Ryan Adams: Tonhalle, München
Mit den Cardinals kämpft sich Ryan Adams durch einen denkwürdigen Abend
Ryan Adams hat die Ärmel hochgekrempelt, aber er verweigert erst mal die Arbeit. Ein „frontman“ will er heute nicht sein, bloß ein Sänger. Die Halle ist bestuhlt, und alle bleiben artig sitzen. Kneifen nur die Augen zusammen, denn die Bühne ist in fahles Licht getaucht; mehr als die Umrisse der Musiker erkennt man in den hinteren Reihen kaum. Zudem hält Adams einen großen Sicherheitsabstand zum Rand. Der Rest der soliden, aber recht statischen Cardinals eignet sich auch nicht zum Bestaunen, also rufen alle erleichtert „Ah!“, als zumindest ein Sternenhimmel im Hintergrund erscheint.
Ein Segen, dass Ryan Adams so wunderbare Songs hat, die notfalls auch ohne Show auskommen. Er fängt an mit „Goodnight Rose“, geht für den „Rescue Blues“ ans Piano, nimmt aber erst bei „Cold Roses“ und „Everybody Knows“ richtig Fahrt auf. Zwischen den Stücken entstehen quälend lange Pausen. Adams murmelt nur einmal etwas Unverständliches, weit weg vom Mikro, und dann: „Thank you for your patience.“ Wäre die Band nicht schon ewig auf Tour, fände man solche Ungeschicklichkeiten vielleicht charmant. Aber so wundert man sich doch, warum in der ersten Stunde nichts recht zusammengeht. Und dann sagt Ryan Adams: Wir machen jetzt eine Pause und kommen nachher akustisch zurück. Eine Pause. Rock’n’Roll!
Danach ist allerdings vieles besser. Adams sitzt in einem zumindest halbwegs hellen Lichtkegel und kündigt „tons more depressing songs“ an, erzählt von Schneemännern und singt ohne falsche Bescheidenheit die schönsten neuen Stücke, „Two“ und „I Taught Myself How To Grow Old“, anschließend, wie ein wuchtiges Mantra. „Nightbirds“. Alle sind versöhnt, auch wenn es bei mühsamen Unterbrechungen bleibt („Just a second, we don’t have any monitors“, ist die prosaische Erklärung). Bald verschwindet die Band, Adams bittet um Ruhe, damit er sich konzentrieren kann – und spielt „Oh My Sweet Carolina“ mit so viel Leidenschaft, als wäre es das erste Mal. In solchen Momenten ist es wieder ein Glück, dass es bei diesem Typen keine Routine gibt, auch jetzt nicht, da er nüchtern ist. Vielleicht ist das auch sein Problem: dass er sich nun entscheiden muss, wo es hingeht, statt einfach vor sich hinzutorkeln. Offensichtlich fühlt er sich im akustischen Rahmen – mit den Bandkumpels zusammensitzend oder auch allein – wohler als beim Versuch, der Mittelpunkt einer Rockband zu sein. In den Monaten auf Tour habe er alles verloren bis auf das Hörvermögen im rechten Ohr, behauptet er keck, aber die Frage ist doch: Was hat er gewonnen? Man sollte meinen, bei so viel Talent als Songschreiber gäbe es Selbstvertrauen als Performer kostenlos dazu. Nach „The End“ winkt Ryan Adams noch einmal in die Menge und schüttelt leicht den Kopf. Als würde er sich immer noch wundern, dass die alle seinetwegen da sind.