ROOTS
Rodrigo Leão Songs (2004-2012) ****
Ian McCulloch Holy Ghosts ***
James Skelly & The Intenders Love Undercover ***1/2
Nachtzug nach Lissabon: Als die Gruppe Madredeus durch einen Film von Wim Wenders populär wurde, verließ Rodrigo Leão das gefühlige Ensemble und arbeitet seither allein. Das ist immerhin 20 Jahre her, und in Portugal, so lesen wir, ist Leão eine Berühmtheit mit Nummer-eins-Alben und so weiter. Uns wird der Komponist und Arrangeur nun mit „Songs (2004 – 2012)“ vorgestellt, einer Anthologie von herrlich eklektischen Orchestersongs, die er mit anderen Künstlern geschrieben hat, die sie auch singen. Die anderen Künstler sind immerhin Beth Gibbons, Stuart Staples, Scott Matthew, Neil Hannon und Joan As Police Woman. Den sehnsuchtsvollen Tango „Lonely Carousel“ singt die unvergleichliche Beth Gibbons mit manierierter, versammelter Glut; Neil Hannon war lange nicht mehr so schön zu hören wie mit dem Scott-Walker-Pastiche „Cathy“; Sonia Tavares singt die Swing-Stücke „Deep Blue“ und „Happiness“ dicht am Easy Listening und Schlagerhaften. Scott Matthew wird bei „Terrible Dawn“ zum großen Melodramatiker, und Stuart Staples -mit den Tindersticks sozusagen Erfinder des britischen Fado -murmelt sich schwerzüngig durch „This Light Holds So Many Colors“. Nur die Amerikanerin Joan Wasser ist bei „The Long Run“ spürbar zu weit out of area und im Torch Song nicht recht erprobt: Ihr fehlt es an Bravado und großer Geste. (Éter)
Vor 30 Jahren erschien das Album „Porcupine“ und machte Echo &The Bunnymen populär, die Band mit den verhangenen, feierlichen Songs aus Liverpool. Einige der großen Lieder dieser Melancholiker hat ihr Sänger Ian McCulloch nun noch einmal aufgenommen -bei einem Konzert mit „Orchestral Reworks“ in der Union Chapel in London. In der wunderbar lichtdurchfluteten, gar nicht pompösen Kirche spielten bereits so unheilige Songschreiber wie Lucinda Williams, Randy Newman und David Byrne -und auch McCulloch trägt hier trotz Streichern und Bläsern keinen Schwulst auf, sondern lässt die Songs in losen Arrangements atmen. Aber halt: All diese Instrumente waren in der Kirche gar nicht anwesend, und im Booklet liest man anstelle von Musikernamen „Programming and keyboards by Youth“. McCullochs neues, viertes Album folgt sogleich als zweite CD von „Holy Ghosts“ und heißt unglücklicherweise „Pro Patria Mori“, als wäre er jetzt Mitglied von Nightwish oder Unheilig. Aber die vertraute Stimme singt wieder etwas larmoyante, sehr elegische Songs, die ohne Will Sergeants Kavallerie-Gitarre manchmal zu lethargisch und schwülstig geraten. (Edsel/Soulfood)
The Coral betrieben ein Jahrzehnt lang die Retro-Glorifizierung der britischen Popmusik: Konsequenter noch als zum Beispiel Richard Hawley und Geraint Watkins spielte die Band Merseybeat und Schmachtballaden in riesigen Hallräumen und nahm damit Jake Bugg vorweg. Ihr Gitarrist James Skelly hat jetzt ein Album aufgenommen, das im Sound wiederum das Jahr 1962 evoziert; die Songs sind stärker am Rhythm & Blues amerikanischer Prägung als am Pop orientiert und mit Bläsern aufgerüscht, die Hammondorgel heult -und wenn Skelly den Shouter gibt wie bei „Do It Again“, dann erinnert nicht nur sein Gesang an John Fogerty und Creedence Clearwater Revival. „Love Undercover“ ist eine zutiefst nostalgische, melodieselige Platte -aber in ihrer Detailversessenheit und Beschränkung auf die Topoi des Soul auch sehr sympathisch.(Cooking Vinyl)