Seit zwei Dekaden sammelt Glaser Bruchstücke deutscher Wirklichkeit
Wenn Rainald Goetz der Medienzampano war, dann war Peter Glaser der Begründer und Theoretiker der New Wave in der deutschen Literatur Anfang der Achtziger Jahre. Goetz schnitt sich beim Ingeborg-Bachmann-Preislesen die Stirn auf, Glaser lieferte mit „Der große Hirnriss. Mitteilungen aus der Wirklichkeit“ (Co-Autor Niklas Stiller) 1983 den ersten deutschen Punk-Roman. Im Jahr darauf erschien seine Anthologie „Rawums“ (soeben bei Kiepenheuer & Witsch wiederaufgelegt), die dieses neue literarische Terrain vermisst und zugleich eine Poetik der jungen Pop-Literatur entwirft. Während „Der große Hirnriss“ bei aller Punk-Ironie, runtergekühlten, schneidigen und männlich-harten Attitüde und auch stilistischen Brillanz immer noch ein wenig partizipiert am Innerlichkeitssprech der 70er Jahre, lösen Glasers Texte in „Rawums“ und nicht zuletzt sein 1985 folgender Short-Story-Band „Schönheit in Waffen“ das Versprechen ein. Die Erzählungen sind hart, witzig, gelegentlich auch satirisch, aber immer wieder nimmt er die Geschwindigkeit heraus, lässt er die Handlung auf der Stelle treten, um minuziös, skrupulös, detailversessen den neuen Wirklichkeiten auf der Spur zu bleiben. Mit einer vieltönigen, manchmal auch manieristischen Sprache, die Fachidiome, coolen Szene-Slang und eine bisweilen durchaus gewagte Metaphorik vermengt, kämpft er hier um jeden Zentimeter Realität.
In der Folge konzentrierte sich Glaser auf den Journalismus bzw. Non-fiction-Literatur und auf die damals noch heißen Themen Internet, Virtuelle Realität, Computer-Kultur, die auch in seinen Erzählungen bereits verhandelt wurden. Er war Mitbegründer des Chaos Computer Clubs, Redakteur der „Datenschleuder“, dem Hausorgan des CCC, er erschrieb sich einen gewissen Ruf mit seinen Essays in „Tempo“, war Blattmacher von „Konr@d“, dem Computer-Mag des „Stern“ – und veröffentlichte lange keine Belletristik mehr. Bis er 2002 vom Literaturkritiker Denis Scheck, 20 Jahre nach Goetzens Rasierklingen-Spielerei, seinerseits nach Klagenfurt eingeladen wurde – und umgehend den Bachmann-Preis gewann. Die „Geschichte von Nichts“ ist sein jüngstes Buch.