Robert Plant und die Band Of Joy: Gestern, heute, übermorgen. Signierte DVDs gewinnen!
Nach 40 Jahren hat Robert Plant 2010 seine Jugendtruppe Band Of Joy reaktiviert mit einigen der profiliertesten neuen Americana-Musiker. Eine Spurensuche von Jörg Feyer. Dazu verlosen wir drei signierte Live-DVDs der Band of Joy.
Dieser Tage erscheint die Live-DVD „Robert Plant & The Band Of Joy: Live From The Artists Den“. Eine gute Gelegenheit, um noch einmal einen Blick in unsere Septemberausgabe des Jahres 2010 zu werfen, wo wir Ihnen zum Release des Band Of Joy-Albums ein 16-Seiten-Special über Robert Plant präsentierten. Dieser Text von Jörg Feyer stammt aus dem Special, das sie als Archiv-Abo-Kunde vollständig im Original-Layout anschauen können (hier finden Sie alle Infos zu unserem „REWIND – Das Archiv“ und zu den Abopreisen). Zudem verlosen wir drei von Plant signierte DVDs – wer eine haben möchte, der schreibe eine Mail mit dem Stichwort „Band Of Joy“ an verlosung@www.rollingstone. Bitte die Postadresse angeben. Viel Glück!
Was Robert Plant 1999 gemacht hat? Er war Seite an Seite mit Jimmy Page auf einer weiteren Reise zu seinen musikalischen Wurzeln: „Walking Into Clarksdale“, auf dem großen Blues-Trail gen Mississippi also. Wenn wir jetzt nur mal ganz kurz überlegen, was Plant wohl gesagt hätte, wenn ihm damals jemand prophezeit hätte, dass er in nicht allzu ferner Zukunft mit diesen drei Musikern aus Nashville arbeiten würde, die gerade alle Songs des Nummer-eins-Albums des heißesten Country-Acts der Welt geschrieben hatten, was wäre wohl seine Antwort gewesen?
„Eine lustige Vorstellung!“ Buddy Miller lacht in sein Telefon in Nashville. Und fährt mit beschwörerischer Stimme fort: „Jemand holt die Kristallkugel raus und sagt: ‚Also, Robert, ich sehe dich in einer Band mit drei Leuten, die gerade einen Riesenhit mit den Dixie Chicks haben‘ – ich glaube, er wäre sofort getürmt. Oder gleich umgekippt.“ Auch Patty Griffin, zwei Tage später aus Austin zugeschaltet, findet die Vorstellung lustig – und vermutet, Plant hätte dem Propheten unterstellt, Halluzinogene intus zu haben. Darrell Scott schließlich glaubt, dass Plant sich das wohl kaum hätte vorstellen können. „Aber wenn du mir damals gesagt hättest, ich würde in zehn Jahren mit Robert Plant spielen, hätte ich dich auch für verrückt gehalten.“
Und doch spielen genau diese vier Leute jetzt gemeinsam mit dem Bassisten Byron House und dem Percussionisten Marco Giovino in einer der unwahrscheinlichsten und nicht nur deshalb spannendesten Besetzungen aller Zeiten.
Wie also konnte es dazu kommen?
Buddy Miller ist der einzige aus der oben eingeführten Gruppe hochdekorierter Session-Musiker, der Led Zeppelin live gesehen hat 1969, Fillmore East New York, dritte Reihe, Miller hat noch Fotos. Viele Jahre später, 1997 oder ’98, so genau kann er sich nicht mehr erinnern, tourte Miller mit der Spyboy-Band von Emmylou Harris, als Plant eines Abends seinen Besuch bei einer Show in Dublin ankündigte. „Ich bekam mit, dass er vorher noch in dem Pub vor der Halle rumhing, und dachte, cool, ich kann Robert Plant treffen!“, erinnert sich Miller. „Ich ging also zu ihm, stellte mich vor, und dann redeten wir über Bands wie Moby Grape, Quicksilver, Arthur Lee und Love.“ Den ganzen Psychedelic-Kram von der Westküste, der auch Miller geprägt hatte, bevor er zum ersten Mal Porter Wagoner und Dolly Parton hörte und daraufhin „komplett in die Hippie-Country-Zone abdriftete“, wie er sagt.
