Schattenspiele im Swingerclub: Veto live
Am Samstag spielten Veto in Berlin. Sie betörten jeden Einzelnen im Saal.
Mit einem HipHop- und R&B-Label fing alles an. Dieses veranstaltete den Debütanten-Ball zu „There Is A Beat In All Machines“ im Jahre 2006 recht unauffällig: Die Elektrobeats glimmerten nicht hell genug, die Stromgitarre war einen Takt zu schüchtern, und der Sänger musste seine Hauptrolle noch ein wenig ausschmücken. Irgendetwas verhagelte Veto die Sicht. Die besangen das recht ungeniert im Eröffnungstrack, als man brabbelte: „Can you see anything now//My vision is blurred out somehow“. Und wie das so ist, mit bescheidenen Seelen und dunklen Gewässern; Beachtung wurde ihnen trotzdem geschenkt. Niemand mag schließlich Anbiederer.
Acht Jahre später merkt man als Zuschauer bei ihrem Konzert in Berlin davon aber auch nicht mehr das Mindeste: Mittlerweile bei einem Major angekommen und auch gehalten, zelebriert die Band vor allem sich selbst, ist dabei jedoch nicht wählerisch. Alle dürfen mitmachen.
So stimmen die Dänen für ihre Party recht wagemutig einen Track aus dem neuen Album (oder der Doppel-EP, wie es beliebt) „Sinus Point Break“ an. „Hidden Laws“ ist so draufgängerisch wie Veto dieser Tage. So erzählt Troels Abrahamsen munter davon, dass sie diese Woche schon zum zweiten Mal ein unerfreuliches tête-à-tête mit der deutschen Staatsgewalt hatten. Wenn’s denn stimmt, vielleicht will er auch nur sein Bad-Boy-Image weiter polieren. Den Zuhörern ist das egal, die feiern den schaukelnden Beat, den man nicht im Geringsten schüchtern um die vor Aufregung geröteten Ohren der Menge peitscht.
Den Small-Talk hätte man bei Veto recht schnell hinter sich gelassen, und so schnorrt Abrahamsen bei „Battle“ einem ins Ohr: „When the Morning Comes// When the Morning Comes// I’ll be on your Side.“ Seien wir mal ehrlich: Man wäre auch noch da. Und anders als bei der Fortsetzung im Songtext verbringt die Menge den Abend nur allzu gerne mit Veto, um ausgelassen bei deren großartig getimten Setlist anwesend zu sein.
Während in Zeitlupe – fast wie in einer Szene aus „Inception“ – alles um sich herum unter wütenden Sythnesizer-Gepresche und den dominanten Drums zusammenbricht, werfen sich die gigantischen Silhouetten der Musiker rechts an die Wand. Mit butterweichem, verhalltem Timbre von Abrahamsen geleitet die Band durch den Sturm.
Durchsprenkelt wird er ausschließlich von der Disco-Kugel, die über dem Geschehen im Berliner Lido baumelt. Nur allzu gut passt sie ins Bild, das der Sänger bei einer seiner Ansagen selbst vor dem geistigen Auge hervorruft: Als die Dänen zum ersten Mal vom Namen des Etablissements erfuhren, assoziierten sie diesen sofort mit einem Swinger-Club. Wäre es einer, würden es Veto mit Modeselektor und Depeche Mode treiben. Von der Vorliebe dafür merkt man spätestens etwas, als sie „Esc“ anstimmen.
So gefordert machen Veto weiter, bis sie bei der ersten Zugabe den Overkill liefern: Ein Cover von Phil Collins „In The Air Tonight“. Nicht lachen, bitte. Der Song wurde ungelogen sicherlich nie besser interpretiert. Und auch, wenn sich Einige durchaus bewusst sind, dass die Band hier mit allerhand Nostalgie mit dem Publikum spielt, wird man dennoch von der Stimmung mitgerissen: Während Drummer Mads Hasager im Intro mit präziser Sanftmut auf seine TomTom schlägt, zieht Abrahamsen alle Register, die Pop so bietet, so dass es jedem einzelnen Gänsehaut-Schauer über den Rücken jagt.
Verschwenderisch, wie man als Konzertgänger dann einfach ist, bettelt man nach mehr. Gibt es dann auch, mit „Built To Fall“. Dann ebbt der letzte Ton ab, und Veto verlassen siegessicher die Bühne.
Mit glänzenden Augen kommentiert das ein Mädchen neben mir aufgelöst: „Sie haben wirklich „You Are A Knife“ gespielt.“ Köpfe verdrehen können die Jungs also am Ende doch.