Roger Waters‘ „The Wall“-Outfit: der Hintergrund des Faschisten-Kostüms
Über Roger Waters' Garderobe der „This is not a Drill“-Tour wird heftig diskutiert. Der Sänger trägt das Kostüm eines fiktiven Faschisten. Geschmacklos oder Ausdruck einer Gesellschaftskritik?
Die Debatte um Roger Waters‘ Diktator-Kostüm hat mittlerweile auch Roger Waters selbst erreicht: Für das Konzert in Frankfurt hat er einen Teil seiner Show geändert. Er betonte während seines Auftritts, dass er sich gegen seine übliche Verkörperung als „Demagoge“ in schwarzem Ledermantel, mit roter Armbinde und Maschinengewehr in der Hand entschieden habe, weil er die Geschichte der Venue kenne.
Das Kostüm, das an das Outfit eines faschistischen Hetzers erinnert und bei der Show in Berlin für Entsetzen gesorgt hatte, wäre anscheinend auch nach Einschätzung des Pink-Floyd-Chefs in der Festhalle in Frankfurt unangemessen gewesen: Hier wurden 1938 3000 jüdische Männer zusammengetrieben, misshandelt und anschließend deportiert.
Noch bei seinem Auftritt in Berlin trat der 79-Jährige als Diktator verkleidet auf die Bühne. Die örtliche Staatsanwaltschaft hat ihm im Anfangsverdacht vorgeworfen, dass sein Outfit mit bodenlangem, schwarzen Ledermantel mit roter Armbinde sich am Uniform-Look des SS orientieren würde.
Dazu hatte Waters auf Facebook Stellung bezogen: „Mein jüngster Auftritt in Berlin hat böswillige Angriffe von denen hervorgerufen, die mich verleumden und zum Schweigen bringen wollen, weil sie mit meinen politischen Ansichten und moralischen Prinzipien nicht einverstanden sind. Die Elemente meines Auftritts, die in Frage gestellt wurden, sind ganz klar ein Statement gegen Faschismus, Ungerechtigkeit und Bigotterie in all ihren Formen. Der Versuch, diese Elemente als etwas anderes darzustellen, ist unaufrichtig und politisch motiviert. Die Darstellung eines durchgeknallten faschistischen Demagogen ist seit Pink Floyds ‚The Wall‘ von 1980 ein Merkmal meiner Shows.“
Der Hintergrund des Faschisten-Kostüms
Tatsächlich ist Waters Ledermann-Outfit ein Bestandteil seiner Neo-Inszenierung des „Wall“-Zyklus, der zu Bühnen-Action bildstark über die überdimensionalen LED-Screens rauscht, während die Band dazu performt. Waters schießt dann mit einer Maschinenwaffe Platzpatronen ins Publikum. Ein ähnliches Kostüm trug Bob Geldof in der Rolle des Pink in Alan Parkers „The Wall“-Verfilmung von 1982. Die gekreuzten Hammer sind die Symbole einer fiktiven Neonazi-Organisation, der der junge Pink nicht nur verfällt – er führ sie später sogar an.
Zuvor wurde die Uniform bereits während der Pink-Floyd-Konzerte der „The Wall“-Tour getragen, die die Band 1981 auch für acht Konzerte nach Dortmund in die Westfalenhallen führte. Möglich ist also, dass nicht jeder Kritiker oder die hierzulande ermittelnden Behörden über die historische Kontinuität von Waters‘ Bühneneinlage als ballernder Diktator im Bilde waren.
Allerdings hätte Waters auch klar sein können, dass sein Show-Faschisten-Auftritt mittlerweile in einen anderen Kontext gesehen wird als früher. Ihm wird – anders als 1981 – von verschiedener Seite, unter anderem von David Gilmours Ehefrau Polly Samson, eine antisemitische Haltung vorgeworfen (Waters betont, dass er kein Antisemit sei); und der Zentralrat der Juden hat die Auftrittserlaubnis für Waters hierzulande kritisiert. Dass Waters während der „This is not a Drill“-Tour auf eine Aufführung im Fascho-Look besteht, stärkt daher nicht nach jedermanns Urteil seine öffentlich dargelegte Position, gegen Faschismus einzutreten. Unabhängig davon, dass er in Frankfurt auf den Dress verzichtete.