Road Show
Wer so gern grinst wie Andreas Johnson und einem so beherzt minutenlang die Hand schüttelt, der kann gar kein Egomane sein. Ein unproblematischer Sonnenschein ist der Schwede bei aller Freundlichkeit allerdings auch nicht Auf seinem neuen Album Liebling“ singt er zwar ausnahmslos hübsche Popsongs, die ein bisschen elektronisch klingen und manchmal etwas rocken, aber immer die Melodie an erste Stelle setzen. Damit kann man kaum anecken. Die Texte haben indes schon einige seiner Mitmenschen geärgert „Ich spiele meine Lieder nie Freunden oder Familie vor. Ich will nicht, dass sie denken, die Texte handeln von ihnen. Vielleicht freut sich die eine über ein Liebeslied, vielleicht kränkt man aber auch jemand anderen damit Lieber alles offen lassen, dann setzt man sich nicht in die Nesseln.“ Zumindest nicht, bevor das Werk veröfiendicht ist Auf der Single „Glorious“ bezeichnet sich Johnson zwar selbst als „this trash of man“ – aber sieht im Video dazu doch recht niedlich aus. Das weiß er, auch wenn er gern auf seine zu groß geratene Nase hinweist Über den leichten Silberblick wollen wir mal ganz hinwegsehen. Seine Panik, als One-Man-Boyband fehlinterpretiert zu werden, musste er erst mühevoll überwinden. „Vor einigen Jahren hätte ich es noch grässlich gefunden, mich in einem Clip sehen zu müssen. Ich wollte eigentlich gar nichts mehr mit der Musikindustrie zu tun haben, nachdem meine Band sich aufgelöst hatte. Jetzt bin ich schon wieder etwas relaxter. In erster Linie bin ich natürlich Songwriter, aber dies ist Popmusik, es ist Showbusiness und mit der wirklichen Welt hat das nichts zu tun. Man darf sich bei all dem Rummel nicht zu wichtig nehmen, das wäre albern.“
Der lustige Titel seines Albums ist ein Resultat seiner Lieblingsbeschäftigung: ein bisschen aus der Reihe zu schlagen, aber das Spiel trotzdem mitzuspielen. „Ein schwedischer Künstler, der englisch singt und einen deutschen Albumtitel wählt – das fand ich äußerst amüsant Zudem ist ,Liebling‘ für mich eines der schönsten Wörter der Welt. Wir verwenden es in Schweden recht oft.“ Als Johnson im Sommer 1998 anfing, seine ersten Solo-Demos zu sortieren, freute er sich nun gar nicht auf die Zeit im Studio. Die übliche Angst: keine Fenster, stickige Luft, Keller-Koller. „Also suchte ich ein Studio an der Küste vor Stockholm aus. Es war wunderbar. Man kann dort sogar angeln.“ Trotz des immensen Freizeitangebotes schaffte Andreas Johnson es, die Songs innerhalb von zehn lagen aufzunehmen. Streicher wurden an nur einem Tag in Stockhohn dazu gemischt „Im Gegensatz zu meinen vorherigen Alben wollte ich jetzt einen größeren, cinematischen Sound. Das wusste ich schon nach den ersten Demoaufnahmen, aber ich war mir nicht sicher, ob ich die richtigen Musiker dafür finden würde.“ – Er fand sie, aber so ganz will er sich noch nicht auf sie verlassen. Die Erinnerungen an seine Ex-Band sind nicht gerade erfreulich. „Mit den Planet Waves hatte ich früher viel Spaß. Bis es auseinander ging, dann wurde es sehr bittet: Der Split macht mir heute noch zu schaffen, und deshalb warte ich mit einer neuen Band lieber noch, bis ich mir ganz, ganz sicher bin, dass es funktioniert“
Entscheidungen trifft er zur Zeit lieber alleine, statt sich mit vier anderen Leuten zu streiten. Auf der Bühne funktioniert die Zusammenarbeit dagegen bislang – ausgezeichnet „Wir sind eine fünfköpfige Band, der Sound stimmt Die Computerklänge reproduzieren wir im Konzert mit dem Einspielen von Samples. Aber das klingt trotzdem nicht konserviert, sondern sehr live. Und viel heavier.“
