ROLLING STONE hat gewählt: Die 500 besten Alben aller Zeiten
Der deutsche ROLLING STONE hat ein neues Ranking der 500 besten Alben aller Zeiten aufgestellt
John Lee Hooker
It Serves You Right To Suffer
Impulse!, 1966
Auf seinem Album für das Impulse!-Label spielte John Lee Hooker mit einem Jazztrio, was den eigenwilligen, naturgewaltigen Sänger und Gitarristen nicht weiter störte. Im grandiosen Titelsong ließ er sich mit federndem Beat von Panama Francis auf ein Tänzchen ein.
Nico
Chelsea Girl
Verve, 1967
„The Velvet Underground & Nico“ war gerade erschienen, da nahm Nico bereits ihr barockes Folk-Solodebüt auf. Ihr Lover, der völlig unbekannte Songwriter Jackson Browne, schrieb ihr drei Lieder, die Bewunderer John Cale, Lou Reed, Tim Hardin und Bob Dylan steuerten bei.
Pere Ubu
The Modern Dance
Blank, 1978
Geprägt von der sterbenden Industriestadt Cleveland/Ohio, von David Thomas’ vibrierender Fistelstimme und Allen Ravenstines Synthesizer-Störgeräuschen ist dieses bis heute außergewöhnliche Rockalbum so etwas wie die Schnittstelle zwischen Prog und Punk.
Iggy & The Stooges
Raw Power
Columbia, 1973
Iggy Pop schien erledigt, ließ andere machen – Bowie produzierte diese Proto-Punk-Grandezza, und Henry Rollins wagte sich später an eine Neuabmischung. Aber nie sang Iggy besser: „Gimme Danger“, „Death Trip“, heute Klassiker. Iggy sah damals dem Tod ins Auge.
Fun Boy Three
Waiting
Chrysalis, 1983
Geniales Spätwerk im Nachhall des Ska-Revivals. Terry Hall verlässt The Specials mit 23 Jahren: Auf zu neuen Ufern mit Neville Staple und Lynval Golding. Melancholische Popsongs, produziert von David Byrne. Jane Wiedlin von den Go-Go’s schreibt den Hit „Our Lips Are Sealed“.
Peter Brötzmann Octet
Machine Gun
BRÖ, 1968
Im politisch heißen Mai 1968 war Bremen das Zentrum des Jazz. Was der deutsche Saxophonist Peter Brötzmann und seine europäischen Freunde in Eigenregie aufnahmen, war die folgenreichste Abrissbirne für den kontinentalen Free Jazz samt versteckten Streicheleien. Und natürlich: Agitation!
Destiny’s Child
Survivor
Columbia, 2001
Da waren’s nur noch drei, und eine stach doch heraus: Beyoncé Knowles. Sie schrieb und produzierte mit. Das Klischee, dass hier nur Marionetten singen, zerbrach. Die Gruppe bald auch. Was blieb: stählerne Empowerment-Hits wie „Independent Women“ und „Bootylicious“.
Queen
A Day At The Races
EMI, 1976
Ein Jahr nach „A Night At The Opera“ erschien dieses ebenfalls nach einem Marx-Brothers-Film benannte Album. Der Gospel-Pop von „Somebody To Love“ ragte heraus. Unbekannte Perle: „Teo Torriatte (Let Us Cling Together)“, Brian Mays Hommage an die japanischen Fans.
Hot Chip
The Warning
EMI, 2006
Das ist das Meisterstück von zwei Nerds, deren Maschinen noch mal billiger waren als die ihrer Väter. Joe Goddard und Sänger Alexis Taylor haben auf „The Warning“ den Intello-Krach von Aphex Twin noch im Rücken und den Ruhesessel der globalen Raver am Flughafen bereits im Ohr.
Prefab Sprout
Andromeda Heights
Kitchenware, 1997
Nicht mal die etwas stark überzuckerte Produktion kann darüber hinwegtäuschen, welch grandiose, schwerelose und schwer romantische Songs der Poet und Pop-Utopist Paddy McAloon hier hinzauberte. Im Rückblick die letzte große Prefab-Sprout-Platte.
