Ein wildes Leben – Zum Tod von Shane MacGowan
MacGowan mochte das Leben. Deshalb hat er es ausgeschöpft, so gut er konnte.
Es war ein fast angekündigter Tod, und vielleicht schmerzt er genau deshalb so. Am 30. November um 3.30 Uhr morgens starb Shane MacGowan. Der Sänger der Pogues war gerade aus dem Krankenhaus entlassen worden, nachdem er einige Monate dort wegen einer Blutvergiftung behandelt wurde. Seine Ehefrau Victoria Clarke hatte die Welt ständig an seinem Schicksal teilhaben lassen – mit seinem Einverständnis wohl. Manche Bilder waren dennoch schwer auszuhalten. MacGowan zahlte den Preis für seinen jahrzehntelangen Alkohol- und Drogenmissbrauch, seit 2015 saß er zudem nach einem Beckenbruch im Rollstuhl. Doch er war kein Typ, der sich selbst bemitleidete und jammerte. Also wollen wir uns an das erinnern, was bleibt: seine Musik.
Gerade in der Weihnachtszeit wird MacGowan immer unsterblich sein, sein „Fairytale Of New York“ läuft seit 36 Jahren auf allen Radiosendern. Passenderweise wurde er auch noch an einem 25. Dezember geboren, 1957 – im englischen Kent, als Sohn irischer Einwanderer. Schon als Kind lernte er die traditionellen Folksongs lieben, die in seiner Familie gern gesungen wurden. Angeblich gab man ihm damals schon Guinness, damit er besser einschlafen konnte. Im „NME“ tauchte MacGowan erstmals 1976 auf – bei einem wilden Konzerterlebnis hatte er sich am Ohr verletzt, die Bildunterzeile lautete: „Kannibalismus bei Clash-Gig“. Er nannte sich kurzzeitig Shane O’Hooligan und gründete eine Punkband namens Nipple Erectors (für die immerhin Paul Weller ein Demo-Tape produzierte), besann sich aber bald eines Besseren. 1981 suchte er sich die Leute zusammen, aus denen bald The Pogues wurden. Drei Jahre später erschien ihr Debüt, „Red Roses For Me“ – ein furioses Werk, auf dem MacGowan alte Weisen mit modernem Punk-Spirit verband, wie das vorher niemand getan hatte. Auch das zweite Album, „Rum Sodomy & The Lash“ (1986), war eine Schau – „ A Pair Of Brown Eyes“ schmetterte MacGowan so grandios wie das Traditional „Dirty Old Town“.
Ihren größten Hit feierten die Pogues 1987, als sie mit Gastsängerin Kirsty MacColl „Fairytale Of New York“ herausbrachten – ein etwas anderes Weihnachtslied, in dem sich ein Paar barsch beschimpft und hofft, dass es nicht noch mehr Feiertage miteinander verbringen muss. Das Stück war seitdem 19-mal in den UK-Top-Twenty, es ist dort der meistgespielte Christmas-Song des 21. Jahrhunderts (und wirft immer wieder die Frage auf, ob Wörter wie „arse“ und „faggot“ zensiert werden müssen). Das dazugehörige Album, „If I Should Fall From Grace With God“, erschien 1988 und wurde natürlich zum Bestseller.
Im selben Jahr zog sich McGowan eine schwere Hepatitis zu und bekam gesagt, dass er nicht mehr lange leben würde, wenn er den Schnaps nicht weglässt. 1991 feuerte ihn seine Band während ihrer Japan-Tour, weil er es kaum noch zur Bühne schaffte. MacGowan nahm dann zwei Alben mit einer Ersatzband, den Popes, auf – „The Crock Of Gold“ von 1997 wird seine letzte Aufnahme bleiben. 2001 kamen die Pogues erneut zusammen und spielten immer wieder Konzerte, bis es 2014 endgültig nicht mehr ging. Danach arbeitete MacGowan an einem Album mit Covers und Stücken der irischen Band Cronin. Bis heute wurde nichts davon veröffentlicht.
In einem „Guardian“-Interview 2022 sagte Shane MacGowan: „Natürlich mag ich das Leben!“ Er hat es ausgeschöpft, so gut er konnte.