die Versicherungssumme zu kassieren. Anschließend ist sie in ein heruntergekommenes Haus gezogen, das früher mal eine Fast-Food-Kette beherbergte, und betreibt dort einen Trödelladen. Eines Tages erhalten die beiden unerwarteten Besuch: eine von ihrem eifersüchtigen Freund, einem Musikjournalisten, misshandelte Stripperin, die sich Gloria nennt und eigentlich gerne Ballerina sein möchte. Der gefallene Engel und der um ein Haar gefallene schwarze Jesus finden zusammen.
Vielleicht ist „Black Jesus“ eher ein Gebet, als ein Roman, so lyrisch und elegisch ist diese Sprache. Ganz sicher ist es ein Spiel mit dem amerikanischen Unterbewusstsein, eine Art auf links gedrehter Western, in dem Felice die Landschaft seiner Kindheit rund um die Catskill Mountains mit all ihren Mythen und Legenden zu einer Art gelobtem Land stilisiert und den amerikanischen Westen als dekadente, kalte, zynische Businesswelt beschreibt.
„Ich hatte einen Freund, der als Marine im Irak kämpfte“, erzählt Felice. „Er kam zurück mit den Wunden, die man nicht sehen kann. Den emotionalen, psychischen Wunden. Und manchmal sind sie schmerzhafter und traumatischer als die, die man sehen kann. Ich war von seiner Geschichte sehr berührt – dazu kam mein eigenes körperliches Trauma. Wir tappen alle als gebrochene, verlorene Kinder durch die Welt – doch Liebe kann Leben retten.“ Wieder so ein Satz.
Natürlich sind es die großen Themen, die den ernsten Mann beschäftigen. Er erzählt von ihnen in einem poetischen Bewusstseinsstrom anhand des Lebens der unteren Klassen seiner amerikanischen Heimat. „Ich bin ein großer Fan von Nelson Algren – ein sehr unterschätzter Autor aus den 40er- und 50er-Jahren. Nachdem ich sein ,The Man With the Golden Arm‘ gelesen hatte, wollte ich Schriftsteller werden. Er schrieb über die einfachen Leute, die im Schatten stehen. Ein anderes Buch, dass mich nachdrücklich beeindruckt hat, war Erich Maria Remarques ,Im Westen nichts Neues‘. Da geht es darum, dass nicht Staaten die Kriege führen, sondern die einfachen Typen von den Höfen und aus den Fabriken. Über die muss man schreiben, sonst verleugnet man sich selbst.“