Romantik, richtig verstanden: So viel Glückseligkeit wie bei ELEMENT OF CRIME gibt es selten
Auf beeindruckende Ansagen wird man hier verzichten müssen, das steht gleich nach „“Narzissen und Kakteen“, dem ersten von vielen wunderbaren Songs, fest. Sven Regener weiß nicht so recht, was er erzählen könnte. Was soll man auch immer sagen? „“Der nächste Song heißt..“, das muss reichen. Hin und wieder mit ausgebreiteten Armen ein ironisches „“Romantik!“, „“Vielen Dank“ auch. Der Rest ist Musik. Warum Zeit verschwenden, wenn diese Lieder doch alles sagen?
Alles über Liebe und Hass jedenfalls, über Hoffnung und Verzweiflung. Wenn das schon alles wäre! Regener mag seine Texte für überschätzt halten, aber das ist natürlich Unsinn. Freilich sind Element Of Crime mehr als Lyrik: Die Musik changiert auch heute abend zwischen ergreifender Melancholie und einer merkwürdigen Euphorie, die selbst die trägeren Songs erfasst. Die fünf spielen zusammen, als täten sie tagtäglich gar nichts anderes, dabei ist dies doch der Tournee-Auftakt. So unterschiedlich diese Männer aussehen – und sie sehen grotesk unterschiedlich aus -, so gut scheinen sie sich zu verstehen. Und sie verstehen sich auf die Kunst der Kürze. Kein einziges Lied ist auch nur eine halbe Minute zu lang, immer wünscht man sich am Ende eher noch mehr.
Man mag – wie ich – Trompeten ein Leben lang verachtet haben, plötzlich liebt man sie und weiß gar nicht, warum eigentlich. Vielleicht, weil Regener sie nie überstrapaziert Oder weil bei Element Of Crime sowieso alles anders ist als bei allen anderen Bands. Wer nie verstanden hat, was an Berlin so toll sein soll, muss nur „“Alle vier Minuten“ und „Jung und schön“ (auch noch nacheinander!) hören – und sehnt sich sofort nach einem Spätsommer in der Hauptstadt. Seltsam.
Männern, die einfach nicht wissen, wie man denn mal eine Liebeserklärung machen könnte, ohne kitschig zu klingen oder lächerlich, denen sei gesagt: Hören Sie dem Regener zu! Hören Sie „“Du hast die Wahl“ und „“Seit der Himmel“. Dann wissen Sie, wie es geht. Mutige mögen sich an „“Das alles kommt mit“ orientieren – aber da muss man schon fortgeschrittener sein, um das unpeinlich bringen zu können.
Wer so wie Regener auf der Bühne steht, der kann es sich natürlich auch erlauben, solche Texte zu singen. Oft zieht er eine Schulter hoch, legt den Kopf schief, hampelt hin und her. So konterkariert die Erscheinung die Poesie des Gesungenen und verhindert, dass das Theatralische zum Manierierten wird oder zur Schauspielerei.
Dabei klingen Element Of Crime ohnehin rauer als früher, Regener raucht halt viel und jünger wird er auch nicht. „“Wie alt ist der?“ fragt ein Mädchen neben mir und erschrickt. Aber nur, bis der nächste Song beginnt, dann ist sie wieder hingerissen. Vielleicht heißt sie Michaela. „“Die sind einfach irgendwie einmalig“, sagt sie am Ende und fasst so alles zusammen.
Vier Zugaben müssen Element Of Crime geben, und sie tun es gerne. Ist ja schließlich das erste Konzert einer langen Tournee, wer wollte sich da schonen? Sie holen den „“Vorschlaghammer“ raus und geben auf vielfachen Wunsch (immer diese Dazwischenplärrer) doch noch „“Schwere See“ zum Besten, gottlob nicht in Englisch. Irgendwann muss man dann nach Hause gehen, Regener gibt einem ein „“Tschüß, macht keinen Scheiß!“ mit auf dem Weg. Draußen ist es plötzlich gar nicht mehr kalt.