Schöner Eskapismus
Mit dem echten Leben haben die Lieder von THE GENTLE WAVES gar nicht viel zu tun
Isobel Campbell hat einen Schnupfen. Die Nase läuft ganz unromantisch, und das Schniefen ist auch nicht gerade elfenhaft – keine Frage: Entgegen vieler Vermutungen ist die Chanteuse der schottischen Wunderkapelle Belle & Sebastian ein real existierender Mensch. „Ich weiß auch nicht, was die Menschen immer in uns sehen“, wundert sie sich beim Naseputzen. „Vielleicht ist es, weil wir am Anfang nicht so viele Interviews gegeben haben? Nein, ehrlich, ich habe wirklich keine Ahnung, wie unser geheimnisvoller Ruf zustande gekommen ist.“
Das zweite Album von Beiles Nebenprojekt The Gende Waves wird’s auch nicht richten; nicht nur der mit dem Weichzeichner geschriebene Titel „SwansongFor You“, sondern auch die verzauberte Musik – eine Art musikalisches Mittel aus David Hamilton und Walter von der Vogelweide scheint mit dem richtigen Leben nachgerade gar nichts zu tun zu haben. „Natürlich ist Musik immer eine Art Eskapismus“, räumt Belle ein, „wobei mir diese Flucht mit meinen Songs meist nicht gelingt. Vieles ist viel zu nah an mir dran.“ Erst die Kunst der anderen macht Belle frei. „Es ist gut, von den eigenen Visionen und Träumen abzulassen und sich denen anderer Menschen zuzuwenden. Man willja schließlich sein eigenes Leben nicht als Film sehen.“
Mit sich selbst beschäftigt sich die fragile Sängerin ohnehin nicht so gern. „Ich lese niemals Artikel über mich, da ich es gleichermaßen verwirrend finde, wenn jemand etwas Gutes oder Schlechtes schreibt Man bekommt in beiden Fällen eine verzerrte Sicht auf sich selbst Und außerdem“, fugt sie hinzu, „schreiben manche so böse Dinge, dass man gleich sterben will.“
Diese Empfindsamkeit ist nun doch auf charmante Weise zauberhaft – Isobel Campbell, obschon nicht das vermutete verklärte Märchenwesen, entpuppt sich als der zarte Mensch, den die liebe Lyrik und milde Melodie von „SwansongFor You“ nebst dem hinlänglich bekannten Hauptwerk vermuten lässt. „Sicherlich bin ich die Tagträumerin, die in meiner Musik vorkommt“, bestätigt sie lächelnd, „aber das schließt den nötigen Realismus ja nicht unbedingt aus.“