ROLLING STONE hat gewählt: Die 500 besten Alben aller Zeiten

Der deutsche ROLLING STONE hat ein neues Ranking der 500 besten Alben aller Zeiten aufgestellt

160

Nina Simone

I Put A Spell On You

Philips, 1965

Von allen Alben der großen zornigen Bürgerrechtlerin ist dieses das ausgeglichenste und freundlichste – trotz des Titels. Der Signature-Song von Screamin’ Jay Hawkins, "I Put A Spell On You", klingt bei Nina Simone nicht wie eine Verfluchung, sondern wie eine Verzauberung.

159

Captain Beefheart & His Magic Band

Trout Mask Replica

Straight, 1969

Dieses Doppelalbum klingt, als wären die Musiker auf unterschiedlichen Planeten unterwegs. Darüber bellt, grummelt und heult ein Sänger surreale Gedichte. Ein riesiger kosmischer Unfall. Man kann nicht wegsehen, nicht weghören.

158

Joy Division

Closer

Factory, 1980

Das zweite Album von Joy Division ist noch kälter und hoffnungsloser als das Debüt. Die Synthesizer sind eisig, die Songs handeln von der "Isolation" und dem Ewigen, "The Eternal". In "Passover" singt Ian Curtis davon, wie er sich nach dem Ende seines Lebens in ein neues aufmacht.

157

Bruce Springsteen

The River

Columbia, 1980

Wie so oft bei Doppelalben ist die Single der doofste Song. "Hungry Heart" rollert und schunkelt so vor sich hin, dass es die Radios lieben. Das ganze Werk ist die Passion Springsteens, allerdings auch die Geschichte derer, die "born in the USA" waren, aber nicht tanzen.

156

Thin Lizzy

Live And Dangerous

Vertigo, 1978

Natürlich hat Tony Visconti noch etwas nachgebessert. Viel wichtiger ist jedoch, dass der im Studio immer etwas verzagt gespielte und produzierte Lizzy-Kanon bis "Bad Reputation" hier den Druck und die Verve bekommt, die er verdient.

155

Steely Dan

Aja

ABC, 1977

"Aja" wurde von Donald Fagen und Walter Becker mit etwa vierzig Studiomusikern aufgenommen. Die erste Seite klingt, als hätten sie ein Jahr lang auf einem Hügel über die Songs meditiert. Beliebt wurden dann die kurzen Riff-Stücke "Peg" und "Josie". Steely Dan waren nie erfolgreicher.

154

Talk Talk

The Colour Of Spring

Parlophone, 1986

Eine Übergangsplatte, auf der Mark Hollis und Produzent Tim Friese-Greene noch die Hits lieferten, die man Mitte der Achtziger von einer Synthie-Pop-Band erwartete, und zugleich schon auf dem Sprung zum Jazz-Impressionismus von "Spirit Of Eden" waren.

153

Lana Del Rey

Norman Fucking Rockwell!

Polydor, 2019

Gibt es eine bessere Zeile als "God damn, manchild, you fucked me so good that I almost said I love you"? Lana Del Rey verknüpft Experimentierfreude mit minimalistischen Kompositionen und starkem Songwriting. Ihr Opus magnum.

152

Love

Forever Changes

Elektra, 1967

Im Herbst des Summer of Love erreichte Arthur Lees Geniestreich nur Platz 154 der US-Charts, doch im Nachhinein entpuppte sich die flirrende Fusion von Psychedelic Rock, Flamenco, Baroque Pop, Folk und Orchester-Arrangements als ein Schlüsselalbum seiner Ära.

151

Queen

A Night At The Opera

EMI, 1975

Das kaleidoskopisch vielseitige, damals noch teuerste Album aller Zeiten beginnt passenderweise mit einer Abrechnung: „Death On Two Legs“ ist dem geldgierigen Ex-Manager der Band gewidmet. Die schillernde „Bohemian Rhapsody“ bescherte Queen ihre erste Nr. 1.

150

U2

Achtung Baby

Island, 1991

Im Nachwende-Berlin erschufen sich U2 mit ihrem siebten Studioalbum neu, aber unter der ironisch glitzernden Oberfläche blieben sie doch die nachdenklichen Iren, die sich zum Glück nie zwischen Ehrgeiz und Ernsthaftigkeit entschieden haben. Nebenbei warf das faszinierende Werk noch den Übersong „One“ ab.

