Shannon and the Clams über das neue Album „The Moon is in The Wrong Place“
Shannon Shaw spricht über Liebe, Verlust und Widerstand.
Shannon and the Clams sind nach drei Jahren mit einem neuen Album zurück. Während die Band dem gewohnten Oldies-Indie-Garage-Sound treu bleibt, sind die Lyrics trauriger denn je. Der Anlass: Im August 2022 starb Shannon Shaws Verlobter Joe bei einem Autounfall, nur wenige Wochen vor der geplanten Hochzeit. Auf der neuen LP verarbeitet Frontfrau Shaw mit ihren Clams das erschütternde Ereignis. Ihr Verlobter war ein guter Freund der gesamten Band. Auf „The Moon is in The Wrong Place“ (10. Mai) singt Shaw über Verlust, Zeit, Liebe und die Kraft, nicht aufzugeben.
Wir haben mit der 40-Jährigen über das neue Album der Band gesprochen. Zu Deutschland hat Shaw eine besondere Verbindung: Ihr verstorbener Verlobter kam aus Deutschland. Sie scheut vor nichts zurück, keine Frage scheint zu persönlich. „Ich habe keine Probleme mit dem Weinen. Ich weine die ganze Zeit. Wahrscheinlich werde ich in diesem Interview weinen“, sagt sie.
Shannon, warum ist der „Mond am falschen Platz“?
Es heißt „The Moon Is In The Wrong Place“, weil mich mein Verlobter kurz vor seinem Tod – den Text kann man also wirklich wörtlich nehmen – fragte, was in der Welt astrologisch los sei. Joe wollte wissen, ob Merkur in der Rückläufigkeit ist oder so was in der Art. Er fragte: „Was ist jetzt gerade astrologisch los? Alles geht schief, alles bricht zusammen, alle streiten sich, bei der Arbeit geht alles schief“. Er sagte: „Der Mond ist am falschen Platz, sagt man das nicht so?“ Und ich dachte: „Wow! Sagt man zwar nicht so – aber ich liebe das. Das werde ich mir merken“, und ich speicherte es in meinem Handy. Mein Verlobter starb kurz darauf – und ich fühlte mich von diesem Satz verfolgt. Es war, als ob jetzt wirklich alles falsch wäre. Alles ist kaputt und nichts in Ordnung. Alles fällt auseinander. Ich dachte immer wieder über diesen Satz nach. Zwei Tage vor seinem Tod hatten wir ein Konzert. Er spielte Schlagzeug in meiner Band (Shannon Shaws Soloprojekt). Wir hatten in dieser Nacht den verrücktesten Vollmond, den ich bis dahin gesehen hatte. Es war einer der besten Tage in Joes Leben, denn Toody Cole von Dead Moon kam zu uns auf die Bühne. Es gibt also so viele Möglichkeiten, den Mond symbolisch zu sehen. Irgendwie so bittersüß. So interessant und seltsam passend zu den Ereignissen, die kurz darauf folgten. Entschuldigung, das war eine lange Antwort.
Wie lange hat es gedauert, bis du überhaupt wieder Musik machen konntest – wie verarbeitest du deinen Schmerz in deinen Liedern?
Ich würde sagen, dass mir sofort Ideen einfielen. Innerhalb von ein oder zwei Tagen nach seinem Tod kamen mir Konzepte, Melodien und Songtitel in den Sinn. Das ist für die meisten Leute wahrscheinlich seltsam, aber seit ich ein kleines Kind war, habe ich mich immer mit Kreativität ausgedrückt. Als ich noch sehr klein war und meine Brüder sich mit mir anlegten, ging ich in mein Zimmer und malte eine große Zeichnung dazu oder einen Comic, in dem ich sie verprügelte, jeden einzelnen von ihnen. Darin steckte ich all meine Energie und Frustration. Ich habe erst mit 24 Jahren angefangen, Bass zu spielen und zu singen. Ich war eine Spätzünderin. Aber schon bevor ich anfing zu spielen, habe ich selbst Lieder für mich gesungen. Ich habe Songs erfunden wie „My mom is not my real mom“ – dummes Zeug, aber so habe ich mich selbst beruhigt und das Erlebte verarbeitet, um mich besser zu fühlen. Für mich ist es keine Überraschung, dass sofort – nach der schlimmsten Sache, die mir in meinem ganzen Leben passiert ist – die Musik meine Medizin wurde. Ich glaube, das Schlimmste, was mir nach Joes Tod hätte passieren können, wäre, wenn keine Musik zu mir gekommen wäre und ich mich völlig allein im Universum gefühlt hätte. Nach seinem Tod war ich mit Familie zusammen, ich war mit Freunden zusammen, wir waren alle vereint, um mit dem Irrsinn dieses Ereignisses fertig zu werden. Aber als ich dann allein war, fingen die Dinge an, mich auf eine ganz andere Art zu beschäftigen. Ich habe das Gefühl, dass es mir hilft, aus diesem Schmerz heraus Lieder zu schreiben, damit ich mich nicht so allein fühle. Ich habe damit mein eigenes eingebautes Support-System aufgebaut. Wenn ich sonst nichts habe, dann habe ich meine Musik.
