Sean Connery: Der Mann, der König war
Zum Tod von Sean Connery, dem Mann, der jeder Mann sein wollte
Ein Asteroid wurde nach ihm benannt, er gewann einen Oscar und die Goldene Himbeere, und er wurde zum Ritter geschlagen. Aber als die größte Auszeichnung seines Lebens emfpand Sean Connery die „Freedom of the City“-Medaille der Stadt Edinburgh, mit der 1991 geehrt wurde. Unter all den Ehrungen ist auch die Kür zum „Sexiest Man Alive“, die ihm 1989 zuteil wurde, als er 59 Jahre alt war. Er wusstee schon in den 60er-Jahren, dass er für immer James Bond sein würde, und verbrachte den Rest seiner Karriere damit, nicht mehr James Bond zu sein. Nach den ersten fünf Filmen kehrte er noch zweimal zurück: für „Diamantenfieber“ (1971) und „Sag niemals nie“ (1983). Die Millionengage für „Diamantenfieber“ investierte er in eine Stiftung zur Förderungen schottischer Talente.
Griechischer Athlet und römischer Krieger
Sean Connery, am 25. August 1930 in Edinburgh geboren, war ein kauziger Mann von bescheidener Herkunft. Sein Vater Joseph war ein Fernfahrer, seine Mutter Euphemia verdiente als reinigungskraft Geld hinzu. Der junge Sean verdingte sich früh als Milchmann und meldete sich mit 16 Jahren zur Armee, wo er nach zwei Jahren entlassen wurde – ein Zwölffingerdarmgeschwür sei der Grund gewesen, heißt es in der Vita. Fortan arbeitete er als Kutscher und Baggerfahrer, lernte das Möbelpolieren, spezialisierte sich auf Särge und begann mit Gewichtheben. So qualifierte er sich als Aktmodell am Edinburgh College of Art, wo er naturgemäß als griechischer Athlet und römischer Krieger posierte. 1950 wurde er schottischer Meister im Bodybuilding und belegte den dritten Rang beim „Mister Universum“-Wettbewerb.
Sein blendendes Aussehen brachte ihm nach dem Auftritt im Chor einer Inszemnierung des Musicals „South Pacific“ (1954) kleine Engagements beim Theater, im Fernsehen und im Kino. In dem Hollywoodfilm „Another Time, Another Place“ (1958) spielte er neben Lana Turner erstmals eine größere Rolle, drehte danach aber weiterhin britische Filme von der Stange. In „Der längste Tag“ (1962), Darryl Zanucks Panorma der Invasion der Allierten in der Normandie, spielt er natürlich einen schottischen Offizier.
Als Albert R. Broccoli und Harry Saltzman für „James Bond jagt Dr. No“ den Hauptdrseller suchten, waren Cary Grant, David Niven, Patrick MacGoohan und Roger Moore im Gespräch. Grant und Niven waren zu alt für die Rolle und außerdem nicht interessiert an dem Part in einem kleinen britischen Agententhriller, der für eine Million Dollar inszeniert wurde. MacGoohan und Moore entsprachen allzu sehr dem britischen Snob für diesen Abenteuerfilm. Ian Fleming wiederum, der Autor der Bond-Romane, war unzufrieden mit der Wahl von Sean Connery, der so gar nicht seiner Vorstellung vom gebildeten, weltgewandten Meisterspion (also sich selbst) entsprach. Der Regisseur Terence Young arbeitete mit Connery, der stets mit schwerzüngigem schottischen Akzent sprach, an den Manierismen dem selbstironischen Machismo der Figur. Der fabelhafte Erfolg von „Dr. No“ und die sensationellen Einspielergebnisse von „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963) und „Goldfinger“ (1964) ließen keinen anderen Schauspieler mehr zu.
Alfred Hitchcock besetzte Connery in seinem Thriller „Marnie“ (1964) – eine Entscheidung, über die er später unglücklich war, wie er bald darauf im Gespräch mit Francois Truffaut äußerte. Tippi Hedren spielt eine psychotische Kleptomanin, die von einem reichen Geschäftsmann geheiratet wird, der sie sexuell erpresst. Für dieses Motiv, von Hitchcock obsessiv und handwerklich schlampig inszeniert, war Connery freilich die falsche Besetzung – aber auch hier wären Cary Grant und David Niven kaum geeigneter gewesen.
Nach „Feuerball“ (1965) und „Man lebt nur zweimal“ (1967) gab Connery seinen Abschied von den Bond-Filmen bekannt, unzufrieden mit seiner Gage bei stetig wachsenden Budgets (bei „Man lebt nur zweimal“ waren es 9,5 Millionen Dollar). Später verklagte er die notorisch verschlagenen Produzenten – die Rückkehr in „Sag niemals nie“ (1983) in derselben Rolle, aber bei anderen Produzenten wurde auch als Racheakt verstanden. „Sag niemals nie“ kam zur selben Zeit wie Roger Moores „Octopussy“ in die Kinos und war beinahe ebenso profitabel: 160 gegenüber 187 Millionen Dollar.