Eine gemeinsame Basis zwischen den unterschiedlichen Musikern war an jenem Abend in Dublin also schnell hergestellt: „Robert sagte bereits damals, dass er gerne mal mit mir arbeiten würde“, erinnert sich Miller. „Aber ich dachte nur: cool! Das kann ich zwar meiner Frau erzählen – aber es wird in einer Million Jahren nicht passieren. Als dann tatsächlich sein Anruf für die ‚Raising Sand‘-Tournee kam, war ich hin und weg.“ Auf Plants Album mit Alison Krauss hatte 2007 neben dem Produzenten T Bone Burnett noch Marc Ribot Gitarre gespielt. Für die Live-Umsetzung wurde indes Miller verpflichtet. Die gemeinsamen Konzerte offenbarten Miller dann, welch hohes Maß an Spontaneität Robert Plant auf der Bühne an den Tag legt. Zudem entstand zwischen den beiden Männern eine Freundschaft. „Robert isoliert sich auf Tour nicht von der Band“, sagt Miller. „Er kommt bei jeder Show in die Garderobe und hängt mit den Anderen ab, einfach weil er so gerne über Musik redet.“
Nach der Tournee ging es – diesmal mit Miller an der Gitarre – wieder mit Krauss ins Studio, aber irgendwie funktionierte es nicht so recht. Anlaufschwierigkeiten gab es auch, als dann Ende 2009 die von Miller rekrutierte Band Of Joy erstmals zusammenkam, zunächst noch ohne Patty Griffin. Miller rekapituliert: „Robert war wohl doch etwas nervös der neuen Leute wegen. Da entscheidet sich ja vieles gleich in den ersten Momenten. Und die ersten Songs … Nun, es war nicht gleich Kammer-Musik, aber doch sehr akustisch. Robert fühlte sich unsicher damit, und meinte, wir bräuchten noch ein paar härtere Songs. Ich hatte ihm auch Stücke von Patty geschickt, ihren Namen seit dem ersten Tag immer wieder ins Spiel gebracht. Und irgendwann sagte er: ‚Okay, versuchen wir’s mal mit ihr!‘ Patty hat übrigens schon als Kind die alten Led Zeppelin-Songs mitgesungen.“
Vor allem war es eine ganz bestimmte Led-Zep-Platte, die zweite nämlich, die die damals chronisch finanzschwache Patty Griffin als Teenager erstanden hatte und daraufhin stets frenetisch mitsang. „Es war zwar nur eine Platte, aber die hat mein Leben verändert“, sagt sie jetzt. „Die Art, wie Robert damals sang, hat mir einen ganz neuen Horizont eröffnet.“ Verständlich also, dass die 17-Jährige in ihr auf und ab hüpfte, als Plant um Weihnachten herum anrief. Die Aufregung ging dann aber bald wieder zurück: „Er ist sehr gut darin, dich ihn als normale Person sehen zu lassen. Es ist einfach, sich mit ihm wohlzufühlen und das zu tun, was man tun möchte. Nur wenn ich neben ihm auf der Bühne stehe, kommt diese 17-Jährige wieder durch …“ Tatsächlich ist die unverholene Bewunderung, mit der Griffin Robert Plant während seiner Solo-Passagen von der Seite aus anhimmelte, einer der rührendsten Momente des Konzerts in Miami gewesen.
Mit 17 war Darrell Scott noch so weit entfernt von Led Zeppelin wie Plant mit 17 von, sagen wir: Bill Monroe. „Ich war wohl ein ziemlich uncooler Teenager“, rekapituliert der Sohn des Country-Songschreibers Wayne Scott („It’s The Whiskey That Eases The Pain“), der seine Rock-Sozialisation mit den Stones, Little Feat und den Allman Brothers erst als Erwachsener nachholte. Led Zeppelin? Vor zehn Jahren kaufte er sich mal ein Box-Set.
Diese Unkenntnis des Hauptwerks seines Chefs ermöglicht Scott nicht nur einen unbefangenen Zugang zu alten Led-Zep-Songs wie „Misty Mountain Hop“ und „Houses Of The Holy“. Sondern auch eine fast neutrale Einfühlung in die Anfangsprobleme des Protagonisten. „Ich denke, ein in kreativer Hinsicht so abenteuerlicher Typ wie Robert ist immer in einer sehr verletzlichen Position. Man versucht etwas Neues, mit Leuten, die man überhaupt nicht oder kaum kennt – da braucht man einfach ein bisschen Zeit. Es ist fast wie bei einem romantischen Date: Man kann zögerlich sein oder sich direkt hineinstürzen. Und Robert flatterte wohl noch so ein bisschen rum.“
Altes Band-Of-Joy-Material kannten vor der ersten Session mit der neuen Besetzung weder Scott noch Griffin noch Miller. Auch wenn es die alte BOJ gleich zwei Mal gab. Schon die erste Ausgabe mit Plant durchlief zwischen 1966 und 1968 diverse Inkarnationen, wobei es eine nur lokal aktive sogar fertiggebracht haben soll, ihn nach drei Monaten mit der Begründung zu feuern, er könne nicht richtig singen. Entscheidend war letztendlich, dass Plant irgendwann diesen begehrten Drummer überzeugen konnte, sich der Band anzuschließen: John Bonham, der schon damals so hart auf die Felle schlug wie kein zweiter. „In der Band Of Joy lernte ich richtig laut zu spielen, weil ich jeden Abend neben John bestehen musste“, sagte der damalige Band-Of Joy-Bassist Paul Lockey später.
