Shawn Mendes: Er ist zurück!
Verloren im Moment: Das Konzert im Berliner Tempodrom – und ein Film für Familie und Freunde
Die Schlange ist noch lang, doch die Türen werden schon geschlossen. Nicht alle können das Preview-Event seines neuen Konzertfilms „Shawn Mendes: For Friends and Family Only“ erleben, wie der Titel schon andeutet. Die Lichter im Saal dimmen, unweigerlich steigt die Spannung. Einen Moment später wirkt die ansonsten leere Bühne ausgefüllt: Shawn Mendes steht da mit leuchtenden Augen und einem breiten Lächeln. Spätestens als er sich herzlich und nahbar beim Publikum bedankt, spürt man, wie sehr er sich freut, sein neues Werk zu teilen. Er ist zurück!
Nach seinem Rückzug präsentiert der Sänger und Songwriter Shawn Mendes sein fünftes Album – und damit sich selbst. Deshalb heißt es auch schlicht und ergreifend „Shawn“. Der dazugehörige Konzertfilm, im historischen Bearsville Theater in Woodstock gedreht, zeigt Mendes, wie er die neuen Songs zum ersten Mal live präsentiert. Bereits die Backstage-Momente zu Beginn offenbaren, worum es „Shawn“ geht: um Dankbarkeit und Offenheit, die sich durch die gesamte Performance ziehen. Von Song zu Song nimmt Mendes das Publikum an die Hand, um es auf eine Reise durch seine musikalische und persönliche Entwicklung mitzunehmen.
Shawn Mendes – „Heart of Gold“:
Einen Tag später ist klar, dass das auch auf der großen Bühne funktioniert. Bei seinem Konzert im Berliner Tempodrom ist die Verbundenheit zwischen Mendes und seinen Fans spürbar. Das Publikum kommt ohne Vorwissen, denn das Album erscheint erst zwei Tage später. Doch Mendes‘ Weiterentwicklung wird in jeder Note, in jedem Song fühlbar – so intensiv, wie man es auf großen Bühnen selten erlebt.
„Jetzt hier zu sein, mit zwölf wunderschönen, fertigen Songs, fühlt sich wie ein Geschenk an“, sagt Mendes und bedankt sich immer wieder beim Publikum. „Ich hätte nie gedacht, dass die minimalistischste Kunst, die ich gemacht habe, mir so viel zurückgibt.“ Der Kanadier beschreibt, wie heilsam der Entstehungsprozess für ihn war, nachdem er im letzten Jahr seine „Wonder“- Welttournee abgebrochen hatte, um sich auf seine mentale Gesundheit zu konzentrieren.
Erwachsenwerden, Identität und Liebe
Die Bühne ist in warme Farben getupft, mit Kerzenlicht und hellen Vorhängen, die eine intime Atmosphäre schaffen. Mendes steht im Zentrum des Setups auf roten Teppichen, als wollte er alle in sein Wohnzimmer einladen. Die instrumental üppige Besetzung – unter anderem Kontrabass und Violine – lässt jeden Song ungeschliffen und tief wirken. „Ich komme vom Mainstream-Pop mit viel Autotune und Audio-Kompression“, sagte Mendes kürzlich, „darauf verzichte ich jetzt. Das macht alles viel natürlicher.“
Mit ruhiger, aber starken Stimme singt er über seine innere Reise zu Themen wie Erwachsenwerden, Identität und Liebe – schlicht und direkt, aber voller Emotion. Der Song „Heart of Gold“ ist besonders bewegend: eine Hommage an einen Freund, der an einer Überdosis starb. Mendes beschreibt ihn als „einen goldenen Lichtstrahl“ für seinen verstorbenen Freund, den er nach oben sendet. Außerdem erzählt Mendes von der Entstehung des Songs „The Mountain“: „Damals war ich in L.A., und die Presse war ständig hinter mir her. Ich musste mich erst selbst finden.“ Die Akustikgitarren-Ballade ist seine Antwort auf die gnadenlosen Medien, die ihn in dieser Zeit verfolgten: „Ihr könnt sagen, ich bin zu jung. Ihr könnt sagen, ich bin zu alt. Ihr könnt sagen, ich mag Mädchen oder Jungs, ganz wie es euch passt. Aber ich hab’ mich nie besser gefühlt. Nenn es also, wie du willst.“
Dieses Album ist eine Einladung
Zwischendurch verwandelt Mendes die Bühne in eine improvisierte „Circle Session“: Seine zwei besten Freunde, die Ko-Produzenten des Albums, Mike Sabath und Eddie Benjamin, kommen zu ihm nach vorn. Drei Gitarren, drei Stimmen und eine authentische Klangwelt, die das Publikum denken lässt, es sei tief mit den Künstlern verbunden.
Der letzte Song der Platte und das Highlight des Abends ist ein Cover von Leonard Cohens „Hallelujah“. Mendes sitzt am Harmonium, die Augen geschlossen, völlig versunken, und das Publikum erhebt die Handylampen. Mendes erzählt, dass er nach seiner letzten abgebrochenen Tour kaum noch eine Gitarre in die Hand nehmen konnte und ein neues Instrument suchte, um sich wieder mit der Musik zu verbinden. Alle im Saal sind still und gespannt, was kommt. Mendes beginnt leise zu improvisieren. Alle lauschen gebannt in diesem Moment, der etwas Verletzliches und Ehrliches offenbart. „Manchmal geht es einfach darum, sich im Moment zu verlieren“, sagt Mendes leise am Ende des Abends.
Und das wirkt nicht inszeniert. Dieses Album ist eine Einladung, Shawn Mendes auf seiner Reise zu sich selbst zu begleiten.