Robert Plant live in Berlin: Ist das TripHop?
Eigentlich will er keine Jukebox sein und nicht nur Led-Zeppelin-Songs vorspielen – doch Robert Plant findet bei seinem Auftritt in der Zitadelle Berlin-Spandau eine gelungene Balance zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Ist das TripHop?
Es mag ein Klischee sein, dass Hundertschaften von Fans mit großzügig bedruckten Led-Zeppelin-T-Shirts nur deshalb ein Konzert von Robert Plant besuchen, weil sie einen der Helden ihrer Jugendzeit noch einmal dabei beobachten wollen, wie er die Hits vergangener Tage abfeiert. Aber vielleicht gibt es auch ein paar Neugierige, die sich vor allem für die subtilen Solo-Einspielungen interessieren, die der Engländer in den letzten Jahren produziert hat. Als der Sänger mit seiner Tour-Band, den Sensational Space Shifters, am Mittwoch (16. Juli) die Open-Air-Bühne der Zitadelle in Berlin-Spandau betritt, ist der Jubel auf jeden Fall erst einmal groß.
Dabei hätte das elektronische Zirpen, mit dem sich die Herren auf die Bühne schwingen, schon hellhörig machen können. Mit „No Quarter“ beginnt der Abend dann aber trotzdem mit einer zackigen älteren Nummer. Das Publikum klatscht vergnügt mit, bleibt aber noch etwas skeptisch.
Plant ist in guter Form. Im blauen Sommerhemd und mit bekannter Zottelmähne greift er sich schon bei einer mit Mandoline und Handtrommel veredelten Cover-Version des Howling-Wolf-Klassikers „Spoonful“ den Mikrofonständer und schwingt ihn wie in vergangenen Zeiten. Aber der Sänger ist eben auch kein Mensch, der in der Vergangenheit feststecken möchte. Deswegen erteilte er einer weiteren Reunion mit Led Zeppelin – nach ihrem großen Konzertauftritt 2007 mit dem Sohn von John Bonham am Schlagzeug – auch konsequent eine Absage. Er sei keine Jukebox, die unentwegt Hitmaterial ausspucken müsse. Stattdessen begibt er sich schon seit Jahren auf experimentelle Solopfade, zuletzt auch preisgekrönt mit der Bluegrass-Musikerin Alison Krauss. Plant verstand sich wohl immer schon als Suchender, der bewusst Risiken eingehen möchte, um seiner Musik neue Impulse zu verleihen.
Dass die englische Fußballnationalmannschaft allerdings frühzeitig aus dem WM-Turnier in Brasilien ausgeschieden ist, kommentiert er mehrfach ganz geknickt. Zum Glück finge bald wieder die Englische Premier League an, seufzt er und wünscht den Zuschauern schon nach den ersten Songs in hübsch antrainiertem Deutsch eine „schöne gute Nacht“. Das wäre jetzt der perfekte Moment, eine negative Rezension über ein gediegenes Konzert einzuleiten, das zum Einschlafen einlädt. Dass es nicht eine Sekunde so gekommen ist, liegt nicht an den komplex neu interpretierten älteren Musikstücken, sondern an den Songs der kommenden Platte mit den Sensational Space Shifters. Auf deren Erscheinen wird dann auch pedantisch oft hingewiesen, als wüsste Plant, dass es dem Publikum kaum um seine neusten musikalischen Experimentierfelder gehen könnte.
„Rainbow“, ein softer Pop-Song mit elegischem Falsett-Gesang, kollektivem Handtrommeleinsatz und vielen Ahhhs und Ohhs eröffnet den Reigen des neueren Materials, das vor allem auf polyafrikanische Rhythmen und multiinstrumentelle Klangdimensionen setzt. Passend gibt der Frontmann der durchaus homogen und vor allem harmonisch aufspielenden Band nun den Schamanensänger, verzerrt Worte, keucht und fleht. So werden auch die Led-Zeppelin-Klassiker in Blues getaucht oder von Bluegrass-Klängen verzogen. „Black Dog“ beginnt mit einem jazzigen Gitarrenjam und groovt sich bis zum bitteren Ende durch.
Zu einem ersten Höhepunkt gerät der Joan-Baez-Track „Baby, I’m Gonna Leave You“, der mit einem Hauch von einem Akustik-Solo beginnt und sich zum Rock-Monstrum weitet. Hier verfängt sich der fette, aber moderat abgemischte Sound (die Konzert-Location, eines der ältesten Gemäuer in Berlin, verlangt eine Lautstärkebegrenzung, was der Qualität der dargebotenen Musik vor allem in den komplexeren, vielstimmigen Passagen zugute kommt) in Plants winselnder Blues-Intonation („Baby, Baby“), dazu gibt es verwirrend viele Tempowechsel. Das Bukka-White-Cover „Fixin‘ To Die“ gerät zum aufwühlenden Gitarrenstampfer, das dem Lead-Gitarristen die Chance gibt, extrovertiert über die Bühne zu hechten.
Gipfelpunkt der souveränen Performance ist dann ein Song der neuen, Anfang September erscheinenden LP mit dem komplizierten Titel “lullaby and… The Ceaseless Roar”. Tatsächlich animiert Plant mit seiner Band (wie ziemlich oft an diesem Abend) erst einmal die Zuschauer, ein wenig mitzuklatschen, um dann mit „Little Maggie“ einen Song zu schmettern, der einige in Beatles-Lyrics badende Pink-Floyd Sounds in die anbrechende Nacht pustet, die sich sogleich in sphärische Elektrofunk-Samples hineinsteigern. Dazu drischt der formidable Drummer wie im Fieber auf sein Arbeitsgerät ein. Ist das Trip-Hop? Zumindest ist es kein Wunder, dass Electrobeats zum Einsatz kommen, sind doch Keyboarder John Baggott und Bassist Billy Fuller einst Teil der Tourband von Massive Attack gewesen. Vielleicht blubbert und pluckert dieser Song deswegen so faszinierend vor sich hin. Natürlich wird zum Vergnügen der vielen Tausend Besucher noch „“Whole Lotta Love“ inklusive ausgiebigem Händewinken zelebriert, aber das ist nicht ohne Bluesintro und afrikanische Grooves zu haben. Für diese Konzertauftritte mit den Sensational Space Shifters gilt nun einmal das Motto: Vorsicht – Überraschungen möglich.
Ein wenig schade ist es dann schon, dass die Band nach zwei Zugaben („Nobody’s Fault But Mine“ von Blind Willie Johnson und abschließend der Led-Zeppelin-Kracher „Communication Breakdown“, angekündigt als Song, den die argentinische Nationalelf vor ein paar Tagen wohl gesungen haben muss) etwas unmotiviert die Bühne verlässt, nach einem souveränen, manchmal aufreibenden, selten langweiligen Gig, der manche in Ehre ergraute Led-Zeppelin-Anhänger aber wohl etwas ratlos zurücklässt.
Für die hat Plant einen Tipp parat: „Buy my new record – it’s fucking great.“