Rocky IV und Rambo II: Lang lebe Amerika!

„Rocky IV: Der Kampf des Jahrhunderts" und „Rambo II: Der Auftrag". Zwei Propagandafilme – hohl, aber sehr unterhaltsam.

Und der russische Generalsekretär steht von seinem Tribünenplatz auf und applaudiert – für Rocky Balboa, den verhassten Ami, der in die Kälte kam, zuerst zum Trainieren in die Eiswüste, dann nach Moskau, um den „Kampf des Jahrhunderts“ auszufechten. Einen Fight gegen den vermeintlich übermächtigen Ivan Drago. Ein Kampf auch der politischen Systeme.

Den der kleinere Rocky gewinnt. Nach 15 Runden blauer Flecken und gebrochener Knochen hüllt sich der siegreiche Amerikaner im Angesicht des russischen Publikums in die Stars and Stripes. Und ruft Richtung Sowjetboss: „Wenn ich mich ändern kann, dann könnt ihr euch auch ändern – dann muss sich auch die ganze Welt ändern können!“ Der Generalsekretär im Film, dessen Herz Rocky erobert, ist ein Gorbatschow-Lookalike. Das Traumszenario einer Vereinigung, wie erdacht von einem Kind, das zwei streitende Elternteile an den Händen zusammenführt.

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Rocky (Sylvester Stallone, li.) gegen Ivan Drago (Dolph Lundgren)

1985 war ein toughes Jahr für Stallone. Hat er im Dezember Drago vermöbelt, kämpfte er im Sommer noch in einem anderen Erdteil. In Asien, als John Rambo. In Vietnam rettete er gefangene US-Soldaten, „POWs“, und gewann damit gegen „Charlie“ doch noch jenen Krieg, den Amerika 1975 für verloren erklärte. Zehn Jahre und im Film später sah die Sache dann halt anders aus: Die Ein-Mann-Armee mähte den Vietcong in Scharen nieder. Präsident Ronald Reagan lud Stallone, alle Medien berichteten darüber, zur Privatvorführung ins Weiße Haus ein. Reagan fand „Rambo II: Der Auftrag“ so: „gut“.

Lederstrumpf mit Narben und Warzen

Vielleicht muss man in den Achtzigern gelebt und noch sehr jung gewesen sein. Vielleicht muss man auch Amerikaner mit geringer Bildung gewesen sein. Nur so kann man diese Propaganda des Kalten Kriegs ansehen ohne die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen. Ehrlich gesagt kann man sich nicht vorstellen, dass heutzutage überhaupt jemand in Hollywood mit diesen Filmen durchkäme.

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Für Stallone waren beide Werke jedoch todernste Anliegen. Rambo und vor allem Rocky waren bereits Ikonen des Actionkinos, und deren Potential lernte er immer besser einzuschätzen. Mit Arnold Schwarzenegger, der als „Conan“ und „Terminator“ reüssierte, lag ihm jedoch ein Rivale mit nicht weniger ausbaufähigen Figuren im Nacken.

Doch Stallone wusste, was er mit seinen Franchises anstellen musste. Aus dem Aufsteiger-Boxer von 1976 hatte er in „Rocky III“ (1982) einen satten Millionär gemacht, der erst wieder den Ehrgeiz, das „Auge des Tigers“ zurückgewinnen muss, um den Straßenkämpfer Clubber Lang besiegen zu können. Also eine Rolle rückwärts für Rocky, back to the roots. Der traumatisierte Vietnam-Veteran Rambo wiederum, den in seiner amerikanischen Heimat, wie im ersten Film von 1982 dargestellt, keiner sehen will, findet seine Erfüllung im ehemaligen Kriegsgebiet. Auch, wenn er immer wieder betont, dass er eigentlich gar nicht morden will.

Rambo II - Der Auftrag

1985, zu Beginn der Dreharbeiten von „Rambo II – Der Auftrag“ war Stallone zumindest körperlich in der Form seines Lebens, der 39-Jährige sah aus wie ein Lederstrumpf mit Narben und Warzen, jeder sichtbare Muskel war definiert. Um seine Pläne umsetzen zu können, engagierte er mit George P. Cosmatos einen unbekannten Regisseur, den er entsprechend dirigierte, und mit James Cameron einen noch jungen Filmschaffenden, dessen Drehbuch er weitestgehend verwerfen sollte.