149

Pet Shop Boys

Actually

EMI, 1987

Beseelt von der aufblühenden House-Clubkultur, geriet „Actually“, mit den Nummer-eins-Hits „It’s A Sin“, „What Have I Done To Deserve This?“ und „Heart“, tanzbarer als das Debüt, „Please“ (1986). Aber auch politischer „Rent“ und „Shopping“ etwa kommentierten Wohnungsnot und Privatisierung – Reizthemen der Thatcher-Ära.

148

Fela Kuti

Zombie

Mercury, 1977

Die populärste und einflussreichste Platte, die Fela Kuti und seine Band Africa 70 aufnahmen. Kuti wendet sich im Titelstück dieses Klassikers des Afro-Beat explizit gegen die Militärherrschaft in seinem Heimatland Nigeria. Das Militär schlug mit aller Härte zurück, die der Bandleader fast mit dem Leben bezahlt hätte.

147

Blumfeld

Ich-Maschine

What’s So Funny About, 1991

Wortkaskaden, wie man sie bis dahin noch nie gehört hatte, angesiedelt zwischen öffentlichem Diskurs und Innerlichkeit, Niklas Luhmann und D. H. Lawrence. Ein grandioser Sänger und Songschreiber, eine reduzierte, energetische Rockband. Das erste Blumfeld-Album markiert einen Zeitenwechsel im deutschen Pop.

146

Dolly Parton

Jolene

RCA, 1974

Feministisch ist das nicht, wenn Dolly Parton im Titelsong eine von den Genen begünstigte Rivalin anfleht, ihr doch bitte nicht den Mann wegzunehmen. Offenbar wurde der immense Erfolg der Platte dadurch jedoch nicht beeinträchtigt, es erschienen Dutzende Coverversionen, unter anderem von den White Stripes.

145

Tom Waits

Rain Dogs

Island, 1985

„Rain Dogs“ ist ein wenig zugänglicher als das Selbstzerstörungsalbum „Swordfish Trombones“ (1983), doch die unendlich mitfühlenden Lieder schwanken weiterhin einsturzgefährdet. Auch der Mix auf surrealistischem Captain-Beefheart-Blues und Vaudeville-Zirkusmusik ist derselbe. Romantik im Schredder.

144

Aretha Franklin

Amazing Grace

Atlantic, 1972

Sie kam aus dem Gospel, dann sang sie seichte Schlager, mit „Respect“ gelang ihr 1967 eine Hymne der Bürgerrechtsbewegung – aber erst mit diesem Gospel-Album, das sie fünf Jahre später auf dem Höhepunkt ihres Ruhms aufgenommen hat, wurde Aretha Franklin für alle Zeiten zur Königin des Soul.

143

Arcade Fire

Funeral

Merge, 2004

Hymnen auf das Leben und elegische Oden an den Tod – ehrlich emotional und ohne Angst vor Kitsch. Kathartisch arbeitet „Funeral“ verschiedene persönliche Tragödien der Bandmitglieder auf, und man entdeckt selbst in dunklen Winkeln noch Leidenschaft und die Liebe, die mit einem großen Verlust einhergeht.

142

Darkness On The Edge Of Town

Bruce Springsteen

Columbia, 1978

Die fiebrige Antithese zu „Born To Run“, wiewohl die Motivation der Protagonist:innen dieselbe ist: die Flucht aus der Enge des Alltags. Es gibt keinen besseren Springsteen-Song als „Racing In The Street“: ein Hymnus, der seinen Höhepunkt nie erreicht, weil die Träume im Sterben liegen. (MG)

141

Songs Of Leonard Cohen

Leonard Cohen

Columbia, 1967

Der Poet Leonard Cohen wollte seine Lyrik mit spartanisch arrangierter Musik untermalen, Produzent John Simon staffierte die Stücke dann doch noch ein wenig aus. Die berückende Intensität von „Suzanne“, „So Long, Marianne“, „Hey, That’s No Way To Say Goodbye“ und „Sisters Of Mercy“ ist geblieben. (ISM)

