Rückblick 2024: Warum Coldplay auf dem Holzweg sind

Coldplay wollen offenbar mit „Lalalas“ die Welt vereinen. Fallen Chris Martin keine Texte mehr ein?

Jemand hat sich die Mühe gemacht zu zählen, wie viele „Lalalas“ auf dem neuen Coldplay-Album, „Moon Music“, vorkommen. Es sind 384. Die meisten in „Good Feelings“ (110), „One World“ (95) und „We Pray“ (84).

Allein die Songtitel verraten ja schon Chris Martins Ansinnen: Er möchte, dass es uns gut geht, wir uns in Liebe und Frieden vereinen und eine bessere Welt schaffen. Total dafür! Aber seine Behauptung, all die „Lalalas“ seien bewusste Leerstellen, die das Publikum bei den Konzerten auffüllen darf – sorry, das ist doch eine lahme Ausrede von jemandem, der sich keine sinnvollen Texte mehr ausdenken kann.

Natürlich singen alle bei Konzerten gern mit, es ist das Schönste, sich mit Tausenden von anderen Fans zu verbinden und dieses Gemeinschaftsgefühl zu spüren – aber Bono, Bruce Springsteen, Michael Stipe: denen ist es trotzdem immer gelungen, sich ein paar leicht mitsingbare Zeilen dafür auszudenken.

Coldplay wollen nur noch Karaoke-Band sein

Coldplay haben sich also vom Anspruch, Kunst zu erschaffen, endgültig verabschiedet. Sie liefern nur noch Mitmachmaterial. Das unterscheidet sie von den anderen Live-Giganten dieser Tage. Man muss Taylor Swifts Texte nicht mögen, aber sie schreibt immerhin welche. Und Adele hat bei ihren zehn Mega-Konzerten in München gezeigt, wie man selbst auf so einer Riesenbühne den Fokus eindeutig auf die Musik legen kann, nicht auf das Brimborium drum herum. (Die Umweltverschmutzung, die solche Pop-up-Stadien mit sich bringen, sollte allerdings nicht verschwiegen werden, und über die horrenden Ticketpreise haben wir ja schon häufiger berichtet – auch da ist es also noch ein weiter Weg zur Weltverbesserung.)

Wenn Chris Martin seine Auftritte jetzt nur noch als Großereignisse für die ganze Familie sieht (die danach freilich arm ist), als Happenings, in denen er keine entscheidende Rolle mehr spielt: Warum lässt er dann nicht gleich billige Avatare um die Welt reisen, für die es gar keinen CO2-Ausgleich braucht? Diese angebliche Bescheidenheit ist doch Quatsch: Natürlich wollen wir Rockstars auf der Bühne sehen, wir wollen Menschen bejubeln, die uns wunderbare Musik schenken und im besten Fall auch noch etwas Hofnung in diesen Zeiten. Dafür müssen sie nicht so tun, als wären sie auf Augenhöhe mit dem Publikum – als Menschen sind sie das natürlich, als Performer nicht.

Da ist es im Vergleich ja fast angenehm, sich jetzt schon die Oasis-Reunion-Konzerte 2025 vorzustellen: Liam Gallagher wird arrogant wie eh und je hinterm Mikrofon stehen, Noel unbeteiligt daneben. Keine Konfettikanonen, kein oberfächliches Kuschelgefühl. Ein paar „Lalalas“ haben Oasis allerdings auch (in „All Around The World“ und „I’m Outta
Time“ zum Beispiel). Aber Noel Gallagher hat wenigstens nie behauptet, dass dahinter ein cleverer Gedanke steht. Ihm fällt manchmal einfach nichts anderes ein. Fair enough!

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