Robert Redford zum 75. Geburtstag: Der Verkannte
Eine kleine Hommage an den Schauspieler, Regisseur, Aktivisten und Umweltschützer. Von Arne Willander.
Nur bei wenigen Filmschauspielern behinderte das gute Aussehen die Anerkennung als Künstler. Von Cary Grant wurde zwar gesagt, er spiele immer bloß sich selbst – doch das Publikum liebte ihn über beinahe vier Jahrzehnte, seine letzten Filme waren die erfolgreichsten, und heute gilt er manchen als der begnadetste aller Komödianten. Der junge Marlon Brando kam bereits als gefeierter Theaterschauspieler zum Kino und erhielt nach fünf Jahren seinen ersten Oscar. Paul Newman qualifizierte sich mit Tennessee-Williams-Verfilmungen als Blauäugiger mit Abgründen. Steve McQueen war auf schweigsame Einzelgänger abonniert und darin ohne Konkurrenz. Und Warren Beatty verkörperte von Beginn an ambivalente, wüste Figuren in oft schwierigen Filmen.
In den 70er-Jahren war Robert Redford neben Newman und McQueen der größte aller Filmstars und erfolgreicher als diese. Neben Newman war er 1969 in „Butch Cassidy und Sundance Kid“ berühmt geworden, lustigerweise mit einem Schnauzbart, den er unbedingt tragen wollte. Newman war der charismatische Witzbold, Redford der lakonische Hallodri. So ähnlich war die Rollenverteilung auch im Leben: Als die beiden Schauspieler 1973 den Triumph mit „Der Clou“, wieder unter der Regie von George Roy Hill, wiederholten, trieb Newman allerlei Schabernack – auch als Rache dafür, dass Redford bei „Butch Cassidy“ so oft zu spät am Set erschienen war. Newman blieb einer der wenigen Freunde Redfords – noch kurz vor seinem Tod im Jahr 2008 dachten sie über einen weiteren gemeinsamen Film nach, doch Newman war von einer Krebserkrankung schon zu sehr geschwächt.
Redfords Saumseligkeit wird oft als Makel angeführt – er lässt Kollegen und Geschäftspartner warten, kommt zu spät zu Interviews und schwänzt offizielle Termine. Er hasst Partys, meidet Hollywood und zieht sich auf sein Grundstück in Utah, am Fuß des Mount Timpanogos, zurück, das er 1968 gekauft hatte. In der Umgebung erwarb er über die Jahre immer mehr Baugrund, gründete das „Sundance Resort“ mit luxuriös ausgestatteten, aber nach ökologischer Vernunft funktionierenden Holzhäusern mit naher Skipiste, das „Sundance Institute“, das sich mit Workshops dem Film-Nachwuchs widmet, und 1980 das „Sundance Film Festival„, das bald mit unabhängig produzierten Filmen auf sich aufmerksam machte. Die Häuser im Resort ließ er liebevoll individuell mit Indianer-Kunst einrichten; ein lukrativer Versandhandel für rustikale Kleidung, Möbel und Accessoires ging daraus hervor, für dessen Katalog Redford noch heute manchmal ein Vorwort schreibt. Die Assoziation mit unabhängigen Kinos und später einem Kabelkanal blieb problematisch; das Sundance-Management wurde oft ausgewechselt, und Redford konnte einerseits nicht gut delegieren, hatte andererseits aber zu wenig Zeit für all die Unternehmungen, für die er auch immerzu Geld aufbringen musste. Immerhin inszenierte er seit 1980 sieben Filme und spielte in manchen („Aus nächster Nähe“, „Sneakers“, „Ein unmoralisches Angebot“) nur der Gage wegen – was man ihnen auch ansieht.