140

Doolittle

Pixies

4AD, 1989

„Monkey gone to Heaven“ verkündet die spirituelle Hierarchie: „If man is five and the Devil is six, then God is seven“, erklärte Black Francis, der vor allem nach der Brutalität in der Bibel gierte. Den Durchbruch der Pixies markierte „Doolittle“ 1989 wegen seiner Popqualität: „Wave Of Mutilation“ bot Melodien für drei Songs. (SN)

139

Die Mensch-Maschine

Kraftwerk

Kling Klang, 1978

Nichtdeutschsprachige kennen zwar leider nur die inferiore englische Version von Kraftwerks komplettestem Album ("Das Model", "Die Roboter", der Titelsong), aber allein der Sound dieser Düsseldorfer Produktion verkörpert auch nach 45 Jahren noch das Paradox eines ewigen, globalen Klangs der Zukunft. (RR)

138

I Am A Bird Now

Antony & The Johnsons

Secretly Canadian, 2005

In Trauergesängen thematisiert Transgenderkünstler Antony Hegarty den Konflikt zwischen Weiblichkeit und Männlichkeit, Leben und Tod. Die Eindringlichkeit dieser grandiosen, zittrigen Jahrhundert-Soulstimme lässt auch jene der Gastsänger Boy George und Lou Reed verblassen. (MV)

137

Pearl

Janis Joplin

Columbia, 1971

Drei Monate nach ihrem Tod veröffentlicht, wird Janis Joplins zweites Soloalbum immer ein Versprechen bleiben, das sie nicht mehr einlösen konnte. Wie sie Kris Kristoffersons Sehnsuchtshymne „Me And Bobby McGee“ singt und ihre Kapitalismuskritik „Mercedes Benz“ schmettert: so einzigartig wie herzzerreißend. (BF)

136

Seventeen Seconds

The Cure

Fiction, 1980

Auf ihrem zweiten Album pflegen The Cure eine Kunst des Verschwindens, ihre Lieder sind so minimalistisch, dass sie fast nicht existieren. Mit erstaunlichem Effekt: Noch das leiseste Wimmern von Robert Smith wirkt hier maximal intensiv. Man meint einer ins Jenseits entfleuchenden Seele zuzuhören. (JB)

135

The Teaches Of Peaches

Peaches

Kitty-Yo, 2000

Ein enges rotes Höschen, über dem der Bauchnabel blitzt, dazu Songs mit Titeln wie „Fuck The Pain Away“, untermalt von minimalistischem Electro-Brummen und -Klacken: Das Debüt von Peaches war ein Statement des Weniger-ist-mehr und eine feministische, sexpositive Neuerfindung der Stooges. (JZ)

134

Music From Big Pink

The Band

Capitol, 1968

Das Debüt von Dylans damaliger Begleittruppe. Der einstige Bandleader tritt noch als gelegentlicher Ko-Autor und Coverkünstler in Erscheinung, doch Eigenkompositionen wie „The Weight“ zeigen, dass das kanadische Roots-Kollektiv mit Vorzeigesüdstaatler Levon Helm längst groß und unabhängig ist. (FT)

133

After The Gold Rush

Neil Young

Reprise, 1970

Neil Young nutzte den kreativen Schub des Jahres 1970 für eines seiner zentralen Alben. Natürlich dominieren die Hits: „Only Love Can Break Your Heart“, „Southern Man“ und der seherische Titelsong. Doch das Album, auf dem traumhaft mehrstimmig gesungen wird, ist auch insgesamt ein Goldrausch. (JS)

132

Ram

Paul & Linda McCartney

Apple, 1971

Der manische Gegenentwurf zum Lo-Fi-Solodebüt. Paul McCartney zeigt die ganze Palette seines Könnens, vom hingeworfenen Akustikstückchen bis zur Pop-Sinfonie, vom räudigen Rocker bis zur zarten Ballade. Linda stiftet Selbstvertrauen und singt die schönsten Harmonien. Power-(Couple-)Pop! (MB)

131

Fetch The Bolt Cutters

Fiona Apple

Epic, 2020

Mit einem Bolzenschneider befreit Fiona Apple sich von allem, was sie am Boden halten will: dem Patriarchat, der Depression, der Isolation. Ein Meisterwerk, ein Kunststück aus Piano und Perkussion, aus Chants und Knochen. „Kick me under the table all you want/ I won’t shut up.“ (JJ)

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