Roger Waters: Der Zornige
Zum 80. Geburtstag des ausgesprochen streitbaren Songschreibers und Musikers
Roger Waters war ein halbes Jahr alt, als ein Vater Eric bei der Schlacht von Anzio in Italien starb. Sein Vater war Christ und Kommunist und zu Beginn des Zweiten Weltkriegs Krankenwagenfahrer, weil er den Kriegsdienst verweigerte. Aber er änderte seine Meinung, ging zur Infanterie und wurde im Februar 1944 getötet.
Den Tod des Vaters hat Roger Waters nie verwunden. Das ganze Pink-Floyd-Album „The Final Cut“ (1983) handelt davon. Die Oper „Ca Ira“ (2005) handelt davon. Roger Waters‘ Leben handelt davon, sein militanter Pazifismus, seine Gerechtigkeitssucht, sein Wüten. Während noch jeder legendäre Musiker seiner Berühmtheit unter Anerkennung in den milden Sonnenuntergang geht, wird Waters mit jedem Jahr zorniger und radikaler. Seine Tiraden gegen das Fernsehen, die politische Klasse, den Kapitalismus, später gegen Israel und die Ukraine – vereinfacht gesprochen – sind Legion. Er ließ Kraftwerke nachbauen, Schweine fliegen und errichtete immer wieder diese Mauer, eine innere Mauer, die ihn von der Welt trennt.
Das Paradox des Roger Waters ist, dass er immerzu darüber reflektiert, was Erfolg und Geld ausmachen – und dass er dennoch von der Welt getrennt ist. Er ist ein Mann, der sich mit einem Taxifahrer in New York streitet. Er gibt einfach nicht nach.
Mit Nick Mason und Richard Wright gründete er 1965 die Band Sigma 6, damals spielte er Gitarre statt Bass. Dann kam Syd Barrett, vielleicht ein besserer Songschreiber, bestimmt ein größerer Fantast. „The Piper At The Gates Of Dawn“, das Debüt von Pink Floyd 1967, ist Barretts Album. Waters wehrte sich auf „A Saucerful Of Secrets“ (1968). Barrett wurde immer komischer und erratischer. Irgendwann wurde er vor einem Konzert nicht mit dem Band-Bus abgeholt. David Gilmour kam 1968. Gilmour konnte noch besser Gitarre spielen.
Mit Gilmour entstanden die größten Alben der 70er-Jahre, „The Dark Side Of The Moon“ (1973), „Wish You Were Here“ (1975), „Animals“ (1977) und „The Wall“ (1979). Man kann das alles prätenziös und megalomanisch finden, man kann finden, dass Waters immer nur drei Themen hatte (Vater, Barrett, Entfremdung) – aber genau darin liegt die, wie soll man sagen?, Grandezza dieses Werks.
Seit Waters diese Songs mit einem großen Ensemble ohne Pink Floyd aufführt – seit dem Jahr 2000 etwa –, klingt das alles noch schöner, weil die Technik so viel besser ist. Und Gilmour führte die Songs mit Mason und Wright auf. Waters hatte bei „The Final Cut“ alle Songs allein geschrieben und sie mit dem Orchesterleiter Nick Kamen arrangiert. 1984 erschien sein erstes Soloalbum, „The Pros And Cons Of Hitch-Hiking“, ein Konzeptalbum, das zu den Bizarrerien seiner Karriere gehört.
1990 baute er die Mauer vor dem Brandenburger Tor in Berlin auf und inszenierte „The Wall“ mit Van Morrison, Sinéad O’Connor, Bryan Adams, Garth Hudson und den Scorpions und Ute Lemper als deutsche Repräsentanten. Neil Postmans Studie „Wir amüsieren uns zu Tode“ gefiel ihm so gut, dass er 1992 „Amused To Death“ aufnahm . „The Wall“ führt er 2015 noch einmal komplett auf. 2017 erschien seine jüngste Platte, „Is This The Life We Really Want?“. Der Konzertfilm „Us + Them“ von 2020 vereint den ganzen Waters in einem mächtigen Rant.
Man kann sagen, dass Roger Waters niemals einem Streit aus dem Weg gegangen ist. Am Mittwoch (06. September) wird er 80 Jahre alt. Careful with that axe, Roger!