Charles Robert Redford Jr. wurde in Santa Monica als Sohn von Charles Redford und Martha Hunt geboren. Der Vater war eine Weile als Milchmann tätig, arbeitete dann auf den Ölfeldern Kaliforniens, die Mutter war Hausfrau. Charles nahm den Sohn oft mit nach Connecticut an der Ostküste, wo die Familie in New London ihre Wurzeln hatte. Ein von Robert bewunderter Onkel lebte in Texas. Auf den Straßen von Santa Monica und später von Beverly Hills und Brentwood war der Junge ein wilder Außenseiter, der vor Einbrüchen und Diebstählen nicht zurückschreckte. „Meine Familie hatte eine dunkle, kalte Seite“, sagt er später. Der Vater sprach nicht viel, mit dem Bruder hatte Robert kaum etwas gemein. An der Van Nuys High School in Los Angeles war Redford ein guter Baseball-Spieler und desinteressierter Schüler; nur mit einem Sport-Stipendium schaffte er es auf die University of Arizona. Dort interessierte er sich für Kunst und Malerei, widmete sich aber im Übermaß dem Alkohol und den Frauen. Als er 20 Jahre alt war, starb seine Mutter. Reddford verwahrloste, besuchte keine Kurse mehr und reiste 1957 beinahe mittellos nach Europa, wo er in Frankreich, Deutschland, Spanien und Italien die Museen besuchte und sich als Straßenmaler und Gelegenheitsarbeiter durchschlug. In Rom schrieb er sich bei einer Kunstschule ein und verbrachte einen kalten Winter in einem unbeheizten Zimmer. Vor Hunger und Kälte entwickelte er eine Methode der Versenkung, die ihn in eine Art Zen-Zustand, ja Levitation versetzte. Doch es half nichts: Nach einem Jahr kehrte er in die USA zurück und arbeitete auf Ölfeldern.
Den Traum von der Malerei oder Zeichentrickkunst hatte er nicht ganz aufgegeben, als er 1958 nach New York zog, wo er sich zunächst am Pratt Institute For Art And Design einschrieb, schon bald aber auf Anraten eines Freundes zur American Academy Of Dramatic Arts wechselte. Dort war er durch originelle Auftritte und seine schnelle Auffassungsgabe, aber auch seine Unzuverlässigkeit bald notorisch. Die Kommilitonin Lola von Wagenen verliebte sich in Redford, die beiden heirateten im Herbst 1958 in Kalifornien. Durch Auftritte in kleinen Off-Broadway-Theaterproduktionen gelangte Redford zum Fernsehen, wo er immerhin neben dem großen Charles Laughton spielen durfte. Man suchte damals den blonden, blauäugigen Typus George Peppard – wenn der Schauspieler selbst absagte, bekam Redford eine Chance.
Erst 1962 wurde er für einen Kinofilm engagiert: „War Hunt“ war ein Drama über den Korea-Krieg, das schnell vergessen wurde, ebenso wie eine läppische Komödie von Gottfried Reinhardt mit Alec Guinness im Jahr 1965. In „Inside Daisy Clover“ (1965), einem theatralischen Vehikel für Natalie Wood, spielte Redford eine Nebenrolle; Alan J. Pakula war hier Produzent. In Arthur Penns „The Chase“ spielte Redford den Gejagten; Marlon Brando gab feist und schlunzig den Sheriff, der den Mord nicht verhindern kann, Jane Fonda spielte Redfords Geliebte. Erst am Ende des Films kommt Redford als geflohener Sträfling ins Spiel und muss sich zwischen Karossen auf einem Schrottplatz verstecken, verfolgt vom Mob und beschützt von Brando und Fonda. Arthur Penn wurde vom Studio der Schnitt aus der Hand genommen, worüber er sich noch Jahrzehnte später beklagte – danach drehte er „Bonnie & Clyde“.
1967 arbeitete Redford erstmals mit dem Regisseur Sydney Pollack, den er bereits als Schauspieler kennengelernt hatte. „This Property Is Condemned“ ist eine üble Tennessee-Williams-Adaption, wiederum mit Natalie Wood und mit einer aasigen Rolle für Redford. Williams zog sogar seinen Namen zurück. „Barfuß im Park“, die Verfilmung des Neil-Simon-Stücks, brachte Redford an der Seite Jane Fondas endlich einen Erfolg. Die Aktrice schwärmte davon, wie Redford jede Szene seiner langweiligen Rolle anders spielte – doch der Film gehört Fonda und dem schrulligen Charles Boyer. Bei „Butch Cassidy“ sollte Redford ursprünglich den Titelhelden geben und Newman das Sundance Kid – zum Glück wurde dann getauscht, denn Redford ist nicht witzig. George Roy Hills leichte Western-Farce nach einem Drehbuch von William Goldman wurde ein Sensationserfolg.
