ROLLING STONE und Generation Riesling: TASTING, TALK & MUSIC im Venue Berlin
Zwei Winzer und eine Musikschaffende diskutierten im Venue Berlin zum Thema WEIN & MUSIK: Wo liegen die Parallelen zwischen der kreativen Arbeit des Songschreibers und jener des Winzers, gibt es Synergie-Effekte, welchen Wein trinken Musiker zur Inspiration und welche Musik hören Winzer bei der Arbeit?
Eine Frau mit Krönchen und einem Strauß vertrockneter Rosen in der Hand, Gesicht und Kleid verschmiert mit etwas, das wie getrocknetes Blut aussieht: Das ist nicht die Weinkönigin aus dem Rheingau, sondern die Musikern Laura Lee von Gurr. Sie ist am Abend von Halloween zu „Tasting, Talk &, Music“ gekommen, um Süßes und Saures (im richtigen Maß!) zu trinken – und als Zeugin für den kreativ anregenden Weingenuss.
Auf den Moderator Torsten Groß sogleich verweist: Kaum eine geistige, kreative, kontemplative Beschäftigung, bei der ein anderes Getränk assoziiert werde als Wein. Auf der Bühne sitzen zwei junge Winzer der Generation Riesling, die das bestätigen können: Kathrin Otte vom Weingut Mehling und Marius Dillmann vom Weingut Dillmann. Beide Entrepreneure betreiben ihr Geschäft mit musikalischer Unterstützung: Otte erzählt, dass in den Kellern des Weinguts große Boxen aufgestellt sind, aus denen laut Musik tönt. Marius Dillmann weist darauf hin, dass es sich um eine harte körperliche Arbeit handelt – auf dem Traktor hat er als Antrieb meistens Musik im Ohr.
Nach einer Ausschreibung des Deutschen Weininstituts, so erzählt Kathrin Otte, bestellten die Fantastischen Vier einen Riesling von ihrem Weingut, der ihnen besonders gut gemundet hatte, als kulinarische Grundausstattung für ihre Tournee. In Köln begegnete Otte schließlich den Musikern. Die Winzerin hat das Weingut von ihren Eltern übernommen, nachdem sie zunächst Radiojournalistin werden wollte – man merkt das, wenn sie eloquent davon erzählt, wie sich die Winzerei gewandelt hat, dass beim Weingut Mehling die Trauben von Hand geerntet werden, dass auf den Zusatz von Hefe verzichtet wird und die Vermarktung anders ist als bei den Altvorderen – dass, kurzum, die Natürlichkeit des Weins („mit Ecken und Kanten“) die Maxime ist.
Marius Dillmann, der das Traditionsweingut mit seinem Bruder Marcel betreibt, ist im Rheingau auch als DJ (Dillmanski) bekannt, der elektronische Musik auflegt; er lebte zehn Jahre in Mainz und studierte Sportwissenschaften, bevor er den elterlichen Betrieb übernahm. Dillmann, angetan mit einem Popeye-Hut, erinnert sich der Worte seines Großvaters: Bei der Winzerei kehren die Methoden zyklisch nach etwa 30 Jahren wieder. Sehr viel sei heute nicht anders, von Fragen der Nachhaltigkeit und des Images abgesehen. Und manche altertümliche Technik hat Dillmann übernommen: So transportiert er Wein noch immer gern im Holzfass, obwohl ein Fass ordentlich teuer ist. Haptik bedeutet auch Geschmack.
Violetta Zironi: falbelhaft zarte, introspektive Lieder zur elektrischen Gitarre
Dass der deutsche Wein – insbesondere der Rotwein – nicht bloß im Image, sondern auch in der Qualität gewonnen habe, wendet Torsten Groß ein. Kathrin Otte spricht nun mit ansteckendem Enthusiasmus von der Leidenschaft fürs Weinmachen – und Begriffe wie „cool“ und „geil“ fügen sich wie selbstverständlich in das Vokabular von Hang und Lage, das manchmal als verzopft bespöttelt wird. Nebenbei: Kathrin Otte traf bei einem Festival die von ihr bewunderten amerikanischen Hip-Hopper Cypress Hill – auch ein Hang! Die lädierte Halloween-Prinzessin Laura Lee konzediert, dass sie hinter der Bühne (und manchmal auch sonst abends) gern einen Weißwein trinkt. Und Torsten Groß hat bereits ein Glas ungewöhnlich guten Rotweins aus den Beständen von Marius Dillmann in der Hand.
Zum Ausklang des Abends singt die italienische Songschreiberin Violetta Zironi einige falbelhaft zarte, introspektive Lieder zur elektrischen Gitarre, dann am Keyboard. Sie lebe nun in Berlin, sagt Zironi, sie sei adoptiert worden. Der Geräuschpegel im hinteren Teil des Raums ist bedenklich weinselig, aber wer Violetta Zironi vor der Bühne zuhörte, der wird schwärmen: ein guter Oechsle-Grad von Empfindung und Anmut.