Der RS-Fragebogen mit Willy Vlautin
In „Nacht wird es immer“ erzählt Willy Vlautin die Geschichte der End-Zwanzigerin Lynette im gentrifizierten Oregon. Der ehemalige Richmond Fontaine-Songwriter hat dem ROLLING STONE exklusiv 13 Fragen beantwortet.
Willy Vlautin war zwischen 1994 und 2016 der Songwriter der Americana-Band Richmond Fontaine und glänzte auf elf Studioalben als lakonischer Storyteller in der Tradition von Hard-Boiled-Autoren wie Raymond Chandler und Dashiell Hammett. Kein Wunder, dass er irgendwann begann, Romane zu schreiben. Schon der erste, „The Motel Life“ von 2005 war ein Erfolg bei Kritik und Publikum. In seinem aktuellen Roman „Nacht wird es immer“ (Berlin Verlag, 25 Euro) erzählt er von der End-Zwanzigerin Lynette, die versucht, ihr Leben trotz schwerer Kindheit und psychischer Probleme in den Griff zu bekommen und sich im boomenden (also stark gentrifizierten) Portland/Oregon zu behaupten. Ein eindrucksvolles Familiendrama, das zugleich eine Gesellschaft zeigt, in der der amerikanische Traum für die unteren Schichten zum Albtraum wird.
Was war Ihr letzter Ohrwurm?
„Johnny Yuma“ von Nora Orlandi.
Wann haben Sie zum letzten Mal ein ganzes Album durchgehört? Und welches?
Irma Thomas: „In Between Tears”
Welchem (relativ) unbekannten Album wünschen Sie ein größeres Publikum?
Candi Staton: „I’m Just a Prisoner“
Welche(r) Musiker*in wären Sie gern gerne mal für einen Tag? Und in welcher Phase ihrer/seiner Karriere?
Tom Waits in der „Swordfishtrombones“-Ära. Mannomann, das wäre cool.
Welchen von jemand anderem komponierten Song hätten Sie gern selbst geschrieben?
Bruce Springsteens „Atlantic City“ oder „Losing You“ von Randy Newman.
Angenommen Sie hätten einen Roman mit einer/einem wirklich abgrundtief bösen Protagonistin/Protagonisten geschrieben – welche Musik würde die/der hören?
Lawrence Welk
Was war das letzte richtig gute Buch, das Sie gelesen haben?
Ich habe gerade nochmal „Kestrel For A Knave“ von Barry Hines gelesen und es wieder sehr gemocht.
Welche literarische Figur hätten Sie gern als Freund*in?
Doc oder Mac aus John Steinbecks „Straße der Ölsardinen”.
Welchem Buch wünschen Sie mehr Leser*innen?
„Roy’s World“ von Barry Gifford.
Welchen literarischen Klassiker haben Sie nicht zu Ende gelesen und warum?
„Schall und Wahn” von William Faulkner. Ich habe die Hälfte davon in meinen Zwanzigern gelesen, aber ich habe den ganzen Tag hart mit den Händen gearbeitet und jeden Abend, in dem ich es gelesen habe, bin ich eingeschlafen. Schließlich ging ich zur Universität und fragte ihren leitenden Englischprofessor, was mit mir los sei und er sagte: „Ha, ich werde dafür bezahlt, so etwas zu lesen!“
Wie organisieren Sie Ihr Bücherregal?
Ich sortiere meine Hauptsammlung alphabetisch, aber neben meinem Bett lagere ich meine sieben oder acht Lieblingsbücher ungeordnet. Ich behalte diese Bücher als Glücksbringer direkt neben mir.
Welches Buch in Ihrem Bücherregal würde uns überraschen?
Ich glaube nicht, dass es etwas Überraschendes gibt. Ich mag so viele Dinge. Ich bin kein literarischer Purist. Ich denke, Liebesromane, Western, Science-Fiction, Fantasy, Mystery und Thriller haben alle ihren Platz in der Welt.
Wie würden Sie einer/einem Freund*in Ihren neuen Roman beschreiben?
Ich würde ihnen sagen, es ist ein Roman, in dem sich die Wirtschaft deiner Stadt verändert hat, du selbst dich aber nicht. Du gehst immer noch zu Fuß, aber es scheint, als ob alle anderen irgendwie ein schönes Auto fahren. Wie bekommt man das schöne Auto? Hast du etwas verpasst? Warum verdienen die Leute so viel Geld, aber du nicht? Panik und Sorge und Unsicherheit. Ein Roman über die Auswirkungen von Gier und Gentrifizierung auf eine Arbeiterfamilie.
„Nacht wird es immer“ erschien im Berlin Verlag.