Von Laptop, Handy und anderen typischen Popstar-Utensilien abgesehen, hat Johnson stets auch einen altmodischen Notizblock für seine Verse dabei. „Ich fange immer mit den Texten an, und immer auf englisch. Schwedisch singe ich nur an Weihnachten. Und manchmal Sauflieder, mehr aber nicht.“ Die Jugend ist schuld. Zwar wuchs Johnson in Schweden auf, zog dann aber für einige Jahre nach New brk. Und davor hatte ihm seine Mutter schon einiges beigebracht „Ich bin mit englischen Songs aufgewachsen. Meine Mum ist Sängerin, und sie hat mir immer Jazz-Standards als Einschlaf lieder vorgesungen. Die traditionellen schwedischen Kinderlieder hatten keine Chance in unserem Haus.“ Schon bald hatte Mama allerdings ausgedient, und als Identifikationsfigur musste der ältere Bruder herhalten. Der hatte einfach den moderneren Geschmack. „Er zeigte mir, was richtige Musik ist Als ich klein war, hörte ichwie die meisten – recht dumme Popmusik, bis er mir vorspielte, was er gut fand: Bowie, Lennon, Young, Dylan, Velvet Underground. Damit fing alles an.“
Aber Andreas Johnson ist ein Kind der 80er Jahre, und da gehört ein bisschen Geschmacksverwirrung einfach dazu. „Okay, mich hat dann auch die New-Romantics-Welle erwischt, aber eher die besseren Gruppen. Bis heute ist Depeche Mode eine meiner Lieblingsbands. Sie haben sich immer wieder verändert, aber doch nie ihren Stil aufgegeben.“ Als Johnson nach New York ging, wusste er zwar nicht so genau, was er dort machen sollte, aber sein Idol hatte ihm schließlich immer ins Ohr gecroont, dass man es erst einmal dort schaffen muss, und dann schafft man es überall. „Ohne Frank-Sinatra-Songs käme ich überhaupt nicht aus“, sagt Johnson heute. Und: „Diese Jahre in New York waren toll. Dort habe ich erst wirklich angefangen, Songs zu schreiben. But l’m a sucker for Europe. Schweden ist natürlich nicht der Nabel der Welt, ziemlich isoliert und viel zu kalt, doch mir gefallt es hier.“ Zudem wird die schwedische Musikszenerie seiner Meinung nach immer interessanter oder zumindest viel bunter. „Da kommen Leute wie die Backstreet Boys an, um sich in Schweden Produzenten zu suchen. Naja. Andererseits haben wir Gruppen wie die Cardigans und Roxette, an Kreativität fehlt es also nicht“
Roxette? War da nicht eine andere Band, die für immer das wahre Pop-Schweden repräsentieren wird? „Abba. Natürlich Abba. Immer Abba. Keiner war jemals wieder so erfolgreich. Wir werden sie einfach nicht los. Sie waren ja auch groß-große Musiker, große Schauspielet; große Persönlichkeiten. Ihre Songs werden immer noch überall gespielt Und fürs Selbstbewusstsein der schwedischen Musik haben sie viel getan.“ Johnson versucht nicht, Abba nachzueifern, obwohl ihm ein bisschen Weltruhm und „Money, Money, Money“ bestimmt gefallen würden. Auch mag er eingängige, unkomplizierte Popsongs, aber dennoch hat er sich schon früh entschieden, die Idole der Nation nicht zu seinen zu küren. „Ich war kein großer Fan. Aber alle Mädchen in meiner Klasse. Jede wollte die ,Dancing Queen‚ sein.“ Das prägt Denn damals wollten sie nicht unbedingt mit ihm tanzen. Und heute? Könnte er auch noch deutsch, würde er wohl bald von Herzen einen Arzte-Song grölen: „Nun bin ich ein Star, der in der Zeitung steht, und dann tut es dir leid, doch dann ist es zu spät“ Für Freundinnen hat Andreasjohnson momentan keine Zeit. „Ich bin mit dem Beruf verheiratet“, heißt es dann immer.