Stallone übernahm die Stunts selbst

Zehn Jahre war das offizielle Ende des Vietnamkriegs erst her, und die Faszination der Amerikaner mit der Vorstellung, es könnten in den Dschungeln Vietnams noch gefangene US-Soldaten dahinvegetieren, ungebrochen.

Bring the boys back home. Aus dieser Idee entwickelte Stallone dann ein Rache-Epos, das zumindest als Actionfilm bis dato seinesgleichen suchte. Jerry Goldsmith komponierte einen Score, dessen Tschingderassabum wie Krieg klang. Stallone übernahm die Stunts selbst, Schweißporen sind in Großaufnahmen zu sehen, ständig fliegen einem Splitter um die Ohren, Gelenke quietschen, es gibt realistisch wirkende Explosionen: Der Dschungel blutet.

Das Testpublikum bog sich vor Lachen

Dazu eine Dramaturgie, die dem todsicheren Prinzip Gefangennahme, Ausbruch und Zurückschlagen folgt. Rambo findet das Camp, wird selbst inhaftiert, die Russen stecken mit drin, er bricht aus, verliert dabei eine Komplizin, in die er sich verliebt hatte. Er rächt sich an den drei Feinden „Charlie“, „Iwan“ sowie den US-Auftraggebern, die doppeltes Spiel gespielt hatten – denn Rambo sollte nie US-Soldaten finden, sein Trip war eine PR-Maßnahme, sie sollte die Ungewissheit von Angehörigen in Amerika beenden.

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Welches unfreiwillig komisches Potential Rambo jedoch offenbart, zeigt eine Szene, die das Testpublikum vor Kinostart zum Lachen gebracht hatte und deshalb aus dem Film verschwand: Als Rambos Gefährtin Co Bao (Julia Nickson) in seinen Armen stirbt, fährt die Regie einen Dreifach-Zoom auf ihn los, und der Mann schreit ein ungläubiges „Noooooooooo!“ gen Himmel. Ein echter McBain-Moment, von den „Simpsons“ bis zu „Team America“ tausendfach kopiert.

Am Ende des Films darf Rambo wieder einen seiner berüchtigten Monologe halten, in dem er erklärt, dass seine blutigen Taten nicht von ihm forciert, sondern das Ergebnis von Anforderungen seiner Umwelt sind. Bodycount diesmal: 57 Vietcong. Einspielergebnis: 150 Millionen Dollar, im selben Jahr war nur „Zurück in die Zukunft“ erfolgreicher (210 Millionen Dollar).

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Auf Platz drei der erfolgreichsten Filme des Jahres lag ein weiterer Stallone – eben „Rocky IV: Der Kampf des Jahrhunderts“, 127 Millionen Dollar Einspielergebnis. Regie führt Stallone selbst. Die Produzenten haben den Streifen danach, über einen Zeitraum von 24 Jahren (dann wurde er von „The Blind Side“ abgelöst), mit dem Prädikat „erfolgreichster Sportfilm“ etikettiert. Als Propaganda-Werk ist dieser Film aber noch unterhaltsamer. Nachdem Rockys Mentor Apollo Creed (Carl Weathers) im Ring totgeschlagen wird, entschließt sich der Champion gegen den Übeltäter Ivan Drago (Dolph Lundgren) in Moskau anzutreten.

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Ein echtes Ereignis wirkte da noch nach. Die Amerikaner standen 1985 weiterhin unter dem Eindruck ihrer spektakulären Sommer-Olympiade, ausgerichtet im Jahr zuvor in Los Angeles, als bei der Eröffnungsfeier ein Mann mit Raketenantrieb durch das Stadion flog. Zuvor hatten die Russen sowie 13 weitere Ostblock-Länder bekannt gegeben die Sportveranstaltung zu boykottieren.

Begründung: Die USA schüre „antisowjetische Stimmung“. Vielleicht war das auch eine Revanche: Vier Jahre zuvor hatten die Amerikaner verkündet, den Spielen in Moskau fernzubleiben, da die Sowjets in Afghanistan einfielen.

