Sean Lennon über Liebe, Freundschaft und Ruhm
Zwischen Schauspiel-Beauties und anderen Berühmtheiten versucht Lennon sich seiner Rolle als Beatles-Sohn zu entziehen.
Was für eine seltsame Ironie: Jahrzehntelang haben sich Teenager darüber definiert, entweder Stones- oder Beatles-Fan zu sein. Beides zusammen ging nicht. Unmöglich. Die Königskinder Elisabeth Jagger und Sean Lennon sehen das sicher anders. Im September 2006 sitzen die beiden so innig wie selbstverständlich auf einer Couch im Londoner EMI-Hauptquartier. War da was? Mehr Details erfahren Sie bei „Gala“ oder „Bunte“. Das schöne Lancome-Model blättert ohnehin nur gelangweilt in einer Zeitschrift, es spricht der Sohn von John und Yoko – nach denen man aber besser nicht fragen sollte. Denn Sean hat es nicht leicht. In seinem schwarzen Designeranzug, dem weißen Seidenhemd und der avantgardistischen Seidenkrawatte sieht er zwar aus wie ein „Grammy“- Preisträger, doch soweit ist es noch lange nicht. Im Moment wünscht sich der 31-Jährige New Yorker vor allem eins: Heraustreten aus dem Schatten der Eltern und als seriöser Musiker ernst genommen werden.
Ihr Debüt erschien 1996, warum haben Sie für den Nachfolger „Friendly Fire“ so lange gebraucht?
Ein neues Album hatte ich schon vor drei Jahren fertig. Leider war die Platte nicht gut genug, um sie zu veröffentlichen. Zu künstlich und steril. Ich konnte einfach nicht hundertprozentig dahinter stehen. Mein Leben dreht sich ja nicht darum, berühmt zu werden, ich habe auch keine Ambitionen, den Popstar zu spielen, so wie Julian (Lennon, Seans Halbbruder).
Mir geht es vor allem um das Handwerk des Songschreibens, des Musikmachens.
Verraten die neuen Songs auch etwas über ihr Leben?
Sicher gibt es in fast jedem meiner Lieder auch eine autobiografische Komponente. Doch ein Song ist keine Fotografie, eher ein abstraktes Gemälde. Ein Song ist so etwas wie ein Traum, der manchmal zum Alptraum werden kann. „Friendly Fire“ erzählt von den Verletzungen, die Liebende sich manchmal zufügen.
Zum Beispiel?
Max LeRoy, ein sehr guter Freund, der zusammen mit mir auf der Highschool war. Wir waren wie Zwillinge – und trotzdem hat er mit meiner Freundin geschlafen. Ich konnte ihn nicht zur Rede stellen, weil er kurz darauf bei einem Motorradunfall starb. Das hat mich völlig fertig gemacht. Eigentlich wollte ich mit Michele Civetta, meinem Video-Regisseur, darüber einen richtigen Spielfilm drehen, doch uns fehlte das Geld.
Trotzdem wimmelt es in dem einstündigen Video von Stars und Sternchen: Asia Argento, Lindsay Lohan, Carrie Fisher…
Das sind alles Freunde, ich arbeite immer nur mit Freunden. Ich hatte auch noch das Glück, dass diese Leute umsonst gearbeitet haben, sonst wäre das nicht finanzierbar gewesen.
Ein alter Freund ist auch Lenny Kravitz, mit ihm waren Sie schon 1991 im Studio?
Richtig, damals haben wir gemeinsam „All I Ever Wanted“ geschrieben. Mit Lenny im Studio zu arbeiten war eine aufregende Erfahrung, er ist auf eine fast religiöse Weise von analogen Aufnahmetechniken besessen. Ich habe eine Menge gelernt.
Konnten Sie dieses Wissen anwenden, als Sie mit ihrer Mutter Yoko Ono das Album „Rising“ eingespielt haben?
Sicher, doch mit meiner Mutter zu arbeiten, war überhaupt eine außergewöhnliche Erfahrung, denn sie arbeitet im Studio wie niemand sonst. Sie improvisiert viel und hat eine hochgradig avantgardistische Herangehensweise an die Musik. Nach „Rising“ war ich dermaßen beeindruckt, dass ich unbedingt selbst eine experimentelle Platte machen wollte.
Wie hat sich Ihr Musikgeschmack im Lauf der Jahre verändert?
Als ich 16 war, erzählte mir Joe Strummer einmal, dass er nicht zur Musik gekommen wäre, wenn er nicht die Beach Boys gehört hätte. Damals dachte ich noch, die Beach Boys wären cheesy, weil mein Hirn die Komplexität ihrer Musik einfach noch nicht verarbeiten konnte. Mit jedem Jahr entdecke ich neue Sachen, inzwischen hat sich mir zum Beispiel auch Captain Beefheart erschlossen.
Als Sie groß wurden, hatte Ihr Vater eine Jukebox. Was konnte man da hören?
Er hatte eine alte Wurlitzer in unserem Haus auf Long Island, vorwiegend bestückt mit Singles von Elvis und den Everly Brothers. Der modernste Song, an den ich mich erinnere, war „The Tide Is High“ von Blondie, den spielte er pausenlos. Wenn ich die Nummer heute höre, sehe ich ihn sofort vor mir – unrasiert, mit Pferdeschwanz und zerschlissenen Jeans -, und wie ich als Knirps versuchte, zur Musik meine ungelenken Körperteile zu koordinieren.
Welcher Song ihres Vaters fasziniert Sie auch heute noch?
Ich habe das ganze Material so oft gehört, dass es keine wirklichen Überraschungen mehr für mich bereit hält. ,A Day In The Life“ ist allerdings jedesmal inspirierend.
Wer sind für Sie die fünf größten Songschreiber des 20. Jahrhunderts?
Eine schwierige Frage, aber ich kann Ihnen zumindest fünf nennen, die ich für außergewöhnlich halte: Claude Debussy, John Lennon, Cole Porter, Phil Spector, Gershwin.
Ihren Vater mal außen vor wer war Ihr Lieblings-Beatle?
Jeder Beatle war wie ein Rad an einem Wagen – man brauchte unweigerlich alle vier, um fahren zu können.