Rolling Stones: Das dachte Charlie Watts über Oasis und die Stones-Vergleiche
Watts mochte Oasis. Aber: „Viele ihrer Platten klingen eher wie Beatles-Outtakes, und damit hätte ich auf Dauer schon ein Problem.“
Charlie Watts galt nicht nur als essentielles Mitglied der Rolling Stones, er war auch einer der besten Schlagzeuger aller Zeiten. 1995 traf ROLLING STONE den Drummer zum ausgiebigen Interview. Im Gespräch hört Watts aus dem Nebenzimmer Radiomusik: Oasis. Sein Fuß fängt unmerklich an zu wippen. Schnell dreht sich das Interview auch um die Gallagher-Brüder, Epigonen der Stones – und der Beatles.
Ist das ein Reflex oder magst Du diese Musik? „Oh, ich mag sie. Das sind Oasis. Sie haben einen guten Drummer (lacht). Nun ja, mein Gehör ist gewissermaßen darauf geeicht. Sein Gefühl für die Becken ist gut entwickelt, auch wenn er viel zu laut spielt, aber das trifft praktisch auf alle neuen Bands zu. Mich beeindruckt, wie Oasis zusammenspielen, allerdings klingen viele ihrer Platten eher wie Beatles-Outtakes und damit hätte ich auf Dauer schon ein Problem.“
Die alte Rivalität zwischen den Beatles und den Stones wird gern als Vorbild hingestellt für die Fehde zwischen Oasis und Blur. Gibt das Deiner Meinung nach Sinn? „Nein, das ist fabriziert. Ein Marketing-Schachzug, der aber offensichtlich seinen Zweck erfüllt.“
Das klingt, als hättest Du Verständnis dafür. „In gewisser Weise schon. Es ist ja immens schwer für junge Bands mit Gitarren, Bass und Schlagzeug. Was auch immer sie machen, es war schon mal da. Entweder werden sie mit uns verglichen oder mit The Clash oder mit The Who, was immer. Ein Sänger muß sich doch nur ein bisschen bewegen können, dann beschuldigen ihn alle, Mick zu imitieren. Wir hatten es da noch erheblich leichter. I mean, we just did it. Unsere Vorbilder waren ja Blues-Sänger, die zum Teil schon unter der Erde waren, oder alt und grau. Keiner wäre damals auf den Gedanken gekommen, uns als einen Abklatsch von Jimmy Reed zu bezeichnen.“
„Oasis wollen ja nicht mich beeindrucken, sondern ein sehr junges Publikum“
Vermutlich, weil die meisten darüber einfach nicht Bescheid wußten. „Absolut, das kam noch hinzu. Sogar in Amerika waren Elmore James oder Howlin‘ Wolf nicht gerade Namen, die den Leuten geläufig waren. Viele glaubten allen Ernstes, wir hätten diese Musik kreiert. Mit einer derartigen Ignoranz können junge Bands heute nicht mehr rechnen. Ihre Quellen liegen doch offen zutage.“
So sehr die Musik von Oasis Beatles-beeinflußt ist, so offenkundig geht ihre Attitüde und ihr flegelhaftes Benehmen auf das Beispiel der Stones zurück. Fühlst Du Dich verantwortlich? „Nein, aber es gefällt mir schon. Bis zu einem gewissen Punkt. Doch was immer sie sagen oder tun, es ist nicht an meine Adresse gerichtet. Oasis wollen ja nicht mich beeindrucken, sondern ein sehr junges Publikum. Das scheint ihnen ganz gut zu gelingen. Immer noch besser als diese einförmige, choreographierte Dance Music.“