Schwere Kost zum Schunkeln: PJ Harvey auf dem Roskilde-Festival 2016
PJ Harvey singt Lieder über Kriege, Krisen und Kindermorde – und funktioniert auf der Festivalbühne trotzdem perfekt.
Zugegeben, es ist schon etwas befremdlich, wenn man merkt, was für Zeilen man dort eigentlich mitsummt: PJ Harvey singt von „Seven or eight thousand people killed by hand“, während etwa doppelt so viele bei ihrem Roskilde-Auftritt vor sich hinschunkeln, als wäre auf der gesamten Welt alles in Ordnung.
Harveys Lieder tragen eine Menge Gewicht mit sich herum. Mit ihren letzten beiden Alben, die den Großteil der Setlist stellen, hat sie sich zu einer düsteren Chronistin menschlicher Grausamkeit entwickelt. Viele Songs auf „Let England Shake“ drehen sich um den Ersten Weltkrieg, auf dem Nachfolger „The Hope Six Demolition Project“ vertont sie nun die Erfahrungen, die sie während ihrer Reisen durch den Kosovo, Washington D.C. und durch Afghanistan gemacht hat.
Dass das alles im Festivalrahmen trotzdem so gut funktionieren kann, verdankt Harvey nicht zuletzt ihrer großartigen Band, die aus neun grauen Herren besteht – darunter auch ihre langjährigen Wegbegleiter John Parish und Mick Harvey. Die oft sehr roh und unfertig klingenden neuen Songs wie „The Ministry of Social Affairs“ oder „The Wheel“ hätten auch von einer wesentlich kleineren Besetzung gespielt werden können. Doch erst dank der Bläser und Mick Harveys gelegentlich eingesetzter Geige merkt man, wie viel sich noch hinter den Melodien verbirgt.
Lediglich „Dollar, Dollar“, der sehr zurückgenommene und kaum instrumentierte Schlusssong auf „The Hope Six Demolition Project“, will sich nicht Recht entfalten und geht im Gerede des sonst sehr aufmerksamen Publikums unter – das die schwere Kost bis auf diese eine Ausnahme aber gut verdaut hat.
Wem das alles dennoch zu viel war, konnte sich ein paar Stunden später und ein paar Bühnen weiter einen flammenden Appell von Macklemore für den Weltfrieden anhören, der seit drei Jahren zu einem festen Bestandteil seines Programms gehört. Hoffentlich geht sein Plan nicht auf – PJ Harvey braucht doch Stoff für ihr nächstes Album!