Nach einer Weile spielte die Band auch in Londoner Clubs wie der Psychedelic-Hochburg Middle Earth und dem Speakeasy. Wobei der Name, der wohl aufs Konto des ersten Keyboarders Chris Brown geht, auch für Irritationen gut war. So erwartete die ältere, Bingo-spielende Klientel auf einer Tournee durch die Arbeiter-Clubs des Nordens eher eine Comedy-Band zum pint Bier, aber keine Heavy-Blueser mit eigener Psychedelic-Lightshow.
Auf vier Demo-Songs (darunter Cover von „Hey Joe“ und „For What It’s Worth“) der Truppe war 1968 immerhin Produzent Denny Cordell aufmerksam geworden, dessen Interesse aber schnell wieder erlahmte, als klar wurde, dass Plant und die anderen als Songschreiber damals noch deutlich überfordert waren. Bald darauf wurde die Band aufgelöst.
1977 brachten Lockey und Gitarrist Kevyn Gammond die Band Of Joy schließlich in anderer Besetzung wieder zusammen. Es gab ein selbstbetiteltes, dem Geist der Zeit durchaus aufgeschlossenes Album, dem 1982 sogar noch ein zweites („24 K“) folgte. Zumindest für das erste stand damals auch Plants Beteiligung im Raum, was erst eine große Led Zep-Tour und schließlich der tragische Tod seines Sohnes verhinderten. Karac Plant verstarb im Juli 1977 mit nur fünf Jahren an einer Infektion.
Heute ist Robert Plant fast rührend bemüht, eine Verbindung zwischen der alten und der aktuellen BOJ herzustellen. „Keine Ahnung, was er damit meint“, lacht Buddy Miller, auf Plants Einlassung angesprochen, beide Formationen verbinde diese air of flamboyance. Darrell Scott hingegen wagt eine Exegese: Flamboyanz ergebe sich aus dieser interessanten Musikerkonstellation und ihren tiefen Bezügen zu Bluegrass wie Rock, Blues und Gospel.
Nach ihrem Lieblingsmoment mit der BOJ gefragt, überlegt Patty Griffin lange, bevor sie sagt: „Es ist so anders jeden Abend, aber irgendwas haut mich immer um. Sonst werde ich schnell müde auf Tourneen, und wenn ich eine gute Setlist gefunden habe, klebe ich an der wie Pattex. Aber Robert ändert ständig was, weil er alles frisch halten will.“ Buddy Miller wird spezifischer: „Es ist die Art und Weise, wie wir etwa Townes Van Zandts ‚Harms Swift Way‘ für uns entdeckten, nämlich aus der Frustration, der Magie eines Howlin‘-Wolf-Songs nicht näher kommen zu können. Ich fing dann einfach an, dieses Gitarrenmotiv zu spielen, die anderen stiegen ein – und keine drei Sekunden später sang Robert den Townes-Text dazu. Das Original ist ja sehr langsam, nur Moll-Akkorde. Die sind jetzt weg, weil wir einfach irgendwas spielten, wodurch auch dieser düstere Text eine andere Bedeutung bekam. So haben wir aus diesem Moment der Frustration heraus etwas Neues geschaffen.“
Darrell Scott nennt gleich zwei Lieblingsmomente. „Im Studio war es ‚Angel Dance‘, weil ich dabei zum ersten Mal das Gefühl hatte: Ja, das ist Robert Plant, die Rock-Ikone, und wir sind hier und spielen mit dieser Legende. Auf der Bühne ist es ‚Gallows Pole‘. Wenn wir diesen Song spielen, fühle ich mich zu gleichen Teilen mit Led Zep verbunden wie mit der Folk-Tradition, die den Song hervorgebracht hat. Dies ist kein verrücktes Projekt von Plant, das nichts mit seiner Vergangenheit zu tun hat. Wenn wir „Gallows Pole“ spielen, stehen Led Zep direkt neben dieser alten Musik aus den Bergen, so als ob es nie anders gewesen wäre.“