Sehnsucht nach den wilden Sechzigern
Es soll sie wohl geben: 25jährige, die inmitten von tiefen Wäldern im nördlichen Schweden mit Rolling Stones-Platten aufgewachsen sind. Einer von Ihnen hieß Niclas Frisk. Heute ist er Gitarrist, Sänger und Songwriter der Retro-Rocker Atomic Swing. Dazwischen liegt die Arbeit als Folkmusiker (Mandoline, Banjo) und die Hör-Erfahrung mit anderen 60er-und 70er-Highlights: Slade, Beatles, Les Humphries‘ „Mama Lou“ (Kommentar: „Geil!“).
Retro? Vade retro! Weiche von mir, Mama Lou. Vor zwei Jahren begann alles mit einer Fahrt ins Blaue: Das Debüt „A Car Crash In The Blue“ avancierte zum Überraschungserfolg in Schweden und Japan. Bei Atomic Swing regiert der Blick zurück, aber nicht nach vorn: Sie instrumentieren traditionell mit Baß, Gitarre, Schlagzeug und stemmen je nach Bedarf die Hammond oder das Xylophon dagegen. „Spielten wir andere Instrumente, klängen unsere Songs modern. Aber wir lieben diesen Sound.“ Dazu schreibt Frisk gefällige Melodien, leicht konsumierbar arrangiert. Und gesteht freimütig wie phlegmatisch: „Wir machen eingängige Background-Musik. Heute geht es ja nur noch um Hit-Singles.“ Genau so, nach verkrampfter Gefälligkeit, klingt denn leider auch das neue Album „Bossanova Swap Meet“. Ein Hit verlangt ja doch etwas Originalität – und selbige lassen die Schweden vermissen. Da hilft es nicht, wenn die Motown-Institution Ronnie Spector (ehemalige Ehefrau von Phil) mal ihre Stimme leiht („So In Need Of A Change“). Statt dessen Larmoyanz auf allen Ebenen: „Wir haben keine politische Botschaft. Ich schreibe über das Gefühl, in den 90er Jahren zu leben. Heute ist es komplizierter, jung zu sein. Es war einfacher, sich eine Meinung zu bilden. Irgendwie romantisch. Ein Song konnte damals die Leute mobilisieren. Heute ist die Gesellschaft dafür zu individualistisch und anonym.“ So mancher dürfte die Einsamkeit schwedischer Wälder vorziehen – obwohl das schrecklich individualistisch klingt.