Noch im selben Jahr wurde Redford Produzent und drehte mit dem Schriftsteller James Salter und dem jungen Regisseur Michael Ritchie „Schussfahrt“, die Geschichte eines ehrgeizigen amerikanischen Skifahrers. Der Film wurde in den Schweizer Alpen mit wenig Geld improvisiert und mit Material von den Olympischen Winterspielen in Grenoble angereichert, das Skifahren musste Redford erst lernen. Der Film ist eine Art Faux-Dokumentation ohne Plot geworden; Gene Hackman, der den Trainer spielte, wusste vermutlich gar nicht, was das alles sollte. Das Publikum auch nicht. In Ritchies „Der Kandidat“ (1972) überzeugte Redford als Politiker, der am Ende seinem eigenen Gerede glaubt. „Jeremiah Johnson“, der Film über einen einsamen Trapper in den verschneiten Bergen, zeigt Redford als vollbärtigen Einsiedler – manche halten diese Exkursion in den Existentialismus für die beste Arbeit von Redford und Pollack. Der überredete den Freund 1973 zu „So wie wir waren“, einem Stoff, der zunächst als Musical für Barbra Streisand vorgesehen war, von Pollack aber als romantische Komödie angelegt wurde. Streisand wollte der Kamera – wie immer – nur ihre Schokoladenseite zeigen, verliebte sich in ihren blendend aussehenden Partner und freute sich auf die Kuss-Szenen – Redford ging sehr dezent und geduldig damit um, wird berichtet. Sein nächster Film, „Der Clou“, brachte Redford eine Nominierung für den Oscar als bester Nebendarsteller – allerdings war Newman in der besseren Rolle viel auffälliger.
Natürlich musste Redford „The Great Gatsby“ spielen, doch der merkwürdig schwüle Film nach einem Drehbuch von Francis Ford Coppola erwies sich als gelinde Enttäuschung, womöglich auch, weil Redfords statuarisches Spiel ebenso enigmatisch wirkte wie Gatsby überhaupt. Der melancholische Fliegerfilm „The Great Waldo Pepper“ (1975) war ein Lieblingsprojekt von George Roy Hill, und Redford war sehr gut als flunkernder Kunstflugpilot. „Die drei Tage des Condor“ ist ein perfekter Paranoia-Thriller von Sydney Pollack. „All The President’s Men“ (1976), der Film über die Watergate-Affäre, wurde zum Triumph für den Produzenten Redford (der Bob Woodward spielte), Dustin Hoffman und Regisseur Alan J. Pakula. Für ein üppiges Honorar, das er ins Sundance Resort investierte, trat der Star dann ein paar Minuten in Richard Attenboroughs Kriegs-Epos „Die Brücke von Arnheim“ auf – natürlich als aufrechter Amerikaner, der heldenhaft zur Hilfe eilt.
Von den 70er-Jahren und dem Rummel um seine Auftritte erschöpft, zog Redford sich nach Utah zurück. „Der elektrische Reiter“ brachte 1979 wieder Jane Fonda und Redford zusammen, und Sydney Pollack deutete den richtungslosen Film über einen traurigen Reklamereiter und sein Pferd zur Romanze der beiden Hauptdarsteller um – wiederum ein Kassenschlager. Als „Brubaker“ war Redford 1980 zu sehen und reformierte ein Gefängnis, um dann als Direktor abgesetzt zu werden. Sehr sorgfältig und selbstsicher bereitete er seinen ersten eigenen Film vor, „Ordinary People“: Redford verpflichtete die populäre Mary Tyler Moore, Donald Sutherland und den sensationellen jungen Timothy Hutton und entwarf einen dunkle, winterliche Welt der Vororte und der Seele. 1981 wurde „Ordinary People“ als bester Film, Redford als bester Regisseur mit dem Oscar ausgezeichnet.