„Real or Magic“ ist ein ziemlich sanfter und trauriger Song. Im Musikvideo dazu können wir dich sehr verletzlich und emotional sehen.
Ich wollte wirklich nicht, dass „Real or Magic“ eine Single wird, weil ich solche Angst hatte. Aber die Jungs haben wirklich an diesen Song geglaubt. Das war der letzte Song, den ich für sie gespielt habe. Ich habe ihn in der Tasche behalten, weil er so traurig ist. Wenn ich normalerweise Songs schreibe, sind sie oft sehr energiegeladen und ich kann mich in dieser Energie verstecken. In „Real or Magic“ gibt es keinen Platz zum Verstecken. Die Emotionen, die man in dem Video sehen kann … Ich sang den Text immer und immer wieder und der Regisseur rief mir zu: „Lächle! Du musst in diesem Teil wirklich viel lächeln“. Oh mein Gott, das wollte ich nicht machen. Ich wollte nicht, dass es eine Single wird, weil ich Angst hatte, den Song immer wieder aufführen zu müssen, immer wieder darüber zu sprechen. Ich hatte solche Angst davor, dass ich sagen würde: „Okay, dieser Song ist zu viel. Der Song hat mich kaputt gemacht.“ Und die ganze Zeit während des Videos lächeln zu müssen und den Text zu singen und direkt in die Kamera zu schauen, was sich so verletzlich anfühlt, hat mir definitiv zugesetzt. Ich habe an diesem Tag viel geweint. Aber was ich bei den Live-Auftritten bezüglich dieser Songs festgestellt habe, ist, dass ich das Gefühl habe, je mehr ich mit ihm interagiere, desto einfacher wird es. Ich habe das Gefühl, dass ich mir eine Rüstung zulege. Damit kann ich den Song so spielen, wie er gespielt werden sollte. Ich habe keine Probleme mit dem Weinen. Ich weine die ganze Zeit. Wahrscheinlich werde ich in diesem Interview weinen. Aber es ist schwer, live aufzutreten und zu weinen. Das macht die ganze Sache kaputt.
Eure neue Single heißt „Big Wheel“. Wovon handelt der Song?
Cody (Blanchard, Gitarrist von Shannon and the Clams) hat diesen Song geschrieben. Ich liebe es, wenn Cody singt, besonders, wenn er im Falsett singt. Dieser Song macht wirklich Spaß, live zu spielen. Die Geschichte hinter dem Song ist die Symbolik des Rades, der Zeit und der Uhren. Es ist schön, einen Song zu haben, der viel Energie freisetzt. Es macht Spaß, auch wenn das Konzept hinter dem Song traurig ist, es ist eine schöne Abwechslung für mich, wenn wir ihn zusammen spielen. Ich liebe das Musikvideo. Ich bin visuell der Kontrollfreak. Ich plane unsere Musikvideos immer gerne und Cody tut das manchmal auch. Die bisherigen Videos zu diesem Album, mit Ausnahme von Bean Fields, wurden von Vanessa (Pla, Filmemacherin aus Austin, Texas) und unserer Freundin Bobbi (Rich, die Produzentin hat bereits mit Dolly Parton und Pixies gearbeitet) gedreht. Sie sagten zu uns: „Wir wissen, wie Shannon and the Clams ticken. Wir haben viele Ideen. Lasst uns das für euch machen“. Sich zurückzulehnen und jemandem, dem ich vertraue, das Steuer zu überlassen und die Videokonzepte schreiben zu lassen, war eine wirklich interessante und gute Erfahrung. Es kann auch mal Spaß machen, die Kontrolle abzugeben.
Bis jetzt habt ihr für jede Single von „The Moon Is In The Wrong Place“ ein Musikvideo veröffentlicht. Wie achtet ihr darauf, ob die Videos zusammenpassen und ein Ganzes ergeben? Oder haben die eigentlich nichts miteinander zu tun?
