Schnauze! Es wird laut!

Die Klangzauberer von Mogwai kehrten für ihr neues Album zu den Gitarrenepen ihres Debüts zurück, ohne sich in Klischees zu verstricken

Auf „A Day In The Life“ dachten die Beatles noch herrlich absurd darüber nach, wie viele Löcher es wohl braucht, um die Royal Albert Hall zu füllen. „Wie soll das gehen?‘ fragte neulich ein naiver junger Freund, „eine Halle mit Löchern füllen?“ Ganz offensichtlich sind die Zeiten für solche Hintersinnigkeiten vorbei. Egal. Wenn Mogwai zum Abschluß ihrer mehrmonatigen Europa-Tour im Sommer in der Royal Albert Hall aufspielen, ist ohnehin kein Platz mehr frei für Löcher. Die fünf klein gewachsenen Schotten werden die altehrwürdige Londoner Institution bis in die letzte Ritze vollpumpen mit ihrem gewaltigen Gitarren-Sound. So laut, intensiv und erhebend, daß selbst das letzte gedrechselte Stuhlbein vor ehrfürchtiger Freude vibriert. Bereits vor zehn Jahren, während einer Peel-Session, erregte sich der anwesende Ton-Ingenieur: „Das ist keine normale Band mehr, das ist ja, als würde man eine Sinfonie von Mahler aufnehmen.“

Nach dem homogenen, fast elektronisch klingenden letzten Album „Happy Songs For Happy People“ sind Mogwai mit dem jüngsten Werk „Mr. Brost“ wieder ein Stück zurück zu ihren Wurzeln gegangen, den von Sonic Youth und Moriccone beeinflußten Gitarren-Epen des 97er Debüts „Young Team“. Damals bemühten hilflose Musikjournalisten den Begriff Post-Rock, den sie – ohne zu wissen, worauf er sich ursprünglich bezog – rücksichtslos auf jede Musik anwandten, die sich dem Drei-Minuten-Strophe-Refrain-Format entzog. „Die englische Musikpresse hat damals alles was sie nicht verstand, in den Post-Rock-Sack gesteckt“, ärgert sich Stuart Braithwaite, Gitarrist und Ober-Mogwai, „wir verstehen uns definitiv als Rockband – auch wenn die Strukturen unserer Musik sehr viel mit Electronica und Dance zu tun haben.“

In den letzten Jahren experimentierte das Glasgower Quintett mit einer raffinierten lautleise-Dramaturgie, wie man sie auch von den Pixies oder den Spacemen 3 kennt: Auf einen fast unhörbar leisen Teil, voller Eisblumen-Klänge, strahlender Obertöne und einem gelegentlich zart gehauchten Gesang folgte in der Regel ein donnerndes Brausen und Aufbäumen in der Tradition von Godspeed You Black Emporer oder Blind Idiot God.

„Inzwischen ist diese Dramaturgie zum Klischee geworden, deshalb versuchen wir das nun zu vermeiden“, erklärt Stuart Braithwaite. Doch Schlagzeuger Martin Bulloch ergänzt lachend: .Andererseits ist es live immer ein großer Spaß: Wenn die Leute an einer leisen Stelle anfangen an zu reden, und dann plötzlich die Lärmkaskaden über ihren Köpfen zusammenschlagen, ist das wie eine Strafaktion: Haltet besser die Schnauze!“

Mit „Mr. Beast“ haben Mogwai ein spätromantisches Meisterwerk erschaffen. Ein schroffes Klanggebirge von atemberaubender Schönheit, durchzogen von hymnischen Melodien, umweht von einem wundervoll emotionalen Pathos. Und ständig passieren kleine musikalische Wunder: „I Chose Horses“ wird geflüstert von Tetsuya Fukagawa, dem Sänger der japanischen Hardcore-Gruppe Envy. Ein beruhigender Zen-Garten in hochdramatischer Umgebung. Einen etwas überraschenden Gastauftritt an den Keyboards absolviert auch der „Moulin Rouge“-Komponist und Madonna-Arrangeur Craig Armstrong.“Mr. Beast steckt voll raufregender Widersprüche und ist dabei sehr, sehr laut. Das ist vielleicht nichts für Beatles-Fans und das Stammpublikum der Royal Albert Hall. Aber eine kühnere Rockplatte hat es in diesem Jahr noch nicht gegeben.

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