Schöne Schwächen
Sie lieben Guns N' Roses und holen sich Autogramme von den Cardigans: Den Manic Street Preachers ist nichts mehr peinlich
Entgegen anderslautender Annahmen kann das Leben auch lustiger werden, je älter man wird. Die drei Männer, die heute als Manie Streeet Preachers bekannt sind, haben ihren ersten Song 1985 geschrieben und sind trotzdem erst 38. Alt genug, um sich ordentlich amüsieren zu können. Sänger/Songschreiber James Dean Bradfield und Bassist/Texter Nicky Wire haben im vergangenen Jahr Soloplatten gemacht, das neue Band-Album aber nie aus dem Blick verloren. Es war von Anfang an klar, in welche Richtung es gehen sollte, so Bradfield: „Wir wollten, dass uns nichts peinlich ist – kein fettes Gitarrensolo, keine große Melodie, nichts. Einfach Spaß haben, keine Regeln. Selbst wenn wir dann auch mal zu sehr nach den Manics klingen.“
Die Lyrik auf „Send Away The Tigers“ übernahm wieder Wire, nachdem Bradfield auf seinem Soloalbum alles gesagt hatte, was er zu sagen hatte: „Ich war froh, zurück bei der Band zu sein, das war eine Erleichterung. It’s my natural position: singing and masturbating on the guitar. Warum sollte mein Ego mich gegen meinen Instinkt zwingen, Texte zu schreiben, wenn Nicky schon so viele parat hat?“ Umso exzessiver spielt er dafür nun Gitarre. Manche Passage erinnert frappierend an Guns N‘ Roses, vor allem das Riff von „Underdogs“, das eindeutig „It’s So Easy“ nachempfunden ist. anderswo hört man ein paar Takte von „Sweet Child O‘ Mine“. Und Bradfield gibt das auch noch frech zu. „Slash war meine Inspiration. Steve Jones, Mick Jones. Stuart Adamson von den Skids und Slash – so cool wollte ich sein, ich kleiner weißer Valley boy. Hätte mir beinahe einen Zylinder gekauft!“
Das war jetzt ein Witz. Tatsächlich sind die Manics eine recht vergnügte Band, keine muffigen Weltverbesserer. Wire schreibt zwar immer noch Songs wie „Imperial Bodybags“ (über dem Tod geweihte US-Soldaten), will aber längst nicht mehr „den Leuten die eigene Meinung ins Gesicht rammen“. Zu oft hat er sich unbeliebt gemacht mit wirren Äußerungen, die gut gemeint waren, aber schlecht ankamen. „Jetzt bereue ich Kommentare über Glastonbury und Michael Stipe und solch idiotischen Kram, der ganz falsch rüberkam. Ich wollte etwas Konstruktives, Intelligentes sagen – und dann liest es sich wie die Schimpftiraden eines Verrückten.“
So kann es gehen, wenn man unvorsichtig ist. Als Bradfield beginnt, von der Freundschaft zwischen ihm, Wire und Schlagzeuger Sean Moore zu schwärmen, stoppt er sich selbst und verzieht das Gesicht: „Ich mag dieses Gerede von band of brothers und so nicht, es klingt immer peinlich und langweilig. Ich hasse es auch, wenn Betrunkene ihren Freunden in den Arm fallen und ‚I love you, mate!‘ lallen. Oder Silvester, all das Geküsse und die Liebesschwüre. Das sage ich sofort: See you next week!“
Nur eine Liebe gesteht er jetzt doch noch: die zu den Cardigans. Deren Sängerin Nina Persson singt bei „Your Love Alone Is Not Enough'“ mit – eine Ehre, findet Bradfield. Er hat sich 1996 bei einer Festival-Begegnung sogar ein Autogramm von Gitarrist Peter Svensson geholt. Die Manics, erklärt Wire später, schätzen Kollegen, bei denen es auf und ab geht, die gute und schlechte Platten machen. „Ich mag Fehler und Fehlschläge, menschliche Schwächen. Mir ist das lieber, als wenn eine Band immer nur das Richtige macht – wie Coldplay. Meine Lieblingsbands versagen auch mal oder verprellen ihr Publikum, indem sie sich unerhörte Freiheiten herausnehmen, wie The Clash mit ‚Sandinista‘. Das gilt für uns ja auch. Wir haben oft versagt. Man kann uns wirklich nicht vorwerfen, dass wir perfekt sind!“