Was ich nie tun könnte, ist, einem Regisseur die Kontrolle zu überlassen, ohne dass wir dabei sind, ohne Teil davon zu sein. Ich will zumindest ein Mitspracherecht haben, wenn die das Konzept und alles andere machen wollen. Ich habe das Gefühl, dass, egal was passiert, wir der rote Faden sind, die Musik und wir, unsere Präsenz im Video. Außerdem suchen wir uns die Regisseure selbst aus. Wir wollen nur mit Leuten zusammenarbeiten, von denen wir glauben, dass sie echte Künstler sind und gut zusammenarbeiten können. Als wir „Bean Fields“ gemacht haben, hatte ich ein ganzes Treatment geschrieben. Eigentlich weiß ich nicht mal, wie man ein richtiges Treatment schreibt, aber ich hatte ein Pinterest-Board und ich hatte Szenen gezeichnet und ich hatte diese ganze Vision in meinem Kopf. Und was ich an der Arbeit mit Vanessa so mochte, war, dass sie vor nichts zurückschreckte. Sie sagte: „Okay, wir haben kein Budget, um deine großen Ideen zu verwirklichen, aber ich weiß, wie man trotzdem das Beste herausholt.“ Mit Bobby war es eigentlich dasselbe. Diese beiden Frauen sind so einfallsreich. Sie sind wirklich gute Menschen und haben gute Kontakte zu anderen Menschen in der Welt der bildenden Künste und in der Welt der Kunst. Viele Entscheidungen, die wir getroffen haben, waren einfach sehr kreative Problemlösungen. Ich habe das Gefühl, dass diese beiden Frauen das wirklich gut können. Und so sind die Clams. Wir sind kreative Problemlöser. Wir haben schon immer mit sehr wenig Geld viel erreicht. Wir sind Künstler, also achten wir darauf, dass wir mit Künstlern zusammenarbeiten, nicht nur mit irgendwelchen Regisseuren, verstehst du?
Dan Auerbach von den Black Keys hat euer Album produziert. Wie ist diese Zusammenarbeit zustande gekommen?
Dan ist ein großer Fan der Clams, und das zu hören, hat mich umgehauen. Irgendwer meinte mal: „Oh, wisst ihr, wer ein großer Fan von euch ist? Es ist Dan Auerbach von den Black Keys.“ Ich war komplett außer mir. Wie kann jemand wie er jemanden wie uns mögen? Das hat mich einfach umgehauen. Ich habe dann gesehen, dass die Arcs mir bei Instagram folgten, und ich dachte nur: „Was soll der Scheiß?“ Ich war wirklich überrascht. Und ich schrieb eine kleine Nachricht, in der ich mich einfach nur herzlich bedankte. Und dann war es tatsächlich Dan, der mir zurückschrieb: „Oh, natürlich, ihr seid eine der besten Bands. Ich liebe euch“. Dann haben wir hin- und hergeschrieben, uns Songs geschickt, die wir gerne hören. Kurz darauf hat er mich zu einem Konzert der Arcs in San Francisco eingeladen. Dadurch wurden wir Freunde. Erst wollte er mir helfen ein Solo-Album aufzunehmen. So fingen wir an zusammenzuarbeiten. Kurz danach veröffentlichten wir als Band „Onion“. Dann waren wir auf Tour mit Dan, mit seiner Band, mit The Black Keys, schon ein paar Mal und so nahm alles seinen Lauf. Ich bin wirklich froh, ihn als einer meiner Freunde bezeichnen zu können.
Neben eurem Albumrelease werdet ihr im Mai auf US-Tour gehen. Wie bereitet ihr euch vor?