Sufjan Stevens
Illinois
Asthmatic Kitty, 2005
Der Prog-Folk, das zirpende Miniorchester, der Melodienreichtum, die komplexen Arrangements: Stevens’ ungeheure Musikalität war nie konzentrierter als auf „Illinois“. Auch sein größter Moment ist auf der Platte: „John Wayne Gacy, Jr.“, ein erschütterndes Lied über einen Kindermörder.
Joanna Newsom
Divers
Drag City, 2015
Für Liebende ist der Tod nicht abstrakt. Es gibt die Möglichkeit eines Verlusts, den man nicht wird ertragen können. Joanna Newsom, die geniale Folk-Musikerin, Harfenspielerin, Pianistin und Poetin, spricht: „Love is not a symptom of time. Time is just a symptom of love.“
Harry Mudie Meet King Tubby’s
In Dub Conference, Volume One
Moodisc, 1976
Gipfeltreffen der Gechillten: Produzent Mudie und King Tubby, Pionier des Dub. Überraschend treten Streicher auf. Und trotz avantgardistischem Hall und Studiokram herrscht der Wille zur Melodie.
John Coltrane
Giant Steps
Atlantic, 1960
Zwei Wochen nach den Sessions zu „Kind Of Blue“ von Miles Davis ging Coltrane wieder ins Studio – und machte alles anders: Statt einen Akkord auszureizen, jagte er durch krasse Tonartwechsel. Bis heute ist das Titelstück Prüfstein für Jazzer: Nudelst du noch, oder spielst du schon?
New Order
Technique
Factory, 1989
Ende der Achtziger haben sich die unermüdlichen Avantgardisten von New Order in Pioniere des Manchester Rave und der Rave-O-Lution verwandelt. In den glitzernden, euphorischen Songs von „Technique“ erklingt aber auch schon Melancholie angesichts der verschwindenden Jugend.
Led Zeppelin
II
Atlantic, 1969
Man hört dem Album nicht an, dass es aus Studio-Stückwerk entstand. Auch wenn man sich (weiterhin) ungeniert bei Bluesern wie Willie Dixon („Whole Lotta Love“) und Howlin’ Wolf („The Lemon Song“) bedient, gelingt den Briten eine ingeniöse Blaupause des Hardrock-Hedonismus.
Madonna
Ray Of Light
Maverick, 1998
Der zweite Frühling von Madonna – oder war es schon der dritte? Nach „Evita“ vertraute sie ihrer Stimme etwas mehr, sie gab sich spiritueller und spielte mit orientalischen Klängen. Am Ende waren es aber doch einfach herrliche Popsongs – und „Frozen“ ließ alle Herzen schmelzen.
The Flaming Lips
Yoshimi Battles The Pink Robots
Warner, 2002
Die längst überfällige Fusion der Psych-Rocker mit Electro und sanfter HipHop-Rhythmik. Bei Songs wie „Do You Realize??“ reichte ein Fragezeichen allein nicht aus, um sicherzustellen, dass wir alle diesem Trip folgen würden.
Nick Cave And The Bad Seeds
Tender Prey
Mute, 1988
Hier kommen Nick Caves Leidenschaften zusammen: Elvis Presley, Johnny Cash, der Blues. Cash sang später dann tatsächlich „The Mercy Seat“. Er hätte auch „Up Jumped The Devil“, „Deanna“, „Mercy“ und „City Of Refuge“ singen können. Die Bad Seeds entfesseln dazu ein Inferno.
Palais Schaumburg
Palais Schaumburg
Phonogram, 1981
Die Hamburger entwickelten eine avantgardistisch-eckige Tanzmusik mit Texten, die sich stark an Dada orientierten: „Gibst du mir Wasser, rühr ich den Kalk!“, schrie Holger Hiller, während die anderen trommelten und tröteten, als wären sie aus New York.
