Ron Sexsmith – Hamburg, Knust
Wie oft sollen wir es noch sagen? Dieser Mann ist, nun ja: ein Riesentalent.
Es muss schön sein für einen Songschreiber, wenn die großen Helden dem eigenen Werk Verehrung zuteil werden lassen. Kaufen kann sich Ron Sexsmith dafür immer noch nicht viel. Keine Band samt Bläsern jedenfalls, die das aktuelle Material originalnah auf die Bühne bringen könnte.
Derlei Überlegungen liegen an diesem letzten November-Montag in Hamburg noch näher als ohnehin schon. Denn nur wenige Kilometer weiter nordwestwärts hämmert etwa zur gleichen Zeit der bekennende Sexsmith-Fan Elton John zwecks Arena-Entertainment in die Tasten seines roten Pianos, während dem scheuen Kanadier im Rüschenhemd vor halbgefülltem Knust nur die bewährte exit strategy-Selbstironie bleibt.
Neben den neuen Songs, verkündet Sexsmith, habe man natürlich auch „alle Hits, mit denen ihr aufgewachsen seid“ im Programm. Und stürzt sich sogleich in den vergleichsweise fröhlichen foottapper „Poor Helpless Dreams“, um dem ewigen Spiel der Illusionen einfach frech ins Gesicht zu lachen.
Immerhin reicht das Tour-Budget für zwei Musiker an seiner Seite. Ein Kompromiss, gewiss, aber einer, der erfreulich selten nur danach klingt. Gut, bei .Jazz At The Bookstore“ bleibt trotz aller Bemühungen von Bassist Jason Mercer der rechte R&B-Drive auf der Strecke, und auch „Whatever It Takes“ hebt leider nicht so schön ab, wie es eigentlich könnte — und auch sollte. „He’s doing everything I can afford with his pedals“, stellt Sexsmith Gitarrist Tim Bovaconti zu seiner Linken vor. Nicht nur mit den Pedalen! „Seem To Recall“, der einzige Rückgriff auf „Whereaboats“, funkelt im sanften Vibrato seiner semiakustischen Gibson. Und „Tomorrow In Her Eyes“, vom vergleichsweise ausführlich bedachten „Retriet’er“-Album, schwebt auf seinen Slide-Licks statt auf Streichern.
So biegt dieser Liederabend der gehobenen Klasse mit „Brighter Still“ und „Imaginary Friends“ langsam in die Zielgerade, und der Schweiß, den auch Sexsmith nun sichtbar vergießt, steht im eigentümlichen Kontrast zu seiner unaufgeregt-verlegenen Performance, die zwischendurch immerhin mit einer eine fast saftigen Nashville-Anekdote aus der Dolly Parton-Suite angereichert wurde. „Secret Heart“, „This Is How I Know“, schließlich das wundervolle „Gold In Them Hills“ als dickstes Trostpflaster – je mehr die Zuneigung der Zuschauer wächst, desto schneller zählt Sexsmith den nächsten Song ein, scheint es ihn in seine Garderobe zu treiben. Von wo er dann aber für eine hartnäckig erklatschte zweite Zugabe auf die Bühne zurückfindet und — auf Zuruf! — tatsächlich „Never Give Up“ spielt. Sie wissen schon, einer von diesen Hits, mit denen…
Später gibt Sexsmith sogar noch Autogramme. So viel Volksnähe hätte man ihm gar nicht zugetraut.