Daptone – Schmutzig, kantig, anrüchig
Lange galt das Brooklyner Label Daptone als eine Angelegenheit für Sammler und Spinner. Die Hausband – ganz retrochic „Dap-Kings“ genannt – wurde als ein Haufen Nerds belächelt, die nicht wahrhaben wollen, dass James-Brown-Gitarren, Stax-Bläsersätze und congagetriebener Funk doch längst passé seien, niemand mehr im Computerzeitalter ihre schwitzige Handarbeit hören wolle. Und dann? Die Dap-Kings spielen eine Hälfte des legendären Amy-Winehouse-Albums „Back To Black“ ein und haben danach einen verdammt vollen Terminkalender. Als Gäste: von David Byrne bis zum Wu-Tang Clan. Aber auch im Hinterhof-Studio in Brooklyn, in dem sie einen Gegenentwurf zum schwarzen Hochglanz-Pop von Beyoncé & Co. durch ihre Röhrenverstärker jagen.
Mittlerweile kreist ein ganzes Dutzend mehr oder minder personell verflochtener Satelliten-Bands um die unscheinbare Daptone-Kommandozentrale: Außer den Dap-Kings noch die von äthiopischem Funk geprägten Budos. Die Afrobeat-Combo Antibalas. Die Sugarman 3. Oder die von Jay-Z gesampelte Menahan Street Band. Ihre Musik hat einige unerhörte Soulstimmen in die Gegenwart katapultiert: Charles Bradley, Naomi Shelton, Lee Fields. Oder die trotz unmainstreamiger Optik – „zu klein, zu fett, zu schwarz“ – ziemlich erfolgreiche Soul-Shouterin Sharon Jones. Deren Gospel-Organ plus die geballte Präzision der Dap-Kings füllt weltweit die gro-ßen Hallen, Jones‘ Alben gehören zu den erdigsten Aufnahmen seit dem Ende der J.B.’s. Klar: Wo Daptone draufsteht, da kratzt es vintage – mit Hammondorgeln, Wah-Wah-Gitarren und satten Bläsersätzen. Den Vorwurf aber, dass man der Vergangenheit nachjage, sein Glück in alten Formeln suche, lässt Daptone-Boss Gabe Roth nicht gelten: „Retro ist ein Trend. Old School ist eine Einstellung. Es geht darum, den Soul so zu machen, wie er sein sollte: schmutzig, kantig, anrüchig!“