Rock’n’Roller und Einrichter von Nobelhotels: Lenny Kravitz im Interview
Zu den neuen Songs seines Albums "Black And White America" wurde Lenny Kravitz am Strand inspiriert – in Paris befasst er sich mit Architektur und Design. Jörn Schlüter sprach für uns mit Mr. Kravitz.
Lenny Kravitz, die Neunte: Nach einer längeren Auszeit in einem lauschigen 400-Seelen-Dorf auf den Bahamas präsentiert der eklektische Stil-Rocker ein Album, das seiner Zuhörerschaft alles gibt, was sie verlangt: die ikonischen Riffs, die großen Botschaften, den gewohnten Retro-Schick. Wie üblich hat Kravitz nahezu alle Instrumente selbst gespielt und aufgenommen, gefühlte Zeit ist 1972. Doch immerhin: Die Gitarren auf dem neuen Album „ Black And White America“ sind leiser als sonst, der (manchmal sogar elektronische) Beat klingt meistens wie gedämpfter Funk. Kravitz’ Interessen haben sich in den vergangenen Jahren verschoben. Ein Gespräch über holzgetäfelte Räume, Kreativität, Barack Obama und Botschaften, die man nicht per Post schicken kann.
Herr Kravitz, für Ihr neues Album sind Sie auf die Bahamas gegangen und haben mehr als ein Jahr allein am Strand gelebt. Das klingt nach Krise.
Nein, keine Krise. Ich wollte nur zu mir kommen und mich wieder fühlen. Ich bin sehr viel mit Menschen zusammen und gebe ihnen viel Energie – wenn man da nicht gut auf sich achtgibt, geht es einem irgendwann schlecht. Ich wollte diesen stillen Ort in mir finden, mich nähren und zu Kräften kommen.
Eine Platte haben Sie dann aber doch gemacht.
Mit der neuen Kraft kam die neue Musik. Ich wollte ein Doppelalbum mit 16 Liedern, vier pro Seite. Eine richtige musikalische Reise.
Das Album klingt weniger nach Rockmusik, eher nach entspannter Jam-Session. Hört man da den Strand heraus?
Ich habe viele Einflüsse, das kann man ja auf all meinen Alben hören. Aber es stimmt: Mit diesem gehe ich weit zurück, zu meinen Funk-Wurzeln. Ich bin wieder der Junge auf der Junior High School, der Quincy Jones hört und sich königlich fühlt. Vielleicht hat es etwas mit meinem neuen Studio zu tun, das ich mir auf den Bahamas gebaut habe: Der Aufnahmeraum erinnert sehr an Los Angeles in den Siebzigern – viel Holz, ein sehr warmer Sound. Man kann auch laut rocken in diesem Raum, doch er verführt sehr dazu, in ihm verhalteneren Funk zu spielen.
Der andere Raum, in dem das Album entstand, befindet sich in Paris, wo Sie seit einigen Jahren leben. Wozu verführt Paris?
In Paris geht es für mich um Architektur. Die Stadt ist voll von unfassbaren Bauwerken – an jeder Straßenecke gibt es etwas zu sehen. Mir gefällt natürlich auch die Kultur – das Ballett, der Wein, das Essen. Als ich das Album dort mischte, veränderte es sich; etwas Urbanes kam in die Lieder. Paris hat sie elektrisiert.
Mit Architektur befassen Sie sich auch in Ihrer Firma Kravitz Design. Lenny Kravitz, Rock’n’Roller und Einrichter von
Nobelhotels. Ein Widerspruch?
Nein, bei beidem dreht sich alles um mich, um meine Krea-
tivität. Gerade mache ich mit Philippe Starck ein riesiges Projekt in Miami Beach. Das ist eine große Ehre, es macht sehr viel Spaß.
Und nebenher drehen Sie auch noch Filme.
Das ist etwas anderes. Ich bin dazu da, die Vision von einem anderen – dem Regisseur – umzusetzen und muss hinter die Rolle zurücktreten. Eine echte Herausforderung.
Für die Vision anderer Leute haben Sie sich schon früher einspannen lassen. Zum Beispiel für Barack Obama, für dessen Präsidentschaftskampagne Sie ein Lied geschrieben haben. Im Rückblick ein Fehler?
Würde ich nicht sagen. Ist Obama perfekt? Nein. Ist irgendjemand perfekt? Nein. Wir dürfen nicht vergessen, was für ein Chaos die vorige Regierung zurückgelassen hat, das war kein leichtes Erbe. Alle haben in Obama den großen Retter gesehen, doch sein Job ist die Politik. Und die ist immer dreckig.
In einigen Ihrer neuen Lieder geht es um Rassismus. Warum ist das jetzt ein Thema?
Das schwarz-weiße Amerika, das bin ich. Als ich klein war, war die Bürgerrechtsbewegung noch lebendig und der Hass gegenwärtig – das alles hat mich sehr geprägt. Wir sind seitdem einen weiten Weg gegangen, aber von einem postrassistischen Amerika kann noch keine Rede sein. Wir müssen weiter kämpfen.
Sie haben in Ihrer Karriere immer große Botschaften überbracht. Lasst die Liebe regieren, macht Revolution, geht meinen Weg, wählt diesen Präsidenten – vor ein paar Jahren haben Sie sogar Ihre sexuelle Abstinenz zum Thema gemacht. Sollten Sie nicht etwas vorsichtiger sein?
Wenn ich die Botschaft fühle, überbringe ich sie. Ich denke nicht darüber nach. Die Leute gucken darauf, was ich anziehe oder mit wem ich essen gehe, das ist alles nebensächlich. Da gehe ich gern das Risiko ein, ehrlich zu sein.