Besser ging es nicht, doch es ging noch sehr gut. Barry Levinson drehte 1984 „The Natural“: Als mysteriöser Baseball-Spieler der alten Zeit war Redford zwar richtig besetzt, aber doch ein wenig zu – alt. Was Levinson als Burleske verstand, sah aus wie ein nostalgisches, elegisches Melodram über Liebe und verpasste Chancen. 1985 spielte Redford in Pollacks berühmtestem Film, „Jenseits von Afrika“, musste als Großwildjäger Finch Hatton meistens geheimnisvoll herumstehen und davonreiten und wurde von Klaus Maria Brandauer vollkommen überstrahlt. „Staatsanwälte küsst man nicht“ (1986) ist ein betrübliches Lustspiel mit Daryl Hannah, nach dem Debra Winger nie mehr in einer Komödie auftreten wollte. Redfords wunderbarer, stets unterschätzter Mexiko-Film „Milagro – Der Krieg im Bohnenfeld“ zeigt die Liebe des Regisseurs zur Natur, zur skurrilen Spökenkiekerei und zur verschrobenen Landbevölkerung. „Havanna“ (1990) blieb die letzte Arbeit mit Pollack, bei der die beiden in Streit gerieten. Die schwedische Bergman-Schauspielerin Lena Olin ist das einzig Erfreuliche in der Revolutions-Plotte, in der Redford als alerter Pokerspieler Jack Weil auf Kuba die Liebe seines Lebens verliert – „Casablanca“ ohne Nazis.
Mit „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“ (1992), „Quiz Show“ (1995), „Der Pferdeflüsterer“ (1998) und „Die Legende von Bagger Vance“ (2000) inszenierte Robert Redford detailgenaue, vergangenheitsselige Filme. In „Spy Game“ (2000), „Die letzte Festung“ (2001) und „The Clearing“ (2004) übernahm Redford glaubwürdige Altersrollen; am besten war er in Lasse Hallströms „Ein ungezähmtes Leben“ (2005): Neben Morgan Freeman spielte er einen grummeligen Farmer, der es ausgerechnet mit Jennifer Lopez als Schwiegertochter zu tun bekommt. Maulfaul neckt er in alter Freundschaft den maladen Freeman, der nach dem Vorbild von Clint Eastwoods „Million Dollar Baby“ allerlei Salbungsvolles über seine Träume, Gott und das Leben schwadroniert. Für Redfords Rolle, die für Paul Newman geschrieben worden war, hätte das Hollywood-Establishment – das Redford 2002 einen Ehren-Oscar für sein Da-Sein überreicht hatte – noch einen Academy Award verleihen können. Redfords Anti-Bush-Lektion „Von Löwen und Lämmern“ indes verläpperte 2007 als didaktisches Kammerspiel gegen die Kriege in Afghanistan und im Irak – trotz der Mitwirkung von Meryl Streep und Tom Cruise, der spürbar nicht viel Zeit und Geduld mitgebracht hatte.
Im Jahr 2009 staunten Zaungäste vor dem Hamburger Hotel Louis C. Jacob: Robert Redford, von Lola seit 1985 geschieden, heiratete (im weißen Anzug) die Malerin Sybille Szagars, mit der er seit 1996 zusammenlebte. Ihren Verwandten zuliebe hatte sie das Fest in der alten Heimat veranstaltet, später zersägten die Liebenden einen Baumstamm. So fand Robert Redford – kitschig gesprochen – zu seiner großen Liebe, der Malerei zurück. Der Mann, der die amerikanische Landschaft so liebt und nach George W. Bushs zweitem Wahlerfolg die USA verlassen wollte, der Mann, der dem unabhängigen Film eine Schneise geschlagen hat, der Mann, der immer an der Diskrepanz zwischen seinem Äußeren und seinem Inneren gelitten hat, wie er sagt, der Polit-Aktivist und Umweltschützer und der Schauspieler, der Amerika wie niemand sonst verkörpert – er kehrte für ein paar Tage ins Alte Europa zurück, ließ sogar Fotografen zu.
Am Ende hat er akzeptiert, dass ihn das Publikum als romantischen Helden sieht. Im „Pferdeflüsterer“ umweht ihn exquisite Einsamkeit, wenn er zu Kristin Scott Thomas sagt: „Ich liebte sie nicht, weil wir so gut zueinander passten. Ich liebte sie einfach.“ Und er verengt die Augen und blinzelt in das späte Sonnenlicht über Montana.
Heute wird der letzte amerikanische Romantiker 75 Jahre alt.
Zur weiteren Lektüre empfehlen wir die Biographie „Robert Redford“ von Michael Feeney Callan, die bei Droemer erschienen ist.