Für mich wird es dieses Jahr anders sein. Ich leiste eine Menge emotionaler Vorarbeit und arbeite an meinem Schutzschild, damit ich dieses gefühlsgeladene Material abliefern kann. Denn ich will mein absolut Bestes geben. Ich möchte, dass die Leute es so hören, wie es von uns gedacht ist. Normalerweise haben wir Proben, bei der wir eben alle Songs durchgehen. Aber dieses Mal habe ich mit einer Gesangslehrerin gearbeitet. Sie hat in Bands mit Joe gespielt, die beiden waren wirklich gute Freunde. Sie spielt auch in meiner Solo-Band. Das heißt, wir sind schon sehr vertraut, das hilft. So kann ich mich wohlfühlen, ich kann ich selbst sein. Und weil sie Joe so gut kannte, ist dieses Album auch für sie von großer Bedeutung. Sie hilft mir, das Album Stück für Stück durchzugehen. Ich singe ihr die Lieder über Zoom vor. Das hilft mir wirklich, alles zu verinnerlichen. So ist es nicht so schwierig, live aufzutreten. Ich werde immer stärker. Ich mache auch viel Sport. Das wird mir helfen, mich auf der Bühne wirklich gut zu fühlen. Es ist so ein gutes Album. Ich bin so unglaublich stolz. Wenn mich jemand zu einem anderen Album fragen würde, das wir herausgebracht haben, hätte ich so viele Zweifel. Ich würde sowas sagen wie: „Ja, ich mag es, ich wünschte nur, dies und jenes wäre anders“. Normalerweise habe ich bei vergangenen Arbeiten all diese Zweifel, aber bei diesem Album habe ich keine Bedenken. Ich bin mir da so sicher. Ich weiß, dass die Leute es lieben werden. Ob mit oder ohne Kenntnis der Geschichte des Albums. Wenn man nichts über Joe wüsste, glaube ich, dass man das Album trotzdem lieben würde, vielleicht hätte man nur eine Menge Fragen. Ich bin mir bei diesem Album einfach so sicher.
Ihr macht als Band bereits seit 2007 Musik. Wenn du auf diese Zeit zurückblickst, wie fühlt sich das für dich an? Wie seid ihr zusammengewachsen?
Es ist unglaublich, dass das schon so lange her ist. Das Thema des neuen Albums hat viel mit Zeit und der Absurdität zu tun, die mit ihr einhergeht. Wir haben in all diesen Jahren nichts gemacht, außer zu wachsen. Ich bin stolz auf uns. Früher habe ich bei Open-Mic-Nights gespielt, ganz allein, mit Bass und Gesang. Cody lud mich ein, mit seiner Band auf seiner Hausparty zu spielen. Ich hatte solche Angst, mit Gleichgesinnten zu spielen. Ich dachte, das wäre das einzige Mal, dass ich jemals in einer Band spielen würde, dieses eine Mal auf einer Party. Von „Oh, ich werde diese Sache einmal machen“ zu dem, wo ich jetzt bin, ist es ein unglaublicher Weg. So lange habe ich auf Hauspartys und in Kellern gespielt und wurde nicht einmal bezahlt. Ich dachte, das war’s, besser wird es nicht mehr. Und dann fingen wir an, in Bars zu spielen und ich dachte: „Oh wow, ich spiele in Bars mit meiner Band! Wir haben heute Abend 150 Dollar verdient! Das ist super!“, und ich dachte erneut, dass es nicht besser werden würde. Aber jetzt setze ich mir keine Grenze mehr. Ich habe das Gefühl, wir könnten wirklich alles erreichen, was wir wollen.
In so einer langen Zeit können sich Menschen ja auch auseinanderleben. Gab es Schwierigkeiten?
Ja, der Geschmack ändert sich, man entwickelt sich weiter. Shannon and the Clams spielen nicht nur „Oldies“ und das bleibt auch so. Mit der Zeit arbeiten wir untereinander, aber auch mit anderen Künstlern zusammen. Wir haben diesen Oldie, Garage, Psychedelic Sound, ja. Aber wir passen uns an und wachsen als Band. Früher hat es mir wehgetan, wenn ich YouTube-Kommentare gelesen habe wie „Das klingt nicht wie Shannon and The Clams“ oder „Tschüß, die spielen keinen Punk mehr“ oder so. Weil wir noch nie nur eine Sache waren. Es waren immer unterschiedliche Einflüsse. Wir wären nicht da, wo wir jetzt sind, wenn wir nur genau so geblieben wären, wie wir vor 17 Jahren waren. In der Sekunde, in der du aufhörst zu wachsen, bist du nicht mehr lebendig. Experimentieren ist ein Teil des Lebens.
Ihr seid in Nordamerika bis Oktober auf Tour. Kommt ihr auch nach Deutschland?
Ja, absolut. Wir arbeiten schon ewig an einer Tour. Wir haben einen deutschen Booker, der wirklich ein Engel ist. Jedes Mal, wenn er anfängt, eine Tour zu buchen, sagen wir so: „Sorry, wir müssen sie ändern“. Es waren etwa fünf geplante Touren über verschiedene Zeiträume und wir haben sie immer wieder geändert. Er ist also wirklich toll. Aber wir werden kommen! Vielleicht im November, vielleicht im Frühjahr. Wir schulden Deutschland eine Menge Tourdaten, wir lieben es, in Deutschland zu spielen. Besonders ich habe eine Vorliebe für Deutschland.
Das neue Album „The Moon Is in the Wrong Place“ ist ab dem 10. Mai erhältlich.