Ende der 60er-Jahre traf Connery verschrobene künstlerische Entscheidungen: Er spielt in dem Western „Shalako“ (1968), gab Roald Amundsen in dem surrealistischen russischen Nordpol-Film „Das rote Zelt“ (1969), war ein Bergarbeiter in Martin Ritts „The Molly Maguires“ (1970) und spielte in zwei verquasten Filmen von Sidney Lumet, „The Anderson Tapes“ (1971) und „The Offence“ (1973), in dem er gegen sein Image mit Schnauzbart und ohne Toupet einen traumatiserten Polizisten darstellt, der auf einen Kinderschänder einschlägt. Dazwischen lag „Diamantenfieber“: Jetzt bekam Connery eine Gage von einer Million Dollar.
Fortan verwandelte sich Connery, Mitte 40, lustvoll in eine ältere Gestalt. Bei „The Wind and The Lion“ von John Milius, „The Man Who Would Be King“ (1975) von John Huston und „Robin and Marian“ (1976) von Richard Lester arbeitete er mit großen Regisseuren an seltsamen Historien- und Abenteuerfilmen, die größtmögliche Entfernung von James Bond und dem Kino jener Zeit. Die Filme waren Fehlschläge. In Nebenrollen huschte Connery durch „Mord im Orient-Express“ (1974), noch einmal Sidney Lumet, und dem Weltkriegssspektakel „Die Brücke von Arnheim“ (1977), hier wieder als schottischer Soldat. Bei „Meteor“ und „Explosion in Cuba“, beide 1979, hatte ihn sein Urteilsvermögen verlassen. Aber Connery rettet sich mit einer großartigen Darstellung in Peter Hyams‘ „Outland“ (1981), einem „Zwölf Uhr mittags“ im Weltraum.
Endlich der Oscar
Nach „Sag niemals nie“ erfand er den späten Sean Connery als weltweisen Kauz und Eremiten: „Camelot“ (1984), „Highlander“ (1985), „Der Name der Rose“ (1986). Er trug jetzt Filme in Nebenrollen. Für seine Darstellung in Brian De Palmas „The Untouchables“ (1987) bekam er endlich den Oscar – als bester Nebendarsteller. Alle waren erleichtert. Danach wurde er von der Academy nicht mehr belästigt.
In Steven Spielbergs „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ (1989) spiele er den Vater von Harrison Ford, die Apotheose des zerstreuten Kauztums. Ford liebte ihn. Bei „Family Business“ (1989) kehrte Connery noch einmal, an der Seite von Dustin Hoffman, zu Sidney Lumet zurück. Seine allergrößte Darstellung ist vielleicht der Schriftgelehrte als Spion in Fred Schepisis „Das Russland-Haus“ (1990): Im Kamelhaarmantel stapft er zwischen den Geheimdiensten zerzaust durchs verschneite Moskau, verliebt sich in Michelle Pfeiffer und kennt nur eine Loyalität: „Du bist jetzt mein Land.“ Bei „Jagd auf Roter Oktober“ (1990) glaubt man dem Schotten sogar den litauischen Kapitän. In Kevin Costners „Robin Hood“ (1991) ist er, wer sonst?, Richard Löwenherz.
1992 gründete Sean Connery eine kurzlebige Produktionsgesellschaft, spielte mit wechselndem Glück in halb guten Filmen, war in „The Rock“ (1996) noch einmal der Fels und in „Entrapment“ (1999) neben Catherine Zeta-Jones noch einmal der Liebhaber, nun beinahe 70 Jahre alt. In „Finding Forrester“ (2000) spielte er einen Schriftsteller, der verlorenging. Nach dem verheerenden „The League Of Extraordinary Gentlemen“ (2003) kehrte Sean Connery nie mehr zum Film zurück. Sprecher war er noch manchmal.
Connery spielte nun Golf, lebte mit seiner zweiten Frau Micheline, einer Malerin, in Andalusien und auf den Bahamas und schrieb seine Autobiografie, die 2008 erschien. Sie heißt, natürlich, „Being A Scot“. Harrison Ford und Steven Spielberg wollten für ihn für den vierten „Indiana Jones“-Film engagieren, aber da ist er nur noch Erinnerung auf einem alten Foto.
Vor zwei Monaten feierten wir Sean Connery zu seinem 90. Geburtstag. Gestern starb der berühmteste aller Schotten und der berühmteste aller James Bonds in Nassau auf den Bahamas. Friedlich im Schlaf, sagte sein Sohn Jason.