Robert Johnson – The Complete Recordings
„Als ich Robert Johnson zum ersten Mal hörte, fand ich es so verdammt persönlich, dass es kaum auszuhalten war. Wie der erste Schluck Alkohol, als ich das Gefühl hatte, ich sei der geborene Alkoholtrinker…“: Was der längst vom Suff abgekommene, aber immer noch blues-süchtige Eric Clapton über seine private Johnson-Initiation sagt, haben ganze Musikergenerationen von Keith Richards bis Jack White ähnlich empfunden. Der 1911 in Hazelhurst am Mississippi geborene und schon mit 27 Jahren unter mysteriösen Umständen gestorbene Country-Blueser gilt als Pionier aller gefährlichen und sinistren Tendenzen im Rock’n’Roll. Vielleicht gerade weil die biografische Faktenlage im Falle Robert Johnsons ziemlich dürftig ist, sprießen die Legenden um seine Person besonders üppig. So soll er unter anderem einen faustischen Pakt mit dem Teufel geschlossen, ihm seine Seele als Gegengabe für musikalische Fähigkeiten versprochen haben: der gute alte „Crossroads“-Mythos. Johnson hat der Nachwelt genau 29 Songs hinterlassen (Outtakes und Alternativ-Versionen nicht mitgezählt), aber die hatten einen beispiellosen Einfluss, ob „Hellhound On My Trail“ (in Schulbüchern gern als paradigmatischer Bluestext aufgeführt), ob „Crossroads“, das in der Highspeed-Version von Cream Rockgeschichte machte, oder das u.a. von den Rolling Stones gecoverte „Love In Vain“. Für heutige Hörer sind die technisch primitiven, dumpf und blechern klingenden Originalaufnahmen des einsamen Sängers und seiner Gitarre aus den dreißiger Jahren zunächst mal keine leichte Kost. Aber was Johnson, der seinerseits ein Schüler des Mississippi-Bluesmanns Son House gewesen sein soll, da mit seinem Instrument anstellt, entpuppt sich bei genauerem Hinhören als alles andere als primitiv: Johnson umspielt seine Gesangsmelodien mal mit trickreichem Picking, mal setzte er mit perkussivem Riffing, mal mit kontrapunktischen Linien Kontraste zu seinem hohen, geradezu existenziell gepeinigt wirkenden Gesang. In der Kargheit ihrer Instrumentierung und schroffen Expressivität geben Johnsons Tracks auf musikalische Art ebenso stimmige Zeugnisse für die bittere Zeit der Depression in den Staaten ab wie John Steinbecks berühmter Roman „Früchte des Zorns“. Es ist andererseits gerade diese pure, mitunter verstörende emotionale Power, die der Musik des Robert Johnson ihre Zeitlosigkeit verleiht.