ROLLING STONE bei Radiohead in Amsterdam: Die Totenmasken des Agamemnon
Radiohead goes Blue Man Group: Warum der Toustart der Band nicht vollends geglückt ist
Am Freitag eröffneten Radiohead ihre Europa-Tournee zum neuen Album „A Moon Shaped Pool“ in Amsterdam. ROLLING STONE sah sich den Auftritt an.
Elf Beobachtungen zum Gig:
1. Radiohead ziehen entweder keine Indie-Kids mehr an – oder es gibt keine mehr. Gitarrist Jonny Greenwood ist der einzige, dessen Brit-Pop-Frisur die Jahrzehnte überlebt hat. Und das Publikum könnte man so auch bei U2 vorfinden. Oder auf einem beliebigen Bahnsteig.
2. Was Radiohead für „Kid A“ in avantgardistischer Selbstgeißelung im Studio zusammenstückeln mussten, macht Support-Act Holly Herndon mit einem MacBook in Echtzeit – und lächelt dabei sogar.
3. Thom Yorke wirkt mit Man-Bun und P1-Lederjacke jugendlich, sein Gesicht gleicht jedoch immer mehr der Totenmaske von Agamemnon.
4. Nochmal zu Jonny Greenwood: Haben wir schon erwähnt, dass er der Slash des Indie-Rock ist? Zumindest rein äußerlich …
5. „There There“ ist mit acht trommelnden Händen endgültig ein Fall für die Blue Man Group.
6. Das auf dem Album so luftige „Burn The Witch“ klingt in der streicherlosen Rock-Version, als fallen einem mit Sand gefüllte Luftballons auf die Füße.
7. Jonny Greenwood, Yorke und O’Brien gucken sich über ihre Effektpedale an, als müssten sie gleich eine Rakete ins All schicken. Größte gemeinsame Errungenschaft des Abends: Den Klang einer Rassel verschachtelt klingen zu lassen.
8. #howtodisappointcompletely: Die Songs aus den 90ern werden am Stürmischsten begrüßt. Radiohead spielen immerhin zwei.
9. „My Iron Lung“ wirkt zwischen den frickeligen Kunstliedern der Post-„Kid A“-Ära wie ein NOFX-Song.
10. Thom Yorke tanzt immer noch wie der letzte Mann im Club.
11. Wer auf „Creep“ wartet oder unterhalten werden will hat NICHTS verstanden – und muss zu einer der vielen aus Ehrfurcht und/oder Enttäuschung gegründeten Radiohead-Coverbands gehen.