Seltsam und vertraut
Magie ist schwer zu finden, mussten Gary Louris und Mark Olson feststellen. Also haben sie nach langem Zögern ihre Jayhawks reaktiviert.
Sie stimmt halt doch, die alte Weisheit, dass man etwas erst zu schätzen lernt, wenn man es verloren hat. Zuletzt erwischte sie Gary Louris, der feststellen musste, dass er allein zwar auch gute Songs schreiben kann, aber die noch besseren mit seinem alten Weggefährten Mark Olson. So entstand das Duo-Album „Ready For The Flood“ (2008), aber fehlt da nicht irgendwas? Diese Band, die mit „Hollywood Town Hall“ und „Tomorrow The Green Grass“ in den 90er-Jahren moderne Country-Musik definierte? Aus der Olson bereits 1995 austrat, die sich 2003 dann auflöste?
Louris beugte sich bald den Erwartungen: „Ich konnte mich nicht mehr wehren, das war wie Gegen-den-Strom-Schwimmen. Die Leute wollten einfach die Jayhawks hören.“ Und Louris packte gern wieder die E-Gitarre aus. Olson musste er erst überreden, aber spätestens im Studio waren sich alle – auch Bassist Marc Perlman, Schlagzeuger Tim O’Reagan und Keyboarderin Karen Grotberg sind wieder dabei – schnell einig: Das „magische Ding“, das zwischen Louris und Olson läuft, ist immer noch da. Dem neuen Album hört man die Freude darüber an.
Produziert hat Louris „Mockingbird Time“ selbst, aus ökonomischen Gründen. Vielleicht auch, weil er gern das letzte Wort hat. Die Aufnahmen liefen trotzdem friedlich ab: „Es war seltsam und vertraut zugleich. Denn wir sind dieselben Menschen, aber seit 1995 ist so viel passiert. Und ich war diesmal der Produzent, sodass zum ersten Mal keiner im Raum war, der uns gesagt hat, was wir tun sollen. Na ja, außer mir natürlich.“ Er lacht ein bisschen verschämt. Erfolgsdruck gab es nicht, berichtet er, denn schon seit „Hollywood Town Hall“ rechnen die Jayhawks immer nur mit dem Schlimmsten: „Wir dachten jedes Mal: Die Leute werden’s nicht kapieren, keiner wird’s kaufen, und das war’s. Also haben wir immer alles gegeben, um sagen zu können: Unsere Schuld ist es nicht, dass wir uns jetzt andere Jobs suchen müssen. So sind uns zeitlose Alben gelungen.“
Letztendlich war es die Stagnation auf mittlerem Erfolgsniveau, an der die Band zerbrach: „Die Jayhawks haben unter anderem aufgehört, weil wir vor den immer gleichen Leuten gespielt haben. Das ist auf die Dauer ermüdend. Man will doch, dass das Geschäft expandiert. Manchmal hätte ich gern all das Kritikerlob für mehr Erfolg eingetauscht. Mir bedeutet es nichts, eine Kultband zu sein. Ich will mit dem, was ich von Herzen mache, lieber mehr Menschen erreichen. Ich will kein Snob sein, ich will nicht supercool sein und nur einer kleinen Gruppe von supercoolen Leuten gefallen. Das ist doch Quatsch.“
Wie soll es also weitergehen? Keine Ahnung. Die Jayhawks schmieden nicht gern große Pläne. Eine US-Tournee steht noch an, aber nach Deutschland werden sie wohl nicht kommen. „Das ist ein Catch-22, wie Kurt Vonnegut es nannte: Wir sind in Deutschland nicht sehr populär, also lohnt sich eine Tour nicht. Und wenn man nicht tourt, wird man nicht populärer.“ Wo ist der Konzertveranstalter, der den Teufelskreis durchbricht? Bis er sich meldet, trösten sich die Jayhawks damit, dass sie wieder auf der richtigen Spur sind und ihre Differenzen überwinden konnten. „Die besten Bands sind kompliziert und halten darum oft nicht so lange. Wir fünf haben alle starke Persönlichkeiten, wir sind smart und haben ausgeprägte Meinungen. Einfache Bands, die sich gut verstehen und in einer perfekten Welt leben, machen langweilige Musik“, erklärt Louris. Könnte den Jayhawks nicht passieren.