Robbie Williams: Fear And Loathing in London

Koks- und Alkoholsucht hat er hinter sich - ROBBIE WILLIAMS und der beschwerliche Weg vom Teenie-Idol zum erwachsenen Popstar.

Im Popgeschäft herrscht die ewige Wiederkehr: Ein junger Mensch wird mit ein paar Singles berühmt, doch seine oft erst 19 Jahre alte Psyche ist nicht dafür ausgerüstet, ein Idol der Massen zu sein. Er fangt an, sie ein bißchen zu dopen, meistens mit Alkohol oder Kokain. Entweder endet er dann als Drogenwrack oder er findet nach wiederholtem Klinikaufenthalt einen Weg zur Genesung. Und wenn er es dann doch geschafft hat, 30 Jahre alt zu werden, geht schon längst die nächste Generation auf dieselbe Reise.

Als Robbie Williams in einer klaren Herbstnacht in Hamburg ankommt, warten etwa 30 Mädchen am Flughafen. „Ich habe wirklich keine Ahnung, woher die wissen, daß er hier ist“, wundert sich die Betreuerin von Robbies Plattenfirma. „Die müssen irgendwelche geheimen Informationskanäle haben.“

Auf jeden Fall kreischen sie bei seinem Anblick, und einige nehmen sogar im eigenen Auto die Verfolgung au£ Am nächsten Morgen wird Williams die Situation so schildern: „Es waren doch relativ wenig Fans, aber die Situation ist immer wieder frustierend für mich. Sie rufen: Robbie, du hast einen schönen Hintern. Ich sage: Danke, ich bin echt stolz drauf.“

Robbie und der Fluch der Schönheit. Vor ein paar Jahren war sie sein Kapital, jetzt steht sie ihm im Weg. Ernstgenommen werden will er, wie alle Teenie-Stars, die irgendwann leer und frustriert unter den Stofftierbergen hervorkriechen. Wir denken an die lange Ahnenreihe von Leif Garrett bis Limahl. Doch Robbie Williams hat es weiter gebracht als irgendeiner von ihnen: Er verließ Take That als erster, das verschaffte ihm einen Dissidenten-Bonus. Sein Debütalbum „Life Thru A Lens“ erschien 1997, verkaufte sich blendend (Doppel-Platin) und gewann die Herzen der Britpop-Gemeinde. In diesem Jahr trat er beim „Glastonbury Festival“ auf- vor 90000 Leuten und zusammen mit vielen „Erwachsenenbands“, wie Williams sie nennt. Fast sieht es so aus, als hätte er den Absprung geschafft.

Fast. Die Teenies vom vergangenen Abend hängen ihm noch nach, als er über sein zweites Soloalbum „Tve Been Expecting You“ spricht. Zu seinen ehemaligen Bandkollegen hat er keinen Kontakt mehr. „In Deutschland und anderen europäischen Ländern gelte ich aber immer noch als Ex-Take-That-Mitglied. In England bin ich zum Glück schon einen Schritt weiter.“

Das mag man unter anderem daran ablesen, daß ein Heiliger der britischen Popmusik auf Robbies Platte mitsingt: Neil Tennant von den Pet Shop Boys. Neil Hannon von The Divine Comedy steuert ebenfalls einen Part bei und adelt das Album damit von der Kaffeehaus-Seite her. Willliams grinst zufrieden, wenn diese Namen fallen.

„Ich denke, es ist wirklich ein großartiges Popalbum“, lobt er sich selbst „Ganz anders als das erste Album, das noch in einer Zeit der Unsicherheit entstand.“ Damals, direkt nach der Take -That-Ara, fing Williams an zu trinken und Kokain zu nehmen. Siehe oben. Die MTV-Awards moderierte er im volltrunkenen Zustand – „aus nackter Angst, die Leute könnten mich ablehnen“. Heute hat er an Stabilität gewonnen. Die Songs für „I’ve Been Expecting You“ hat er zusammen mit Guy Chambers geschrieben. Beide verstehen sich darauf, genuin britische Popstile miteinander zu kombinieren. Ihre Einflüsse reichen von den Beatles bis zu den Pet Shop Boys. Das Video zur Single „Millenium“ läuft bei MTV längst rauf und runter.

Der stabile Erfolg seiner Glam-Britpop-Mischung hat bei Robbie Williams den Drogenpegel wieder sinken lassen. „Ich brauche mir heute nichts mehr in die Nase zu ziehen, um mich stark zu fühlen.“ Seine neue Droge ist die Anerkennung. Auch privat hat Robbie offenbar sein Glück gefunden: Die Boulevardpresse verfolgt mit Hingabe und Gründlichkeit seine Liaison mit Nicole („Nic“) von All Saints. Für diesen Abend hat sie sich in Hamburg angekündigt, um ihm die Interviewreise durch ihre Anwesenheit ein wenig zu versüßen. Am Nachmittag schickt Williams seine Betreuer los: Sie sollen Räucherkerzen kaufen, damit bei Nicoles Ankunft das ganze Zimmer exotisch duftet. Der Mann weiß wohl, wie man Atmosphäre schafft.

Trotz aller postiven Entwicklungen sagt er, es gehe ihm „gerade mal seit vier Wochen“ rundum gut Zu sehr mißtraut er dem Frieden. Aus Angst vor Fan-Ansturm bewegt sich Robbie mit einem aufwendigen Sicherheitsapparat durch die Gegend. Nach dem Interview kommt er plötzlich auf die Idee, einen Plattenladen besuchen zu wollen. „Aber Vinyl!“, ruft er immer wieder, „Unbedingt Vinyl!“ Hektik im Troß. Als schließlich ein entsprechender Shop in der Hamburger City ausgefunden ist, macht sich die Gruppe auf den Weg. Ein symbolischer Gang. Nur richtige Musiker kaufen Vinyl.

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