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Den damit konkurrenzlosen Amerikanern war der Weg für 83 Goldmedaillen geebnet, und auch Rocky machte ein Jahr später klar, welche Nation die besten und vor allem fairsten Sportler hervorbringt, und wie man das überhaupt anstellt. So jedenfalls nicht: Der Drago bearbeitet in einem fensterlosen Sportinstitut futuristische Geräte und bekommt unter Beobachtung eines Wissenschaftler-Teams als auch Brigitte Nielsens allerlei Mittel gespritzt. Rocky dagegen treibt es in die verschneiten russischen Wälder, er stählt Muskeln beim Holzhacken und Ziehen von Baumstämmen. Kein Sparring, aber auch kein Doping. Ob Rocky mit diesen Mitteln die Kampfmaschine besiegen wird?

Ist Rocky ein Supermensch?

Wie alle Box-Kämpfe der „Rocky“-Filme – der beste bleibt wahrscheinlich der zweite Fight zwischen Rocky und Clubber Lang (Mr. T) aus dem dritten Teil – ist auch dieser hier beeindruckend anzusehen; Stallone und Lundgren sollen sich vorab darauf geeinigt haben echte Schläge einzustecken. Rockys Gesicht sieht irgendwann so rotgefächert aus wie ein Sonnenuntergang in Kanada. Vielen Fans des Films ging aber wohl die Fantasie durch, und das umso stärker, je ernster sie die Dinge sahen.

In der „FAQ“-Sektion der Internet Movie Database (Imdb) finden sich kuriose Beispiele. „Drago hatte Apollo Creed buchstäblich totgeschlagen. Und er schlägt Rocky immer wieder an den Kopf – dennoch verliert er. Ist Rocky ein Supermensch?“ – Antwort: „Nein, Rocky ist kein Supermensch. Und dafür gibt es verschiedene Erklärungen, ebenso wie er das scheinbar Unmögliche schafft – und Drago besiegt. Eine einfache Erklärung wäre, dass Rocky unfassbar viele Schläge einkassieren kann ohne besiegt zu werden.“

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Einen ähnlichen Eifer zeigen die „Rocky“-Anhänger nur bei den wahrscheinlich beliebtesten Sequenzen der Filme, den Trainings-Montagen. Die Zusammenschnitte der wichtigsten Übungseinheiten werden mit Songs unterlegt, über deren Motivationsstärke Sportler bis heute, auch in der imdb, leidenschaftlich diskutieren. Die Länge des Lieds ist darin maßgeblich für die Struktur des Trainings. „Welcher Song passt besser zum Stemmen von Gewichten: ‚Pushin‘ oder ‚Hearts On Fire‘?“ Bis heute greift jede Workout-Filmparodie, um die Entwicklung eines Protagonisten und damit die Handlung zu beschleunigen, auf die meist dreieinhalb- bis vierminütige Montage zurück, die wochenlanges Training verknappt.

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Natürlich war auch der „Rocky IV“-Soundtrack ein Kind seiner Zeit. Die 1980er-Jahre waren voller Scores mit aufbrausenden, eigens komponierten Hardrock-Stücken, deren Interpreten keiner kannte (Rober Tepper, John Cafferty), die über Vitamin B rankamen (Frank Stallone) oder deren Leben sich anscheinend voll und ganz im Soundtrack abspielte, die sich darin von Hit zu Hit hangelten.

„Etwa gegen E.T.?“

Wie Kenny Loggins, der neben „Rocky IV“ auch für „Footloose“ (1983) oder „Top Gun“ („Danger Zone“, 1986) verantwortlich zeichnete. Den größten musikalischen Auftritt erhält jedoch James Brown, der sein „Living In America“ sogar im Film mit einer Performance vorstellen darf, vor dem Fight zwischen Creed und Drago. Schon ein bisschen seltsam, Brown mit diesem Song über die Schönheit der amerikanischen Städte auch als Verfechter des amerikanischen Traums zu erleben, bedenkt man, welche politischen Diskussionen er noch in den Sechzigern mit seinen Liedern anführte.

Sylvester Stallone würde seinen Rambo später noch zweimal ins Gefecht schicken (bittere Ironie: 1988 gar im Kampf für die Taliban), Rocky bis heute gar noch dreimal in Aktion treten lassen. „Creed“, die Geschichte von Apollos Sohn, den Balboa jetzt trainiert, läuft am 25. November in den USA an.

Dabei hat sich Stallone nach seinem „Kampf des Jahrhunderts“ gegen Drago eigentlich keinen Illusionen mehr hingeben wollen. „Gegen wen soll ich denn jetzt noch kämpfen?“, hatte er vor 30 Jahren gefragt. „Etwa gegen E.T.?“

Carolco Pictures RTL II

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