Purple Mountains
Purple Mountains
Drag City, 2019
Nach dem Megaerfolg von „Too-Rye-Ay“ gab Kevin Rowland den Van Morrison mit sieben feinsten keltischen Souls. Höhepunkt: das 12-Minuten-Opus „This Is What She’s Like“, gewidmet seiner Partnerin, der Geigerin Helen O’Hara.
Dexys Midnight Runners
Don’t Stand Me Down
Mercury, 1985
Bevor er diese Welt verließ, hinterließ Kevin Rowland den Van Morrison mit sieben feinsten keltischen Souls. Höhepunkt: das 12-Minuten-Opus „This Is What She’s Like“, gewidmet seiner Partnerin, der Geigerin Helen O’Hara.
Aaliyah
Aaliyah
Blackground, 2001
Sie war vierzehn, als sie ihre ersten Songs aufnahm, und zweiundzwanzig, als sie bei einem Flugzeugabsturz starb – auf dem Rückweg von einem Videoshoot, der ihr drittes und letztes Album promoten sollte. Auf ihr lebt Aaliyah als eine der großen Stimmen des modernen R’n’B.
Randy Newman
Sail Away
Reprise, 1972
Der Titeltrack ist ein Werbejingle für Sklavenhändler, „God’s Song“ häretischer als Black Metal. Auf seinem dritten Album stößt Newman uns mit Wonne in den Abgrund, der zwischen seinen schwelgerischen Arrangements und der pointierten Weltverzweiflung der Texte gähnt.
Scott Walker
Scott 3
Philips, 1969
Die Emanzipation des Songwriters Scott Walker. Zwar ließ er wieder drei Jacques-Brel-Songs ins Englische übertragen, etwa „Ne me quitte pas“. Aber seine eigenen Songs „It’s Raining Today“, „Copenhagen“, „30 Century Man“ und „Winter Night“ prägten das Bild vom traurigen Existenzialisten.
Randy Newman
Good Old Boys
Reprise, 1974
Ein Sittenbild der Südstaaten aus der Feder eines unzuverlässigen Erzählers. Randy Newman singt aus der Sicht seiner Figuren über Sklaverei, Rassismus, Gewalt in der Familie, Inzest, Politik und Integrationsprobleme. Doch die Musik scheint all das wie ein lindernder Balsam zu überdecken.
Udo Lindenberg
Ball Pompös
Telefunken, 1974
Die Reeperbahn-Saga beginnt ohne Hut im weißen Anzug. Deutsch als Rocksprache ist plötzlich möglich, mit Songs über Typen wie „Jonny Controlletti“ oder Stehgeiger „Rudi Ratlos“. Dazu Action satt in „Honky Tonky Show“. Die Typenrevue des Panikorchesters nimmt Fahrt auf.
The Clash
Sandinista!
CBS, 1980
Der Ruf dieses politico-Punk-Epos ist zweifellos besser gealtert als jener von Nicaraguas Sandinisten. Man verwarf diese Dreifach-LP einst ob ihrer Halbfertigkeit und Überlänge, dabei liegt genau darin ihr roher Charme, von „Hitsville UK“ bis „Something About England“.
Randy Newman
Little Criminals
Warner, 1977
Randy Newman hatte nicht die Absicht, dass seine Satire „Short People“ ein Hit werden würde. Wurde sie aber. Andere Songs befassen sich mit einer Polizeiparade, einem texanischen Mädchen beim Begräbnis ihres Vaters und einem Lustmörder in Düsseldorf.
Nicolette
Now Is Early
Shut Up And Dance, 1992
Im Opener, „No government“, singt Nicolette von dem utopischen Wunsch nach harmonischem Zusammenleben. Die folgenden Songs, produziert von Shut Up And Dance, sind so radikal in ihrer Verbindung von Beats und Gesang wie auf keinem anderen Album Anfang der 90er-Jahre.